Volltext: Der Weltbrand Band 1 (1; 1915)

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die man einzudämmen nicht die Macht besaß, einen 
höchst peinlichen Eindruck. Das hinderte freilich nicht, 
daß gegen Ende des September ein englisch - japa- 
nisches Bundesheer einträchtig vor Tsingtau, der 
Festung Kiautschaus, erschien. Der Platz wurde völlig 
eingeschlossen, aber die Feinde erzielten bis Ende 
des Monats keine Fortschritte gegen die tapfere Ve- 
satzung. 
Uber die Vorgänge in Afrika liegen nur sehr 
spärliche Nachrichten vor. Die Kamerunküste wurde 
vollständig blockiert und am 27. September be- 
setzten englische und französische 
Truppen nach harten Kämpfen 
Duala. In Ostafrika kam es 
zu Scharmützeln. Wie weit 
die Engländer in das deutsche 
Gebiet eingedrungen sind, läßt 
sich zurzeit nicht feststellen. Dar- 
essalam wurde von ihnen be- 
setzt, wobei der deutsche Kreu- 
zer „Königsberg" den engli- 
schenKreuzer „Pegasus" kämpf- 
unfähig machte. Die englischen 
Berichte über die weiteren 
Vorgänge scheinen den Tat- 
fachen nicht zu entsprechen. 
In Südwestafrika ergriff die 
deutsche Schutztruppe die Of- 
fensive, fiel in die Kap-Kolo- 
nien ein und nahm Rietfon- 
tein, brachte auch den Eng- 
ländern im Distrikt Sandfon- 
tein-Warmbad eine tüchtige 
Schlappe bei, konnte es aber 
nicht verhindern, daß die Eng- 
länder Lüderitzbucht besetzten. 
Das alles erfuhr man in 
Deutschland nur durch die Be- 
richte, die in amerikanischen 
und englischen Zeitungen er- 
schienen, denn überall hatten 
die Engländer die deutschen 
Kabel zerschnitten und die Sta- 
tionen der Funkentelegraphie zerstört. Erst nach dem 
Kriege wird sich feststellen lassen, welcher Schade 
dem Deutschen Reiche in seinen Kolonien zugefügt 
worden ist. Wie groß er aber auch sein mag — so 
viel wußte England von vornherein, daß durch die 
Wegnahme der überseeischen Besitzungen das verhaßte 
Deutschland nicht tödlich oder auch nur schwer ver- 
wundet werden konnte. Darum suchte es dem Deut- 
schen Reiche auf andere Weife den schwersten Schaden 
zuzufügen. Von Anfang des Krieges an bestand der 
Plan, Deutschland durch völlige Unterbindung seines 
Handels auszuhungern. Auch über die neutralen 
Nachbarländer sollte kein Getreide, kein Fleisch, keine 
Textilstoffe, womöglich überhaupt nichts in das Ge- 
biet der „Hunnen" eingeführt werden. Deshalb ver- 
fuhr England gegen die Schiffe, die unter neutraler 
mm 
Fregattenkapitän Karl v. Müller, 
der ruhmgekrönte Kapitän des kleinen Kreuzers „Emden". 
(Phot. Carl Greve, Blankenburg a. H.) 
Flagge in die Nordsee kamen und in neutrale Häfen 
einlaufen wollten, mit der größten Rücksichtslosigkeit. 
So ziemlich alles, was es auf Erden gibt, erklärt es 
für Kriegskonterbande; die kleinen Länder an der 
Nordsee, Holland, Dänemark und die beiden skandi- 
navischen Königreiche wurden dadurch aufs furcht- 
barste geschädigt. Aber ihre Proteste ließen die Krämer 
an der Themse völlig kalt. Als dagegen die Uankees 
murrten, die in ihren heiligsten Gefühlen verletzt 
wurden, weil auch Baumwolle Konterbande sein sollte, 
da gaben die Herren in London schleunigst nach. Sie 
zeigten dadurch wieder einmal, 
daß die Interessen ohnmäch- 
tiger kleiner Staaten von dem 
biederen John Bull ganz und 
garnicht geachtet werden, wäh- 
rend er vor einem Starken 
gern mutig zurückweicht. 
Weitere Schläge gegen den 
deutschen Wohlstand führte 
nun das Land des Rechtes und 
der Gerechtigkeit mit Mitteln, 
die eines Piratenstaates wür- 
dig waren. Sämtliche deutsche 
Patente wurden in ganz Eng- 
land mit einem Schlage ver- 
nichtet. Deutsche Gläubiger zu 
bezahlen, wurde bei hoher Ge- 
fängnisstrafe, ja bei Zucht- 
hausstrafe verboten. Kein eng- 
lisches Geschäft durfte mit Fir- 
men Handel treiben, die Deut- 
schen gehörten, oder in denen 
deutsche Teilhaber waren, oder 
wo Deutsche als Angestellte 
beschäftigt wurden, mochte eine 
solche Firma in Amerika oder 
in der Schweiz oder sonstwo 
ihren Sitz haben. Schon be- 
gann auch hie und da die 
Deutschenhetze im Lande, die 
im nächsten Monat erschreck- 
liche Formen annehmen sollte. 
Sie hatte ihren Grund vornehmlich in einer bis 
ans Lächerliche grenzenden Spionenfurcht. Schon 
lange vor dem Krieg hatte es aus demselben 
Grunde gegenüber den Deutschen in England kein 
Briefgeheimnis mehr gegeben. Jeder verdächtig 
erscheinende Brief war geöffnet worden. Jetzt hielt 
man überhaupt jeden Deutschen für verdächtig, der 
im Land war. Nur mit den größten Schwierig- 
keiten erhielten solche, die nach Deutschland zurück- 
kehren wollten, einen Erlaubnisschein, das Land zu 
verlassen. Die meisten von denen, die noch abreisen 
durften, waren Frauen. Die Männer hielt man grund- 
sätzlich zurück. Sie kamen bald in eine erbärmliche 
Lage, da man sie allenthalben aus ihren Stellungen 
entließ und mit großer Brutalität auf die Straße setzte. 
— Mit allen diesen Maßnahmen, die von einem 
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