Abendstimmung bei Haidar Pascha. Im Hintergrund Konstantinopel.
geheuern Staatsschulden übernehmen, sonst wäre es
jetzt schon zum offenen Staatsbankrott gekommen.
Sie gaben sehr widerwillig und nur gegen Ver-
pfändung der staatlichen Weizenvorräte, die in Odessa
und den anderen Hafenstädten des Schwarzen Meeres
lagen und vorläufig wegen Sperrung der Dardanellen
für sie nicht erreichbar waren. Oabei hatten sie große
Mühe, ihre eigenen Finanzen auf der
Höhe zu halten. Denn sie waren
allesamt darauf angewiesen,
den größten Teil ihres Be
darfs an Munition und
anderer zum Krieg-
führen nötigen
Dinge aus dem
Auslande zu be-
ziehen. Nur den
kleinsten Teil
davon konn-
ten sie im
Lande erzeu-
gen. Natürlich
nahmen ihnen
ihre Lieseranten
Wucherpreise da-
für ab, und so ver-
loren sie dadurch mo¬
natlich einige hundert
Millionen Mark. In
Deutschland blieb alles Geld
im Lande, und litten einzelne
Stände durch den Krieg —
manche litten schwer darun-
ter —, so verdienten andere
das Zehnfache, was sie int
Frieden verdient hatten, denn
fast alles, was Deutschland zum
Kriegführen bedurfte, wurde im Lande hervorgebracht.
In Österreich-Ungarn war es nicht anders, und darum
trugen die beiden Staaten die Lasten des Krieges leichter,
als selbst die neutralen Länder Europas. Während in
Skandinavien Teuerung und Arbeitslosigkeit herrschte
Das Gebet beim feierlichen Abschied des Oberbefehlshabers
der gegen den Suezkanal operierenden türkischen Truppen,
Dschemal-Pascha (vorn in der Mitte), von Damaskus.
Hinter ihm (mit dem Band des Eisernen Kreuzes in:
Knopfloch) Oberst v. Frankenbei g, ihm zur Seite (den
Handschuh in der Hand) Fakhriddine-Pascha, Gouverneur
von Damaskus.
und wenigstens die unbemittelten Klassen der Bevölke¬
rung darbten, während in Italien sogar Brotkrawalle
ausbrachen, war in Deutschland, abgesehen von den
Beschränkungen im Brotverbrauch, vom Kriege wenig
zu merken. Die Speisekarte der Wirtshäuser zeigte
noch dieselbe Fülle. Die Vergnügungslokale und
Theater waren keineswegs leer. In Berlin war das
Nachtleben zwar durch eine Polizeiver-
ordnung, die dem Ernste der Zeit
Rechnung trug, sehr einge-
schränkt worden, sonst aber
zeigte die Stadt fast
dasselbe Gesicht wie
im Frieden. Rei-
sende Amerikaner
konnten den Un-
terschied zwi-
schen Berlin
und Wien
einerseits und
Paris undLon-
don andrerseits
gar nicht grell
genug schildern.
Die Hauptstädte
Frankreichs und
Englandswarennach
Einbruch der Dunkel-
heit fast in Finsternis ge-
hüllt, denn nur die allernol-
wendigsten Laternen durften
brennen, weil man die deut-
schen Zeppeline fürchtete. Ver-
lin und Wien dagegen strahl-
ten Abend für Abend bis in
die Nacht hinein in hellstem
Lichterglanze. In Großstädten
wie Leipzig und Dresden merkte der Durchreisende nur
an den vielen Feldgrauen und den zahlreichen Frauen
in schwarzer Kleidung, daß sich Deutschland in seinem
größten Kriege befand. Das Straßenbild war am Tage
und am Abend unverändert dasselbe, das es im vorigen
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