die zur Fortführung ihrer Wirtschaften erforderlichen
Mengen an Getreide und Futtermitteln belassen werden.
Waren für den Kleinhandel Höchstpreise bestimmt, und
weigerte sich der Besitzer, solche Gegenstände trotz Auf-
forderung der Behörde zu verkaufen, so konnten sie
über seinen Kopf hinweg verkauft werden. Noch ein-
schneidender waren die gleichzeitigen Verordnungen
des Bundesrates zur Streckung der vorhandenen
Getreidevorräte. Uber den Verkehr mit Brot wurde
bestimmt:
Weizenbrot darf in den Verkehr nur gebracht werden, wenn
zur Vereitung auch Roggenmehl verwendet ist. Der Gehalt
an Noggenmehl muß mindestens 10 Gewichtsteile auf 90 Ge-
wichtsteile Weizenmehl betragen. Roggenbrot darf in den
Verkehr nur gebracht werden, wenn zur Vereitung auch Kar-
toffeln verwandt sind. Der Kartoffelgehalt muß bei Verwen-
dung von Kartoffelslocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffel-
stärkemehl mindestens 5 Gewichtsteile auf 95 Gewichtsteile
Noggenmehl betragen. Roggenbrot, zu dessen Bereitung mehr
Gewichtsteile Kartoffeln verwendet sind, muß mit dem Buch-
staben „K" bezeichnet werden. Beträgt der Kartoffelgehalt
mehr als 20 Gewichtsteile, so muß dem Buchstaben „K" die
Zahl der Gewichtsteile in arabischen Ziffern hinzugefügt
werden. Werden gequetschte oder geriebene Kartoffeln ver-
wandt, so entsprechen 4 Gewichtsteile einem Gewichtsteil Kar-
toffelflocken, Kartoffelwalzmehl oder Kartoffelstärkemehl. Bäcker
und Brotverkäufer haben einen Abdruck dieser Verordnung
in ihren Kaufräumen auszuhängen. Zuwiderhandlungen werden
mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bedroht. Die Bestimmungen
gelten nicht für Brot, das aus dem Auslande eingeführt wird.
Die Verordnung über den Verkehr mit Brot tritt mit dem
1. Dezember in Kraft.
Die dritte Bekanntmachung bestimmt, daß das Verfüttern
von mahlfähigem Roggen und Weizen, auch geschrotet, sowie
von Roggen- und Weizenmehl, das zur Vrotbereitung ge-
eignet ist, verboten ist. Nur soweit dringende wirtschaftliche
Bedürfnisse vorliegen, können die Landeszentralbehörden das
Verfüttern von Roggen, der in landwirtschaftlichen Betrieben
des Viehhalters erzeugt ist, für das in diesem Betriebe ge-
haltene Vieh allgemein, für bestimmte Gegenden und bestimmte
Arten von Wirtschaften im Einzelfalle zulassen.
Die Verordnung über das Ausmablen von Getreide end-
lich bestimmt, daß zur Herstellung von Noggenmehl der Roggen
mindestens bis 72 v. H. durchzumahlen ist. Zur Herstellung
von Weizenmehl ist der Weizen mindestens bis zu 75 Proz.
durchzumahlen. Zuwiderhandlungen werden ebenfalls mit
Geldstrafe bis zu 1500 Mark bedroht.
Diese Verordnungen wurden noch wesentlich ver-
schärst durch die Bestimmungen über die Streckung
der Vorräte vom 5.Januar 1915. Weizenmehl mußte
darnach noch weit stärker mit Kartoffelmehl durch-
setzt, Roggen und Weizen noch vielmehr durch-
gemahlen werden. Mahlfähiger Roggen und Weizen
durften überhaupt nicht mehr verfüttert werden. Die
Zusätze von Kartoffeln an Brot wurden noch bedeutend
erhöht. Die Kuchenbäckerei wurde auf einige Tage
in der Woche beschränkt, die Abgabe frischen Brotes
verboten, das Backen während der Nachtzeit unter-
sagt. Durch eine Verfügung vom 26. Januar wurde
dann noch verordnet, daß mit dem 1. Februar die
Beschlagnahme aller Getreide- und Mehlvorräte stalt-
finden solle. Im März erfolgte dann die rationsweise
Zuerteilung von Brot an die Bevölkerung. Jede
Person erhielt ihre Brotkarte und konnte nur unter
Vorlegung dieser Karte bei den Bäckern eine gewisse
Menge von Brot, vier Pfund auf den Kopf für die
Woche, erhalten.
