Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

8 Kanonen, 13 Maschinengewehre, große Mengen von 
Munition und viele Lebensmittel erbeutet. Auch sonst 
hatten sie auf diesem Kriegsschauplatze verschiedene Vor- 
teile davongetragen, 2 Munitions- und Truppenzüge in 
ihre Gewalt gebracht, ein russisches Bataillon in einer 
Schlucht überrascht und vernichtet. An demselben Tage 
schlugen türkische Truppen im Verein mit den zu ihnen 
übergegangenen Perserstämmen 4000 Russen 50 km 
nordöstlich vonSautschbulak und erbeuteten KKanonen 
und viel Kriegsmaterial. Wichtiger aber war der Er- 
folg, den sie errungen hatten durch die Eroberung der 
Stadt Ardagan im Gebiete Kars im russischen Trans- 
kaukasien. Sie hatten damit einen Ort zurückerobert, 
der bis 1878 türkisch gewesen war, und dessen Be- 
völkerung schwer unter der russischen Herrschast geseufzt 
hatte. Ihr Einzug wurde daher mit besonderem Jubel 
begrüßt, mit umso größerem, als die Russen vor ihrer 
Flucht noch alle Roheiten und Schändlichkeiten an 
den Bewohnern Ardagans verübt hatten. Es zeigte 
sich immer mehr, daß die muselmanischen Völker des 
Kaukasus die Russenherrschaft als ein furchtbares Joch 
empfunden hatten — wie alle Völker, die unter die 
Zarenknute gekommen sind — und daß sie ihre ein- 
rückenden Glaubensgenossen als Befreier begrüßten. 
Wo immer die türkischen Truppen erschienen, schlössen 
sich ihnen Hunderte und Tausende an, um den 
„Heiligen Krieg" gegen die Unterdrücker zu führen. 
Wenn freilich der Scheich-ül Islam am 6. Januar be¬ 
hauptete, 320 Millionen Mohammedaner hätten sich 
bereits erhoben, so durfte man hinter diese Worte 
ein großes Fragezeichen setzen. Denn dann wären 
mehr Mohammedaner im Aufruhr gewesen als 
es in der ganzen Welt gibt. Aber das schnelle 
Vordringen der Türken im Kaukasusgebiet ergibt sich 
ohne Frage mit aus der Haltung der Bevölkerung, 
die ihnen jeden Vorschub leistete. Am 7. Januar er- 
oberten die Türken Midan-Dulbi in der von den 
Russen besetzten persischen Provinz Aserbeidschan. Am 
13. zog ihre Vorhut in Täbris ein, am 20. wurde 
im ganzen Kaukasus der Angriff der Russen zum 
Stehen gebracht Von da an scheinen Regengüsse, 
Stürme und Schneefälle beide Parteien eine Woche 
lang gezwungen zu haben, sich des Kampfes zu ent- 
halten. Die Nachrichten über russische Erfolge, die in 
diesen Tagen verbreitet wurden, haben sich als völlig 
erfunden herausgestellt. Am 27. setzte der türkische 
Angriff von neuem ein, sie rückten auf Olty vor, 
warfen die Russen zurück und erbeuteten eine Menge 
Kriegsmaterial. Diese Erfolge erregten in Persien, 
wo man bisher die Russen für unbesiegbar gehalten 
hatte, so große Freude und Begeisterung, daß sich 
viele Tausende von Freiwilligen dem Türkenheere an- 
schlössen. Auch bei Ehoi, dem letzten Zufluchtsorte 
der Russen in Aserbeidschan, waren die Türken sieg- 
reich. Schon mußte ein russisches Blatt, die „Nußkoje 
Wjedomosti", berichten, daß in Persisch-Kurdistan und 
im Bulaker Kreise eine für Rußland verhängnisvolle 
Bewegung ausgebrochen sei, die Panislamitische Agi- 
tation reiße alles mit sich fort, Rußland habe eine 
türkische Armee vernichtet (was vollkommen erlogen 
war), aber es werde außerstande sein, eine fanatisch 
für den heiligen Krieg eintretende Bevölkerung von 
vielen hunderttausend Seelen zu vernichten. 
Der Februar brachte keine Änderung der Kriegs- 
läge auf diesem Gebiete; sie blieb für die Türken 
einen ganzen Monat über günstig. Am 3. siegten 
sie im Gefecht bei Artwin, am 4. räumten die Russen 
Aserbeidschan, nachdem sie noch im Abziehen die 
schändlichsten Untaten an der islamitischen Bevölke- 
rung verübt hatten. Die „Nowoje Wremja" erklärte 
dazu: „Wir verlassen die Provinz freiwillig, um 
unsere Achtung vor der Neutralität Persiens zu be¬ 
weisen". Am 7. wurden zwei Vorstöße der Russen 
bei Egriklissa und bei Lespik unter schweren Verlusten 
für die Angreifer zurückgeworfen, und wieder erbeu- 
teten die Türken beträchtliche Mengen von Kriegs- 
Material. An demselben Tage zwang ein türkisches 
Kriegsschiff vier russische, in den Hafen von Batum 
zu fliehen, erschien dann selbst vor der Stadt und 
beschoß sie. „Die russische Schwarze-Meer-Flotte ist 
so klein, daß sie sich keinen Verlusten aussetzen darf", 
damit erklärte ein sehr hoher russischer Offizier die 
üble Haltung seiner Landsleute zur See. Wahrschein- 
lich war das wirklich so. Die russischen Kapitäne 
hatten Befehl, ihre Schiffe zu schonen, ebenso wie die 
Führer der englischen Nordseeflotte, und deshalb 
spielten beide, die große wie die kleine Flotte, eine 
erbärmliche Nolle. 
Auch in Mesopotamien waren die Türken siegreich. 
Dort hatten schon Anfang Dezember Kämpfe mit 
englischen Truppen stattgefunden, die für die Briten 
unglücklich und verlustreich ausgefallen waren. Am 
19. Januar wurden die Engländer am Schatt-el Arab 
in der Nacht überfallen und erlitten erhebliche Ver- 
luste. Am 20. und 21. fanden Kämpfe bei Korna 
statt, die ebenfalls unglücklich ausfielen und den Eng- 
ländern über 1000 Tote kosteten. Auch das Eingreifen 
englischer Schiffe vermochte nicht, einen Erfolg herbei- 
zuführen, sie mußten sich vielmehr vor dem türkischen 
Feuer zurückziehen. In der Nacht des 30. Januar 
machten die Engländer an derselben Stelle einen 
Landungsversuch, wurden aber nach schweren Ver- 
lusten Zurückgeschlagen. Auch im folgenden Monat 
waren sie in Mesopotamien nicht glücklicher. Die 
Türken zwangen sie bei Bagdad zum Rückzüge und 
eroberten die Festung Piringi. 
Auf den Gang des Weltkrieges im großen hatten 
alle diese Erfolge zunächst nur geringen Einfluß. Der 
Kaukasus und Mesopotamien waren Nebenkriegs- 
schauplätze. Die große Bedeutung der Türkei für die 
kriegführenden Großmächte lag darin, daß sie den 
Suezkanal zu bedrohen, die Dardanellen zu sperren 
vermochte. Ein Durchbruch der Dreiverbandsmächte 
durch die Dardanellen oder die Eroberung des Suez- 
kanals durch die Türken konnte zur Entscheidung des 
Krieges wesentlich mit beitragen. 
Aus die Bedrohung des Suezkanals war die Ab- 
ficht der Türken vom ersten Tage ihrer Kriegführung 
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