baten wohl ober iibcl mitgehen und ihren Haushalt ohne
Schutz offen zurücklassen mußten. Die Frau eines Unter-
beamten des Gouvernements konnte bei dem überaus schroffen
Vorgehen der Engländer nur mit Mühe erreichen, daß sie ihr
in der Wohnung zurückgelassenes Kind dort abholen durfte.
Viele der Gefangenen hatten nur das Notwendigste bei sich
und trugen nur'Tropenkleidung auf dem Leibe! Im Hospital-
garten wurden die Gefangenen, Männer, Frauen und Kinder,
von vormittags bis in den Nachmittag hinein unter freiem
Himmel in der tropischen Mittagssonne von schwarzen Sol-
baten mit aufgepflanztem Seitengewehr in einem großen
Haufen bewacht. Die Betroffenen lagen oder standen, wie
sie es sich gerade auf diesem freien Platze bequem machen
konnten; Essen und Trinken wurde ihnen nicht gereicht. Von
denen, die sich darum bemühten, gelang es nur einzelnen,
durch ihre schwarze Dienerschaft, die wohl um den Hospital-
garten herumstand, sich etwas zu verschaffen. Dabei war es
wohl einzelnen auch möglich geworden, die notwendigsten
Sachen, wie Kleidungsstücke, sich aus der Wohnung holen zu
lassen. Übrigens soll es den Frauen freigestellt gewesen sein,
unter Garantie ihrer Sicherheit in Duala zu bleiben. Die
Zusicherung konnte aber nach Lage der Verhältnisse, ohne
Schutz durch ihre Männer, den erregten Duala-Leuten und
den feindlichen schwarzen Soldaten gegenüber kein Vertrauen
erwecken. Beim Abtransport durfte nur das Gepäck mitge-
nommen werden, was der einzelne selbst tragen konnte. Die
hilfsbereite farbige Dienerschaft wurde von den schwarzen
Soldaten zurückgewiesen, so daß viele Gepäckstücke im Hospital-
garten liegen bleiben mußten. Als z. B. die Frau eines
Beamten ihre Wolldecke aufnehmen wollte, wurde sie von
einem Soldaten weggestoßen. Auch in der katholischen Kirche
und anderen Häusern in Deido sind viele Gepäckstücke zurück-
geblieben. Ein Teil dieser Sachen ist allerdings auf die Be-
mühungen einer englischen Dame aus der Mission in Lagos
den Gefangenen später in Lagos ausgeliefert worden. Vom
Hospitalgarten aus mußten die deutschen Bewohner Dualas,
Männer und Frauen — je zwei und zwei — unter zahlreicher
schwarzer militärischer Bedeckung durch eine der belebtesten
Straßen Dualas unter Drohungen, Hohn und Beschimpfungen
der Dualaneger nach dem Hafen zur Landungsbrücke ziehen!
Unter diesem Trupp befanden sich auch der derzeitige Bezirks-
amtmann von Duala, Wieneke, der Leiter des Postwesens
von Kamerun, Postdirektor Schmidt, Missionare, angesehene
Vertreter der Kaufmannschaft und sonstiger Unternehmungen.
Man erkennt hieraus von neuem die wohlberechnete Absicht
der Feinde, das Ansehen der Deutschen vor der Eingeborenen-
bevölkerung möglichst zu erniedrigen. Allenthalben, wo sich
während dieses Krieges eine Gelegenheit dazu geboten hat, ist
von Engländern und Franzosen nach diesem Grundsatz gehandelt
worden. Mit Recht erwarten unsere moralisch nnd physisch
mißhandelten Landsleute in Afrika für dieses Verhalten der
Feinde eine besondere Sühne!"
Ganz ähnlich wurde in Togo verfahren. Dagegen
gelang es in Ost- und Westafrika den Deutschen,
sich der Eindringlinge siegreich zu erwehren. In
Ostafrika fanden in und bei Tanga vom 2. bis
4. November erbitterte Gefechte mit den englischen
Landungstruppen statt, die achttausend Mann, zum
größten Teil Farbige, zählten. Sie endigten mit
einem vollen Siege der Deutschen. Die Gegner ver-
loren nicht weniger als dreitausend Mann, acht
Maschinengewehre und sehr große Mengen von Kriegs-
Material. Dazu schössen die deutschen Geschütze einen
Transportdampfer in Brand und beschädigten einen
englischen Kreuzer schwer, der in die Schlacht mit
eingriff. Eine sehr empfindliche Niederlage hatten
demnach die Engländer hier erlitten und von eng-
tischen Erfolgen ist seitdem nichts kund geworden.
