Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Küstenstädten des Ostens brach eine Panik aus, 
nnd in London begann das Volk vernehmlich zu 
murren. 
Die Ursache des Volksunwillens war nicht die Furcht, 
sondern der verletzte Stolz. In London fürchtete 
man sich nur vor den Zeppelinen, nicht vor der feind- 
lichen Flotte. Aber wenn ein amerikanisches Blatt 
in diesen Tagen schrieb, der Vorgang müsse für den 
britischen Stolz höchst demütigend sein, so hatte es 
damit ins Schwarze getroffen. Das Volk war empört, 
daß seine gewaltige Seemacht so wenig leistete, und 
selbst sein großer Staatsmann und erster Seelord, 
Winston Churchill, vermochte nicht, es zu beruhigen. 
Die Welt kannte diesen Mann als eitlen Groß- 
sprecher, seitdem er den Belgiern versprochen hatte, 
Antwerpen zu halten. Von ihm rührte auch das 
vielbelachte Wort her, die englische Flotte werde 
die deutschen Schiffe wie Natten aus ihren Löchern 
treiben. 
Jetzt wurde ein Brief von ihm veröffentlicht, den 
er an den Bürgermeister von Scarborough geschrieben 
hatte und der folgendermaßen lautete: 
„Nichts beweist deutlicher die Wirksamkeit des britischen 
Druckes zur See, als der wahnsinnige Haß, der unsere Gegner 
erfüllt. Er umwölkt ihr Gesichtsfeld, überschattet ihre Be- 
ratungen, läßt ihre Bewegungen krampfhaft werden. Wir 
sehen ein Volk von militärischen Rechenkünstlern, die ihre 
Berechnungen in den Wind schlagen, von Strategen, die den 
Sinn für Verhältnismäßigkeit verloren haben, von Pläne- 
machern, die aufgehört haben, Gewinn und Verlust abzuwägen. 
Die ganze in Frage kommende schnelle Kreuzerflotte der 
Deutschen mit Einschluß einiger unentbehrlicher und un- 
ersetzlicher großer Schiffe ist für das kurze Vergnügen, soviele 
Engländer als möglich in der beschränkten verfügbaren Zeit 
zu töten — ohne Rücksicht auf das Alter, Geschlecht oder Ge¬ 
sundheitszustand — aufs Spiel gesetzt worden. ' Zu diesem 
Akt militärischen und politischen Wahnsinns wurden sie von 
der Leidenschaft ihrer Gefühle genötigt, die sich sonst nicht 
Luft machen konnten. Das gereicht uns zur lebhaften Ge- 
nugtuung und sollte uns auf unserem Wege bestärken. Ihr 
Haß ist das Maß ihrer Furcht. Sein sinnloser Ausdruck ist 
der Beweis ihrer Ohnmacht und das Siegel ihrer Schmach. 
Was für Waffentaten die deutsche Marine hiernach noch aus- 
führen möchte, das Stigma des Kindermordes von Scarborough 
wird ihre Offiziere und Mannschaften brandmarken, solange 
Seeleute die Wellen befahren." 
Wäre dieses Schriftstück, voll Angst, Wut und Ner- 
vosität, von Mrs. Pankhurst oder sonst einem hysterischen 
Wahlrechtsweibe verfaßt worden, so würde es weiter 
keine Beachtung verdienen. Aber so schrieb einer der 
einflußreichsten und höchststehenden Männer Eng- 
lands! Von solchem vollkommenen Unsinn versprach 
sich der erste Seelord des Britenreiches Einfluß auf 
die Gemüter seiner Landsleute. Die Tatsache ist 
in hohem Maße bemerkenswert und für die Geistes- 
Verfassung der leitenden Männer Englands überaus 
bezeichnend. 
Die übrigen Ereignisse des Seekrieges bis Ende 
des Jahres waren von keiner Bedeutung. Franzö- 
sische Unterseeboote wurden in der Adria von einer 
österreichisch-ungarischen Strandbatterie vernichtet, ein 
französisches Kampfschiff durch ein österreichisches 
Der Hafen von Nieuport. Nach einer Zeichnung von Hans AleXander Müller. 
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