Der Seekrieg mit England.
^?>er August war vergangen, ohne daß die deutsche
Flotte von der englischen vernichtet worden wäre,
der September ging hin, ohne daß auch nur ein eng-
Iisches Schiff vor Wilhelmshaven oder sonstwo an der
deutschen Küste erschien. Eine Entscheidungsschlacht
zur See erfolgte nicht und ward auch von keiner der
beiden Mächte angestrebt. Es geschah nur weniges
auf dem Meere. Was aber geschah, lief fast aus-
nahmslos ungünstig für England ab und bereitete
der Welt die größten Überraschungen.
Am 5. September wurde der englische Kreuzer
„Pathsinder" von dem deutschen Unterseeboot „U 21"
zum Sinken gebracht, wobei fast die ganze Besatzung
ertrank. Das rächten die Briten doch einigermaßen,
indem sie am 13. September den kleinen deutschen
Kreuzer „He-
la" dem Ver-
derben weih-
ten. Aber am
23. Septem-
ber durcheilte
die Kunde
Europa, daß
ein einziges
deutsches Un-
terseeboot
„U 9" nord¬
westlich von
Hoek van
Holland die
drei engli-
schen Kreuzer
„Aboukir",
„Eressy" und
„Hogue"nach-
einander in Die Besatzung des deutschen Unterseeboots
den Grund
gebohrt und heil und glücklich den heimischen Hafen
wieder erreicht hatte. Der Name des tapferen Führers,
des Kapitänleutnants Weddigen, war in aller Munde.
Zweitausend Engländer waren dabei ums Leben ge-
kommen, weit mehr als in den großen Seeschlachten
bei Trafalgar und Abukir, die Englands Seemacht-
stellung begründet haben.
Der Eindruck der schweren Schlappe auf die Ge-
müter der Briten war niederschmetternd. Der Verlust
einiger Schiffe und ihrer Mannschaft war ja leicht zu
verschmerzen, aber das Ereignis hatte gezeigt, daß
die Deutschen an ihren Unterseebooten eine furchtbare
Waffe besaßen und daß sie diese Waffe mit unglaub-
licher Kühnheit und mit größtem Geschick zu führen
wußten. Das Unterseeboot, das bis dahin im Seekrieg
kaum erprobt war, konnte vielleicht eine Umwertung
aller Werte zur See herbeiführen. Es war bei Nacht
oder Dämmerung oder im Nebel überaus schwer wahr-
zunehmen und konnte den größten Kampfschiffen, die
England mit schwerem Eelde gebaut hatte, Untergang
und Verderben bringen. Dazu besaßen die deutschen
Torpedos eine Zerstörungskraft, die unerhört war. Sie
leisteten mit einem Schusse das, was die Torpedos an-
derer Flotten mit drei oder vier Schüssen leisten konnten.
Die Basis kam ins Wanken, auf der Britannias See-
Herrschaft beruhte. Wäre man in London nicht selbst
klug genug gewesen, solche Erwägungen anzustellen, so
hätte der Widerhall, den Weddigens Tat in der ganzen
Welt fand, die Engländer darauf bringen müssen.
Noch eine andere böse Überraschung erlebte das
biedere Albion in diesem Monate. Sie wurde ihm
von den deutschen Auslandskreuzern bereitet. Die
Engländer hatten gemeint, diese Schiffe würden bald
aus Kohlenmangel ihre Fahrten einstellen müssen,
denn deutsche Flottenstationen gab es ja nur in ge-
ringerAnzahl,
und sie konn-
teneingeschlos-
sen und be-
wachtwerden.
AberdieKreu-
zer ergänzten
ihren Koh-
lenvorrat aus
hoher See, in-
dem sie eng-
tische Han-
delsdampfer
anhielten, sie
ihres Heiz-
Materials be-
raubten und
dann in den
Grund bohr-
ten. Die eng-
„TJ 9". x Kapitänleutnant Weddigen. lische Schiffs-
Mannschaft
nahmen sie an Bord und setzten sie dann irgendwo ans
Land. Das entsprach durchaus dem geltenden Seerechte,
und England selbst war schuld daran, daß es noch immer
ein solches Seerecht gab. Wie oft war von anderen
Mächten der Versuch gemacht worden, das Privateigen-
tum auf den Meeren zu schützen, es durchzusetzen, daß
friedliche Handelsdampfer nicht mehr als gute Prise auf-
gebracht oder versenkt werden durften. England hatte
dem stets widersprochen, und nun kehrte sich sein Piraten-
tum gegen seine eigenen Schiffe. Auch dadurch wurde
die Legende, daß England die Weltmeere beherrsche,
gründlich zerstört. Besonders was der kleine Kreuzer
„Emden" mit seinem kühnen Führer, Kapitän von
Müller, leistete, war staunenswert. Er versenkte in
diesem Monat sechs große Handelsdampfer im Werte
von über zwanzig Millionen Mark und erschien am
24. September vor der indischen Stadt Madras, er-
öffnete ein Bombardement auf sie und schoß die
riesigen Olvorräte der Oil Company in Brand. Eine
ungeheure Feuersäule, die sofort in die Höhe stieg,
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