Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Die deutschen Korps waren in ihrem Vordringen nicht 
aufzuhalten. Lodz, die zweitgrößte Stadt Polens, 
ging den Russen verloren. Die Deutschen hatten 
damit die Bahnlinie Warschau-Czenstochau wieder 
in der Hand, und vor allen Dingen machte der Fall 
von Lodz, der nicht zu verheimlichen war, überall 
in den kämpfenden wie in den neutralen Ländern 
einen tiefen Eindruck. 
Bei diesen Kämpfen verrichtete eine deutsche 
Truppe, das 21. Reserve-Jäger-Bataillon, derartige 
Heldentaten, daß Hindenburg selbst 
erklärte, es habe so viel geleistet, 
wie eine ganze Division. Es 
erhielt später als Zeichen 
kaiserlicher Anerken- 
nung die Gardelitzen 
und den Totenkopf 
an den Tschako, 
und es ward be- 
stimmt, daß es 
nach dem Kriege 
bestehen bleiben 
solle. General 
von Mackensen, 
der Sieger von 
Lodz, wurde zum Ee 
neralobersten ernannt. 
An der Miazka setzte 
sich das zurückgehende Ruf- 
senheer nach seiner Niederlage zu 
erneutem Widerstand fest, aber am 
11. Dezember wurden dort starke 
Stellungen von den Deutschen er- 
stürmt und 11000 Gefangene und 
43 Maschinengewehre erbeutet, am 
13. Dezember wieder mehrere russische Stützpunkte 
erobert, wobei 3000 Gefangene in die Hände der 
Sieger fielen. Die Tapferkeit hessischer und oft- 
preußischer Regimenter entschied hier den Sieg. 
Vergebens versuchten die Russen, von Südpolen 
her ihrem Hauptheere Hilfe herbeizuschaffen. Dort 
kämpften deutsche und österreichisch-ungarische Truppen 
Seite an Seite gegen eine große russische Übermacht. 
Einzelheiten über diese Kämpfe sind nicht bekannt 
geworden. Man erfuhr nur, daß am 16. Dezember 
Petrikau von den Österreichern und Ungarn erstürmt 
worden war, und am 27. wurde bekannt, daß die 
Verbündeten nördlich von Krakau und Czenstochau 
30000 Russen gefangen und 50 Maschinengewehre 
erbeutet hatten. So war der russische Oberbefehls- 
haber des dort kämpfenden Heeres nicht in der Lage, 
starke Kräfte für das bedrängte Hauptheer abzugeben. 
Es blieb der bei Lodz und Lowicz geschlagenen, von 
der Miatzka zurückgeworfenen russischen Hauptmacht 
also nichts übrig, als der Rückzug. Er kam an der 
Rawka und Nida zum Stehen, und es gelang den 
Russen, diese Stellungen und die in der Vzura-Gegend 
zwischen Lowicz und Warschau über das Jahresende 
hinaus zu halten. 
Eine interessante photographische Aufnahme: 
Das Einschlagen und Krepieren einer 
30,5-viQ-Granate. 
(Phot. Carl Seebald, Wien.) 
Was hatten nun, als 1914 zu Ende ging, die 
Deutschen in Polen erreicht? „Vernichtet ist der Feind 
noch nicht!" hatte Hindenburg am 27. November 
erklärt. Das mußte auch jetzt noch gelten. Das ruf- 
fische Heer war geschlagen und zurückgedrängt, aber 
es besaß noch immer die Kraft, erbitterten Widerstand 
zu leisten, und Warschau war noch immer in russischen 
Händen. Trotzdem waren die deutschen Zeitungen 
vollkommen berechtigt, von einem großen Siege in 
Polen zu reden, denn nicht die Eroberung Warschaus 
und nicht die völlige Vernichtung 
des russischen Riesenheeres war 
die erste Aufgabe Hinden- 
burgs gewesen, sondern 
Schutz der deut- 
schen Grenzen durch 
Zurückwerfen des 
übermächtigen 
Gegners. Dieses 
Ziel hatte er 
glänzend er- 
reicht. Schon 
am17.Dezember 
konnte die deut- 
sche oberste Heeres- 
leitung melden: 
„Die von den Russen an- 
gekündigte Offensive gegen 
Schlesien und Polen ist völlig 
zusammengebrochen. Die feindlichen 
Armeen sind in ganz Polen nach hart- 
nackigen erbitterten Frontalkämpfen zum 
Rückzug gezwungen worden. Der Feind 
wird überall verfolgt." 
In Frankreich und Flandern 
harrten die treuen Verbündeten 
des Zaren in fieberhafter Span- 
nung auf die Nachricht, daß die Russen in Deutsch- 
land eingerückt seien und sich auf Berlin zu be- 
wegten. War es soweit, dann mußten ja die 
Deutschen Frankreich und Belgien räumen und über 
den Rhein zurückweichen. Nun kam die bittere Ent- 
täuschung, denn, wieviel auch von den Russen ge- 
logen und verschönert wurde, so war doch aus die 
Dauer die Wahrheit nicht zu verbergen. Bei den 
westlichen Verbündeten erregte das natürlich tiefe 
Niedergeschlagenheit, vermischt mit einem schweren 
Arger. Die Franzosen zumal begriffen allmählich, 
daß sich ihre nach Rußland verborgten Milliarden nicht 
in der erwarteten Weise verzinsen wollten. Sehr herbe 
Urteile über die Kriegsführung der Russen wurden in 
den Pariser Blättern laut, und eine englische Zeitung 
wagte sogar anzudeuten, daß es wohl an der verkehrten 
Führung liegen müsse, wenn die Millionenheere des 
Zaren so wenig den Erwartungen entsprächen, die man 
auf sie gesetzt habe. Damit hatte das Blatt einen sehr 
richtigen Gedanken ausgesprochen. Der Großfürst Nico- 
lai Nicolajewitsch war vollkommen unfähig, einen Feld- 
zug zu leiten und hatte trotzdem, wahrscheinlich weil 
er keinem andern mehr traute, selbst den Oberbefehl 
übernommen. Wäre der Zar ein Mann gewesen, so 
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