Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

Maßregel, die keinen anderen Zweck gehabt haben 
kann, als den, belgisches Eigentum zu zerstören. Nach- 
dem am 22. und 23. Oktober am User-Kanal und 
bei Lille erbittert gekämpft worden war, drangen 
deutsche Truppen nach heftigen Kämpfen über den 
Wer-Kanal vor. Am folgenden Tage wurde von 
den Deutschen zwischen DiXmuiden und Nieuport 
mit weiteren starken Kräften der User-Kanal über- 
schritten. Ostlich und westlich von Upern hatte sich 
der Feind verstärkt. Trotzdem gelang es den deutschen 
Truppen, an mehreren Stellen vorzudringen. Etwa 
500 Engländer, darunter ein Oberst und 28 Offiziere, 
wurden gefangengenommen. 
Am 26. wurde folgende Meldung des Großen 
Hauptquartiers in Deutschland mit großer Genug- 
tuung vernommen: 
Ostlich vom User-Kanal zwischen Nieuport und Dixmuiden. 
welche Orte noch oom Feind gehalten werden, griffen unsere 
Truppen den sich dort noch hartnäckig wehrenden Feind an. 
Das am Kampfe sich beteiligende englische Geschwader wurde 
durch schweres Artilleriefeuer zum Rückzug gezwungen. Drei 
Schiffe erhielten Volltreffer. Das ganze Geschwader hielt sich 
darauf am 25.nachmittags außer Sehweite. Bei Upern steht 
der Kampf. Südlich von Npern, sowie westlich und südwest- 
lich Lille machten unsere Truppen im Angriffe gute Fortschritte. 
In erbittertem Häuserkampfe erlitten die Engländer große Ver- 
lnste und ließen über 500 Gefangene in unseren Händen. 
Nördlich Arras brach ein heftiger französischer Angriff in 
unserem Feuer zusammen. Der Feind hatte starke Verluste. 
Am 27. stellte ein englisches Blatt, die Daily Mail, 
fest, daß allein die Belgier in den neun Tagen des 
bisherigen Kampfes am Dser-Kanal 10000 Tote und 
Verwundete verloren hätten. Da die Meldung aus 
englischem Munde kam, so war fast mit Sicherheit 
anzunehmen, daß die Verluste der unglücklichen Va- 
fallen Englands noch weit höher waren. Die eigenen 
Verluste wagte kein englisches Blatt anzugeben. Sie 
waren geradezu fürchterlich. Zwei Fünftel aller Offi- 
ziere, die man ins Feld gesandt hatte, waren schon 
dahin, viele Tausende Soldaten gefangen und ver- 
wundet und noch mehr lagen tot auf den Schlacht- 
feldern, denn die deutschen Krieger zeigten immer 
weniger Neigung, den britischen Söldnern Pardon 
zu geben und von ihnen Pardon zu nehmen. Mit 
richtigem Ahnungsvermögen fühlte das ganze Heer, 
daß England der gefährlichste, gemeinste und hinter- 
listigste Feind Deutschland war, und jeder handelte 
nach dieser Erkenntnis. Vor den Franzosen hatten 
die Deutschen Achtung, obwohl sie sich auch oft wider 
das Völkerrecht vergingen, und die Achtung stieg 
mit jedem Tage, je mehr die Deutschen die franzö- 
fische Tapferkeit Und Ausdauer bewundern mußten. 