Nicht anders stand es in Südwesten. In den
ersten Monaten des Krieges war in Deutschland die
Meinung verbreitet, hier wäre der Kampf von deutscher
Seite eröffnet worden. Aber eine Erklärung des
Staatssekretärs Dr. Solf vom 14. Januar 1915 be¬
richtigte das. An keiner Stelle hat einer der deutschen
Gouverneure den Kampf begonnen; sie alle haben
abgewartet, ob England beginnen würde, denn
Deutschland wünschte im Interesse der weißen Rasse
nicht, daß der Krieg nach Afrika übergreife. So
waren denn auch in Südwestafrika die Engländer
die Angreifer gewesen, jedoch ohne einen Erfolg
davontragen zu können. Auch von hier liefen im
Januar 1915 Nachrichten ein, die erzählten, daß für
die Deutschen alles gut stände. Schon am 25. Sep-
tember waren dort die Engländer bei Sandfontain
vernichtend geschlagen worden. Drei englische Schwa-
dronen hatten die Deutschen vernichtet, ihren Führer
mit dreizehn Offizieren gefangen genommen. Leider
war auch der deutsche Befehlshaber, Oberstleutnant
Heydebreck, im Kampfe gefallen.
Was nun England durch die Landungstruppen
nicht hatte erreichen können, das wollte es auf einem
anderen Wege erreichen. Von seiner südafrikanischen
Kolonie aus sollte ein Heer in das deutsche Gebiet ein-
fallen. An der Spitze der Kap-Kolonie oder, wie
es jetzt hieß, der „Südafrikanischen Union", stand
Louis Botha als Präsident des Ministeriums. Der
ruhmgekrönte Führer des Burenvolkes in seinem
Verzweiflungskriege gegen England hatte längst mit
seiner Vergangenheit völlig gebrochen. Er war gänz-
lich verengländert und war der Vertrauensmann der
Londoner Regierung geworden — wie die einen
sagten, aus Uberzeugung, wie die anderen sagten,
aus Geldgier, denn er bezog für seinen Posten einen
Jahresgehalt von 160900 Mark. Er zeigte sich so-
gleich bereit, Truppen zu sammeln und sie gegen
Deutsch-Südwestafrika zu führen. Aber ein Teil des
Volkes versagte ihm bei diesem Unternehmen den
Gehorsam, und es kam zum Bürgerkriege. Noch
lebten viele der Männer, die einit gegen England
im Felde gestanden hatten, und die Knaben waren
herangewachsen, die ihre Mütter und Geschwister in
den Konzentrationslagern durch englische Grausam-
keit hatten leiden und sterben sehen. Sie trugen mit
Knirschen das englische Joch, verabscheuten Botha
als Verräter und fanden es niederträchtig, daß dieser
Mensch sie jetzt aufforderte, für das verhaßte Eng-
land gegen ein Volk zu ziehen, das ihnen stamm-
verwandt war und nie etwas Übles zugefügt hatte.
Die Ereignisse in Englisch-Südafrika können nur
in Umrissen angedeutet werden, erstens weil sie mit
dem Weltkriege nur lose zusammen hängen, zweitens
weil sie halb im Dunkel liegen.
Wir sind über diese Dinge bisher nur unterrichtet
durch Reuters Depeschen, die ja bekanntlich das Blaue
vom Himmel herunter lügen, und durch Privat-
berichte, die einander vielfach widersprechen. Vor
dem Ende des Krieges wird das schwerlich anders
werden. Sicher läßt sich also nur das Folgende
sagen:
Der alte, unversöhnlicheBurenführer Delarey wurde,
ehe der offene Aufstand begann, von england-freund-
lichen Afrikanern ermordet.
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