Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

baten wohl ober iibcl mitgehen und ihren Haushalt ohne 
Schutz offen zurücklassen mußten. Die Frau eines Unter- 
beamten des Gouvernements konnte bei dem überaus schroffen 
Vorgehen der Engländer nur mit Mühe erreichen, daß sie ihr 
in der Wohnung zurückgelassenes Kind dort abholen durfte. 
Viele der Gefangenen hatten nur das Notwendigste bei sich 
und trugen nur'Tropenkleidung auf dem Leibe! Im Hospital- 
garten wurden die Gefangenen, Männer, Frauen und Kinder, 
von vormittags bis in den Nachmittag hinein unter freiem 
Himmel in der tropischen Mittagssonne von schwarzen Sol- 
baten mit aufgepflanztem Seitengewehr in einem großen 
Haufen bewacht. Die Betroffenen lagen oder standen, wie 
sie es sich gerade auf diesem freien Platze bequem machen 
konnten; Essen und Trinken wurde ihnen nicht gereicht. Von 
denen, die sich darum bemühten, gelang es nur einzelnen, 
durch ihre schwarze Dienerschaft, die wohl um den Hospital- 
garten herumstand, sich etwas zu verschaffen. Dabei war es 
wohl einzelnen auch möglich geworden, die notwendigsten 
Sachen, wie Kleidungsstücke, sich aus der Wohnung holen zu 
lassen. Übrigens soll es den Frauen freigestellt gewesen sein, 
unter Garantie ihrer Sicherheit in Duala zu bleiben. Die 
Zusicherung konnte aber nach Lage der Verhältnisse, ohne 
Schutz durch ihre Männer, den erregten Duala-Leuten und 
den feindlichen schwarzen Soldaten gegenüber kein Vertrauen 
erwecken. Beim Abtransport durfte nur das Gepäck mitge- 
nommen werden, was der einzelne selbst tragen konnte. Die 
hilfsbereite farbige Dienerschaft wurde von den schwarzen 
Soldaten zurückgewiesen, so daß viele Gepäckstücke im Hospital- 
garten liegen bleiben mußten. Als z. B. die Frau eines 
Beamten ihre Wolldecke aufnehmen wollte, wurde sie von 
einem Soldaten weggestoßen. Auch in der katholischen Kirche 
und anderen Häusern in Deido sind viele Gepäckstücke zurück- 
geblieben. Ein Teil dieser Sachen ist allerdings auf die Be- 
mühungen einer englischen Dame aus der Mission in Lagos 
den Gefangenen später in Lagos ausgeliefert worden. Vom 
Hospitalgarten aus mußten die deutschen Bewohner Dualas, 
Männer und Frauen — je zwei und zwei — unter zahlreicher 
schwarzer militärischer Bedeckung durch eine der belebtesten 
Straßen Dualas unter Drohungen, Hohn und Beschimpfungen 
der Dualaneger nach dem Hafen zur Landungsbrücke ziehen! 
Unter diesem Trupp befanden sich auch der derzeitige Bezirks- 
amtmann von Duala, Wieneke, der Leiter des Postwesens 
von Kamerun, Postdirektor Schmidt, Missionare, angesehene 
Vertreter der Kaufmannschaft und sonstiger Unternehmungen. 
Man erkennt hieraus von neuem die wohlberechnete Absicht 
der Feinde, das Ansehen der Deutschen vor der Eingeborenen- 
bevölkerung möglichst zu erniedrigen. Allenthalben, wo sich 
während dieses Krieges eine Gelegenheit dazu geboten hat, ist 
von Engländern und Franzosen nach diesem Grundsatz gehandelt 
worden. Mit Recht erwarten unsere moralisch nnd physisch 
mißhandelten Landsleute in Afrika für dieses Verhalten der 
Feinde eine besondere Sühne!" 
Ganz ähnlich wurde in Togo verfahren. Dagegen 
gelang es in Ost- und Westafrika den Deutschen, 
sich der Eindringlinge siegreich zu erwehren. In 
Ostafrika fanden in und bei Tanga vom 2. bis 
4. November erbitterte Gefechte mit den englischen 
Landungstruppen statt, die achttausend Mann, zum 
größten Teil Farbige, zählten. Sie endigten mit 
einem vollen Siege der Deutschen. Die Gegner ver- 
loren nicht weniger als dreitausend Mann, acht 
Maschinengewehre und sehr große Mengen von Kriegs- 
Material. Dazu schössen die deutschen Geschütze einen 
Transportdampfer in Brand und beschädigten einen 
englischen Kreuzer schwer, der in die Schlacht mit 
eingriff. Eine sehr empfindliche Niederlage hatten 
demnach die Engländer hier erlitten und von eng- 
tischen Erfolgen ist seitdem nichts kund geworden. 