Von einem Mangel an Tapferkeit und Ausdauer 
konnte nun auch freilich bei den Engländern nicht 
die Rede fein. Waren sie im Anfang vor Kluck und 
seinen Scharen gelaufen wie die Hasen, so zeigten 
sie sich jetzt um so standhafter. Der Kern des eng- 
lischen Heeres, die alten waffengeübten Feldsoldaten 
aus den Kolonien waren nun ja auf dem Kriegs- 
schauplatze eingetroffen. Sie hatten ganz andere 
kriegerische Eigenschaften als die Söldner, die Eng- 
land zuerst ins Feld geschickt hatte, aber ihre hinter¬ 
listige Niedertracht machte sie den deutschen Soldaten 
verächtlich und widerwärtig. Immer wieder kam es 
vor, daß Verwundete auf deutsche Soldaten schössen, 
die sich ihrer annahmen. Immer wieder ereignete 
es sich, daß die Engländer die Deutschen durch Miß- 
brauch der weißen Flagge in eine Falle lockten, daß 
sie sich so stellten, als ob sie sich ergeben wollten und 
dann die arglos sich Nähernden von verstecktenMaschinen- 
gewehren niedermähen ließen. In diesem Verhalten 
der englischen Truppen lernten die deutschen Soldaten 
am eigenen Leibe den gemeinen Charakter des 
Jnselvolkes kennen, das sie ohnehin verabscheuten, 
und ein grenzenloser Haß gegen England setzte sich 
in ihrem Herzen fest. „Gott strafe England", so be- 
grüßte man sich im Felde, und der Gegengruß lautete: 
„Er strafe es". Der bisher wenig bekannte Dichter 
Ernst Lissauer sang dem ganzen deutschen Volke aus 
der Seele, als er den „Haßgesang gegen England" 
anstimmte. Das Lied hat in der deutschen Literatur 
nur ein Seitenstück in Heinrich von Kleists dä- 
manischem Rachelied „Germania an ihre Kinder". 
Es lautete: 
Was schiert uns der Russe und Franzos? 
Schuh wider Schuß und Stoß um Stoß, 
Wir lieben sie nicht, wir hassen sie nicht, 
Wir schützen die Weichset und Wasgenpaß, 
Wir haben nur einen einzigen Haß. 
Wir lieben vereint, roir hassen vereint, 
Wir haben nur einen einzigen Feind, 
Den ihr alle wißt, den ihr alle wißt: 
Er sitzt geduckt hinter grauer Flut 
Durch die Wasser getrennt, die sind dicker als Blut, 
Voll Neid, voll Wut, von Tücke, voll List. 
Wir wollen treten in ein Gericht, 
Einen Schwur zu schwören Gesicht in Gesicht, 
Einen Schwur von Erz, den verbläst kein Wind, 
Einen Schwur für Rinb und Kindeskind, 
Vernehmt das Wort, sagt nach das Wort, 
Es wälze sich durch ganz Deutschland fort. 
Wir wollen nicht lassen von unserm Haß, 
Wir haben alle nur einen Haß, 
Wir lieben vereint, wir hassen vereint, 
Wir haben alle nur einen Feind: 
Engeland! 
Nimm du die Völker der Erde in Sold, 
Blaue Wälle aus Barren von Gold, 
Bedecke die Meerflut mit Bug bei Bug, 
Du rechnest klug, doch nicht klug genug. 
Was schiert uns Russe und Franzos? 
Schutz wider Schuß und Stoß um Stoß. 
Wir kämpfen den Kampf mit Bronze und Stahl 
Und schließen Frieden irgend einmal. 
Dich werden wir hassen mit langem Haß. 
Wir werden nicht lassen von unserem Haß, 
Haß zu Wasser und Haß zu Land, 
Haß des Hauptes und Haß der Hand, 
Haß der Hämmer und Haß der Kronen, 
Drosselnder Haß von siebzig Millionen, 
Sie lieben vereint, sie hassen vereint, 
Sie haben alle nur einen Feind: 
Engeland! 
Solche Töne sind im allgemeinen den Deutschen 
fremd. Sie erinnern mehr an die Rache-Psalmen 
des alten Testamentes als an die deutsche Dichtung. 
Jetzt aber empfand das ganze Volk so wie das Gedicht 
es aussprach — einige Biedermeier im Schlafrock 
natürlich ausgenommen —, und deshalb wurde es 
volkstümlich wie kein anderes. 
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