In Osterreich und Ungarn traten mit der Zeit
diese deutschen Verordnungen auch allesamt in Kraft,
natürlich mit den Veränderungen, die durch die be-
sonderen Verhältnisse der verschiedenen Landesteile
bedingt waren.
In Frankreich und England spotteten die Zeitungen
über den deutschen Kartosfelbrot-Geist und machten
ihre Witze über das K-Vrot. Aber es war den Spöttern
nicht wohl dabei. Ihre glänzendste Hoffnung war
durch die Umsicht und Tatkraft der deutschen Regierung
zuschanden gemacht worden. Schon im Februar be-
gannen einige englische Zeitungen einzugestehen, daß
der Plan einer Aushungerung Deutschlands wohl
schwerlich durchführbar sein werde. Und welche Volks-
disziplin trat hier in Deutschland zutage! Welche
Willigkeit, kleine und auch größere tägliche Ent-
behrungen um des großen Ganzen willen auf sich
zu nehmen! Widerwillig erkannten das sogar die
Feinde an, wenigstens die Engländer, und ein eng-
lischer Minister sprach es offen aus: Er wünsche
seinem Volke etwas von dem Kartoffelbrot-Geiste,
der das deutsche Volk beseele.
Durch diesen Geist der Hingabe und Opferwilligkeit
wollten nun auch viele in Deutschland und im Aus-
lande den großen Erfolg erklären, den Deutschland
im Februar und März aus finanziellem Gebiete der
staunenden Welt zu zeigen hatte. Aber das hatte
seinen Grund viel weniger in diesen Tugenden, als
in der Siegeszuversicht, von der das ganze Volk
durchdrungen war. Schon die gewaltige llberzeichnung
der ersten deutschen Kriegsanleihe hatte verblüffend
gewirkt, und dasselbe war der Fall gewesen bei den
3306 Millionen Kronen, die Österreicher und Ungarn
im Januar aufgebracht hatten. Finanzkraft wollte
man ja in London und Paris der Donaumonarchie
noch weniger zutrauen, als irgendeine andere Kraft.
Alles Dagewesene aber wurde weit überboten durch
die zweite deutsche Kriegsanleihe, die am 27. Februar
zum Kurse von 98^ % aufgelegt, am 19. März
geschlossen wurde. Fünf Milliarden Mark waren
gefordert — neun Milliarden sechzig Millionen Mark
wurden gezeichnet, und zwar wieder der größere
Teil von kleineren Sparern, und dieses Geld wurde
nicht gebracht als ein Opfer, sondern jeder hatte das
Gefühl, ein glänzendes Geschäft zu machen. Jeder
hielt dieses Geld für unbedingt fest und sicher an-
gelegt, denn an eine Niederlage Deutschlands glaubte
kein Mensch. Wie Deutschland siegen werde, das
war ja noch nicht ganz entschieden, daß es aber
siegen werde, schien jedermann gewiß. Warum also
dieses mündelsichere Papier mit den hohen Zinsen
nicht zeichnen? Die unüberwindliche, unerschütterliche
Siegeszuversicht des deutschen Volkes ward durch
diese Kriegsanleihe der Welt glänzend bewiesen. Und
noch zwei Dinge wurden dadurch den andern Völkern
offenbart: Sein ungeheurer Reichtum und seine trotz
des Krieges günstige finanzielle Lage. Sie war in
der Tat günstiger als die aller feindlichen Staaten.
Rußland schwebte am Rande des Staatsbankrottes,
seine lieben Verbündeten mußten ihm fort und fort
schweres Geld borgen und die Verzinsung seiner un-
246