an die Briusche Negierung von: Dezentber v. Js. auf
Grund fünfmonatiger Erfahrungen zutreffend, wenn auch
nicht erschöpfend dargelegt sind.
Alle diese Ubergriffe sind zugestandenermaßen darauf ge-
richtet, Deutschland von aller Zufuhr abzuschneiden und da-
durch die friedliche Zivilbevölkerung dem Hungertod preis-
zugeben, ein jedem Kriegsrecht und jeder Menschlichkeit wider-
sprechendes Verfahren.
Die Neutralen haben die völkerrechtswidrige Unterbindung
ihres Handels mit Deutschland nicht zu verhindern vermocht.
Die Amerikanische Regierung hat zwar, wie Deutschland gern
anerkennt, gegen das englische Verfahren Protest erhoben;
trotz dieses Protestes und der Proteste der übrigen neutralen
Negierungen hat England sich von dem eingeschlagenen Ver-
fahren nicht abbringen lassen. So ist noch vor kurzem das
amerikanische Schiff „Wilhelmina" von englischer Seite auf-
gebracht worden, obwohl seine Ladung lediglich für die deutsche
Zivilbevölkerung bestimmt war und nach einer ausdrücklichen
Erklärung der Deutschen Regierung nur für diesen Zweck ver-
wendet werden sollte.
Dadurch ist folgender Zustand geschaffen worden:
Deutschland ist unter stillschweigender oder protestierender
Duldung der Neutralen von der überseeischen Zufuhr so gut
wie abgeschnitten,und zwar nicht nur hinsichtlich solcher Waren,
die absolute Konterbande sind, sondern auch hinsichtlich solcher,
die nach dem vor Kriegsausbruch allgemein anerkannten Recht
nur relative Konterbande oder überhaupt keine Konterbande sind.
England dagegen wird unter Duldung der neutralen Re-
gierungen nicht nur mit solchen Waren versorgt, die keine
oder nur relative Konterbande sind, von England aber gegen-
über Deutschland als absolute Konterbande behandelt werden
(Lebensmittel, industrielle Rohstoffe usw.), sondern sogar mit
Waren, dis stets und unzweifelhaft als absolute Konterbande
gelten. Die Deutsche Regierung glaubt insbesondere und mit
dem größten Nachdruck darauf hinweisen zu müssen, daß ein
auf viele Hunderte von Millionen Mark geschätzter Waffenhandel
amerikanischer Lieferanten mit Deutschlands Feinden besteht.
Die Deutsche Regierung gibt sich wohl Rechenschaft darüber,
daß die Ausübung von Rechten und die Duldung von Un-
recht seitens der Neutralen formell in deren Belieben steht
und keinen formellen Neutralitätsbruch involviert; sie hat in-
folgedessen den Vorwurf des formellen Neutralitätsbruchs nicht
erhoben. Die Deutsche Regierung kann aber — gerade im
Interesse voller Klarheit in den Beziehungen beider Länder
— nicht umhin, hervorzuheben, daß sie mit der gesamten
öffentlichen Meinung Deutschlands sich dadurch schwer benach-
teiligt fühlt, daß die Neutralen in der Wahrung ihrer Rechte
auf den völkerrechtlich legitimen Handel mit Deutschland bisher
keine oder nur unbedeutende Erfolge erzielt haben, während
sie von ihrem Recht, den Konterbandehandel mit England und
unseren anderen Feinden zu dulden, uneingeschränkten Ge-
brauch machen. Wenn es das formale Recht der Neutralen
ist, ihren legitimen Handel mit Deutschland nicht zu schützen,
ja sogar sich von England zu einer bewußten und gewollten
Einschränkung des Handels bewegen zu lassen, so ist es auf
der anderen Seite nicht minder ihr gutes, aber leider nicht
angewendetes Recht, den Konterbandehandel, insbesondere den
Waffenhandel mit Deutschlands Feinden, abzustellen.
Bei dieser Sachlage sieht sich die Deutsche Regierung, nach
sechs Monaten der Geduld und des Abwartens, genötigt, die
mörderische Art der Seekriegführung Englands mit scharfen
Gegenmaßnahmen zu erwidern. Wenn England in seinem
Kampf gegen Deutschland den Hunger als Bundesgenossen
anruft, in der Absicht, ein Kulturvolk von 70 Millionen vor
die Wahl zwischen elendem Verkommen oder Unterwerfung
unter seinen politischen und kommerziellen Willen zu stellen,
so ist heute die Deutsche Regierung entschlossen, den Hand-
schuh aufzunehmen und an den gleichen Bundesgenossen zu
appellieren ; sie vertraut darauf, daß die Neutralen, die bisher
sich den für sie nachteiligen Folgen des englischen Hunger-
kriegs stillschweigend oder protestierend unterworfen haben,
Deutschland gegenüber kein geringeres Maß von Duldsamkeit
zeigen werden, und zwar auch dann, wenn die deutschen Maß-
nahmen, in gleicher Weise wie bisher die englischen, neue
Formen des Seekriegs darstellen.