Nicht anders stand es in Südwesten. In den 
ersten Monaten des Krieges war in Deutschland die 
Meinung verbreitet, hier wäre der Kampf von deutscher 
Seite eröffnet worden. Aber eine Erklärung des 
Staatssekretärs Dr. Solf vom 14. Januar 1915 be¬ 
richtigte das. An keiner Stelle hat einer der deutschen 
Gouverneure den Kampf begonnen; sie alle haben 
abgewartet, ob England beginnen würde, denn 
Deutschland wünschte im Interesse der weißen Rasse 
nicht, daß der Krieg nach Afrika übergreife. So 
waren denn auch in Südwestafrika die Engländer 
die Angreifer gewesen, jedoch ohne einen Erfolg 
davontragen zu können. Auch von hier liefen im 
Januar 1915 Nachrichten ein, die erzählten, daß für 
die Deutschen alles gut stände. Schon am 25. Sep- 
tember waren dort die Engländer bei Sandfontain 
vernichtend geschlagen worden. Drei englische Schwa- 
dronen hatten die Deutschen vernichtet, ihren Führer 
mit dreizehn Offizieren gefangen genommen. Leider 
war auch der deutsche Befehlshaber, Oberstleutnant 
Heydebreck, im Kampfe gefallen. 
Was nun England durch die Landungstruppen 
nicht hatte erreichen können, das wollte es auf einem 
anderen Wege erreichen. Von seiner südafrikanischen 
Kolonie aus sollte ein Heer in das deutsche Gebiet ein- 
fallen. An der Spitze der Kap-Kolonie oder, wie 
es jetzt hieß, der „Südafrikanischen Union", stand 
Louis Botha als Präsident des Ministeriums. Der 
ruhmgekrönte Führer des Burenvolkes in seinem 
Verzweiflungskriege gegen England hatte längst mit 
seiner Vergangenheit völlig gebrochen. Er war gänz- 
lich verengländert und war der Vertrauensmann der 
Londoner Regierung geworden — wie die einen 
sagten, aus Uberzeugung, wie die anderen sagten, 
aus Geldgier, denn er bezog für seinen Posten einen 
Jahresgehalt von 160900 Mark. Er zeigte sich so- 
gleich bereit, Truppen zu sammeln und sie gegen 
Deutsch-Südwestafrika zu führen. Aber ein Teil des 
Volkes versagte ihm bei diesem Unternehmen den 
Gehorsam, und es kam zum Bürgerkriege. Noch 
lebten viele der Männer, die einit gegen England 
im Felde gestanden hatten, und die Knaben waren 
herangewachsen, die ihre Mütter und Geschwister in 
den Konzentrationslagern durch englische Grausam- 
keit hatten leiden und sterben sehen. Sie trugen mit 
Knirschen das englische Joch, verabscheuten Botha 
als Verräter und fanden es niederträchtig, daß dieser 
Mensch sie jetzt aufforderte, für das verhaßte Eng- 
land gegen ein Volk zu ziehen, das ihnen stamm- 
verwandt war und nie etwas Übles zugefügt hatte. 
Die Ereignisse in Englisch-Südafrika können nur 
in Umrissen angedeutet werden, erstens weil sie mit 
dem Weltkriege nur lose zusammen hängen, zweitens 
weil sie halb im Dunkel liegen. 
Wir sind über diese Dinge bisher nur unterrichtet 
durch Reuters Depeschen, die ja bekanntlich das Blaue 
vom Himmel herunter lügen, und durch Privat- 
berichte, die einander vielfach widersprechen. Vor 
dem Ende des Krieges wird das schwerlich anders 
werden. Sicher läßt sich also nur das Folgende 
sagen: 
Der alte, unversöhnlicheBurenführer Delarey wurde, 
ehe der offene Aufstand begann, von england-freund- 
lichen Afrikanern ermordet. 
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