Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

schießung verlief auch in den nächsten Tagen erfolglos. 
Unbedeutende Außenforts wurden beschädigt, eine 
größere Anzahl von Türken verwundet, aber keine 
einzige türkische Batterie zum Schweigen gebracht, 
und von einer Einfahrt in die Meerenge war keine 
Rede. Die Verbündeten sahen ein, daß ein Erfolg 
nur möglich war, wenn die Türken zugleich von der 
Landseite aus angegriffen würden. Dazu reichten 
aber die Truppen bei weitem nicht aus, die ihnen 
zur Verfügung standen, und deshalb lenkten sie ihre 
Blicke auf Griechenland und suchten es für die Wen- 
teuer eines Krieges gegen die Türkei zu gewinnen. 
Der griechische Ministerpräsident Venizelos war bereit, 
sich darauf einzulassen, und da er als erfolgreicher 
Staatsmann im ganzen Lande großes Ansehen genoß, 
so wäre Griechenland um ein Haar der englischen 
Lockung gefolgt. Dadurch wären aber unabsehbare 
Verwickelungen heraufbeschworen worden, Bulgarien 
hätte sofort gleichfalls in den Krieg eingegriffen, und 
dadurch wäre auch Rumänien gezwungen worden, 
aus seiner Neutralität herauszutreten. Da rettete 
Griechenland sein König Konstantinos, der als rühm- 
gekrönter Sieger im letzten Balkankriege die Armee 
und das Volk, wenigstens zum großen Teile, hinter 
sich hatte, vor dem Unsinn einer Selbstvernichtung 
um Englands willen. Er sah ein, daß es nimmer- 
mehr für Griechenland von Vorteil sein konnte, wenn 
entweder England oder Nußland am Goldenen Horn 
gebot, wußte auch, was englische und russische Ver- 
sprechungen bedeuten. Daher ließ er es auf den 
Kampf mit dem volksbeliebten Venizelos ankommen, 
und es zeigte sich, daß er der Stärkere war. Der 
Ministerpräsident nahm seinen Abschied, zog sich 
grollend ins Privatleben zurück, und es gelang dem 
Könige unschwer, ein neues Ministerium zu bilden. 
Die Presse des Dreiverbandes schäumte natürlich vor 
Wut über diese Wendung der Dinge in Griechenland 
und begeiferte die Königin, die Schwester des Deutschen 
Kaisers, mit wilden Schmähreden, denn in ihr sah sie 
die Urheberin der Entschlüsse des Königs. Aber alles 
Schimpfen konnte nichts helfen. Der Griechenkönig 
ließ sich aus seiner Ruhe nicht herausbringen, und 
den klugen Koburger auf Bulgariens Thron konnten 
die Diplomaten des Dreiverbandes ebensowenig 
dazu bringen, ihnen mit seiner Kriegsmacht Vorschub 
zu leisten. Damit war eigentlich der große Kamps 
vor den Dardanellen entschieden. Mit dem bloßen 
Granatfeuer von den Schiffen aus war nun einmal 
den türkischen Batterien nicht beizukommen, auch nicht, 
als ein englisches Großkampfschiff aus der Bucht von 
Saros über die Berge der Landenge das Feuer auf 
sie eröffnete und in den Kampf eingriff. Es wurde 
dadurch kein Schaden angerichtet. Auch das half 
nichts, daß plötzlich die russische Schwarze-Meer-Flotte 
sich aus ihrer Ruhe aufraffte. Nachdem sie einige 
Häfen mit nicht eben großem Erfolge beschossen und 
ein paar harmlose Handelsschiffe in den Grund ge- 
bohrt hatte, verschwand sie von neuem. Ein Lan- 
dungsversuch auf der Halbinsel Gallipoli scheiterte 
kläglich. Die Türken ließen erst einen Teil der Truppen 
ruhig ausschiffen, stürzten sich dann auf sie und trieben 
sie ins Meer, wobei sie Steine als Wurfgeschosse 
benutzten. 
Trotzdem standen die Verbündeten von ihrem Vor- 
haben nicht ab. Nachdem einige Tage vor den Dar- 
daneilen Ruhe geherrscht hatte, begann am Morgen 
des 18. März die vereinigte Flotte der Verbündeten, 
die inzwischen noch sehr bedeutend verstärkt worden 
war, eine neue Beschießung mit aller Kraft. Die 
Kriegsschiffe wurden so rücksichtslos in den Kampf 
eingesetzt, daß man erkennen mußte, hier sollte auf 
jeden Fall eine siegreiche Entscheidung herbeigeführt 
werden. Aber nicht der geringste Erfolg wurde er- 
zielt. Dagegen wurden drei, nach späterer, glaub- 
würdiger Meldung, vier Großkampfschiffe von den 
türkischen Batterien zum Sinken gebracht und eine 
große Anzahl so beschädigt, daß sie schleunigst aus 
dem Feuer herausgeschleppt werden mußten. Am 19, 
war die Niederlage der Verbündeten entschieden. Sie 
dampften ab und brachten ihre Schiffe und Mann- 
schaften teils in Ägypten und Zypern, teils auf den 
griechischen Inseln, wie Lemnos, in Sicherheit. Von 
einer Achtung der griechischen Neutralität war dabei 
nicht die Rede. Der größte Teil der Mannschaften 
wurde einstweilen in Ägypten eingestellt, wodurch 
Zugleich das dortige Verteidigungsheer gegen die 
heranrückende Türkenmacht verstärkt wurde. 
Der Ertrag dieser ersten großen Dardanellenschlacht 
bestand für die Verbündeten in der Zerstörung einiger 
ziemlich wertloser Außenforts und der Tötung und 
Verwundung einiger hundert türkischer Soldaten. 
Sonst hatten sie schlechthin nichts erreicht. Die Meer- 
engen blieben gesperrt. Rußland war und blieb somit 
von Europa abgeschlossen. Konstantinopel war un- 
versehrt und die Türkei nicht, wie englische und fran- 
zösische Blätter vorher ausposaunt hatten, aufs Haupt 
geschlagen, sondern sie stand jetzt so ruhmvoll da wie 
seit Jahrhunderten nicht. Das Ansehen Englands 
im Orient hatte einen furchtbaren Schlag erlitten, 
der bis nach Indien hinein nachzittern mußte, und, 
was vorderhand schwer wog, die Hoffnung, durch 
einen großen Sieg die Neutralen auf die Seite der 
Dreiverbandsmächte hinüberzuziehen, war kläglich 
gescheitert. Fieberhaft, mit allen Mitteln der Lüge 
und der Bestechung hatten die Diplomaten der drei 
verbündeten Großmächte während der beiden ersten 
Märzwochen in den Hauptstädten der neutralen 
Länder gearbeitet. In Athen, Bukarest, Sofia, ganz 
besonders in Rom, hatten sie alle Hebel in Bewegung 
gesetzt, die Regierungen und die Völker für sich zu 
gewinnen und zum Losschlagen zu bewegeu. Sie 
logen den Italienern tagelang vor, ihre ungeheuere 
Flottenmacht sei eben im Begriffe, zu siegen, und 
suchten sie mit allen Künsten der Beredsamkeit davon 
zu überzeugen, daß jetzt der letzte Augenblick ge- 
kommen sei, sich der unfehlbar siegreichen Sache an- 
zuschließen. Ein großer Teil des italienischen Volkes 
war sehr bereit, ihren Lockungen zu folgen. Viele 
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