Darüber hinaus ist die Deutsche Regierung entschlossen,
die Zufuhr von Kriegsmaterial an England und seine Ver-
bündeten mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln zu unter-
drücken, wobei sie als selbstverständlich annimmt, daß die neu-
tralen Regierungen, die bisher gegen den Waffenhandel mit
Deutschlands Feinden nichts unternommen haben, sich der ge¬
waltsamen Unterdrückung dieses Handels durch Deutschland
nicht zu widersetzen beabsichtigen.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, hat die deutsche
Admiralität die von ihr näher bezeichnete Zone als Seekriegs-
gebiet erklärt. Sie wird dieses Seekriegsgebiet so weit wie
irgend angängig durch Minen sperren, auch die feindlichen
Handelsschiffe auf jede andere Weise zu vernichten suchen.
So sehr nun auch der Deutschen Regierung bei dem Han-
deln nach diesen zwingenden Gesichtspunkten jede absichtliche
Vernichtung neutraler Menschenleben und neutralen Eigen-
tums fernliegt, so will sie doch auf der anderen Seite nicht
verkennen, daß durch die gegen England durchzuführenden
Aktionen Gefahren entstehen, die unterschiedslos jeden Handel
innerhalb des Seekriegsgebietes bedrohen. Dies gilt ohne
weiteres von dem Minenkrieg, der auch bei strengster Jnne-
Haltung der völkerrechtlichen Grenzen jedes dem Minengebiet
sich nähernde Schiff gefährdet.
Zu der Hoffnung, daß die Neutralen sich hiermit ebenso
wie mit den ihnen durch die englischen Maßnahmen bisher
zugefügten schweren Schädigungen abfinden werden, glaubt
die Deutsche Regierung um so mehr berechtigten sein, als sie
gewillt ist, zum Schutze der neutralen Schiffahrt sogar im
Seekriegsgebtet alles zu tun, was mit der Durchführung ihres
Zweckes irgendwie vereinbar ist.
Sie hat den ersten Beweis für ihren guten Willen ge-
liefert, indem sie die von ihr beabsichtigten Maßnahmen mit
einer Frist von nicht weniger als 14 Tagen ankündigte, um
der neutralen Schiffahrt Gelegenheit zu geben, sich auf die
Vermeidung der drohenden Gefahr einzurichten. Letzteres ge-
schieht am sichersten durch das Fernbleiben von dem Seekriegs-
gebiet. Die neutralen Schiffe, die trotz dieser die Erreichung
des Kriegszweckes gegenüber England schwer beeinträchtigenden
langfristigen Ankündigung sich in die gesperrten Gewässer be-
geben, tragen selbst die Verantwortung für etwaige unglück-
liche Zufälle. Die Deutsche Regierung ihrerseits lehnt jede
Verantwortung für solche Zufälle und deren Folgen aus-
drücklich ab.
Ferner hat die Deutsche Regierung lediglich die Vernichtung
der feindlichen innerhalb des Seekriegsgebiets angetroffenen
Handelsschiffe angekündigt, nicht aber die Vernichtung aller
Handelsschiffe, wie die Amerikanische Regierung irrtümlich
verstanden zu haben scheint. Auch diese Beschränkung, die die
Deutsche Regierung sich auferlegt, ist eine Beeinträchtigung
des Kriegszwecks, zumal da bei der Auslegung des Begriffs
der Konterbande, die Englands Regierung gegenüber Deutsch-
land beliebt hat und die demgemäß die Deutsche Regierung
auch gegen England anwenden wird, auch den neutralen
Schiffen gegenüber die Präsumption dafür sprechen wird, daß sie
Konterbande an Bord haben. Auf das Recht, das Vorhanden-
sein von Konterbande in der Fracht neutraler Schiffe fest-
zustellen und gegebenenfalls aus dieser Feststellung die Kon-
sequenzen zu ziehen, ist die Kaiserliche Regierung natürlich
nicht gewillt zu verzichten.
Die Deutsche Regierung ist schließlich bereit, mit der
Amerikanischen Regierung jede Maßnahme in die ernsthafteste
Erwägung zu ziehen, die geeignet sein könnte, die legitime
Schiffahrt der Neutralen im Kriegsgebiet sicherzustellen. Sie
kann jedoch nicht übersehen, daß alle Bemühungen in dieser
Richtung durch zwei Umstände erheblich erschwert werden:
1. durch den inzwischen wohl auch für die Amerikanische
Regierung außer Zweifel gestellten Mißbrauch der neutralen
Flagge durch die englischen Handelsschiffe;
2. durch den bereits erwähnten Konterbandehandel ins-
besondere mit Kriegsmaterial der neutralen Handelsschiffe.
Hinsichtlich des letzteren Punktes gibt sich die Deutsche
Regierung der Hoffnung hin, daß sich die Amerikanische
Regierung bei nochmaliger Erwägung zu einem dem Geiste
wahrhafrer Neutralität entsprechenden Eingreifen veranlaßt
sehen wird.
Was den ersten Punkt anlangt, so ist der deutscherseits
der Amerikanischen Regierung bereits mitgeteilte Geheimbefehl
der britischen Admiralität, der den englischen Handelsschiffen
die Benutzung neutraler Flaggen anempfohlen hat, inzwischen
durch eine Mitteilung des britischen Auswärtigen Amtes, das
jenes Verfahren unter Berufung auf inneres englisches Recht
als völlig einwandfrei bezeichnet, bestätigt worden. Die eng-
lische Handelsflotte hat den ihr erteilten Rat auch sogleich be-
folgt, wie der Amerikanischen Regierung aus den Fällen der
Dampfer „Lusttama" und „Laertes" bekannt sein dürfte.
Weiter hat die Britische Regierung die englischen Handels-
schiffe mit Waffen versehen und sie angewiesen, den deutschen