genüge für Deutschlands Söhne. Er fiel gleich darauf
in die Hände der Franzosen, wurde in die Festung ge-
bracht und erlag dort seinen Wunden. Am 20. August
ließ ihn der Kommandant mit militärischen Ehren
bestatten. Erst nach der Eroberung der Festung wurde
das bekannt. Der treffliche Prinz hatte also sein
Leben noch eher ausgehaucht als sein Vater, der vor
Namur den Heldentod starb.
Ein eigentümliches Verhängnis fügte es, daß alle
im ersten Kriegsmonat gefallenen Fürstlichkeiten An-
gehörige oder nahe Verwandte des Hauses Lippe-
Detmold waren. Friedrich Wilhelm zur Lippe, der
vor Lüttich fiel, war der Oheim, Prinz Friedrich von
Meiningen der Schwager, Prinz Ernst von Meiningen
der Neffe des regierenden Fürsten Leopold, und am
28. August fiel noch ein zweiter Neffe des Fürsten,
Prinz Ernst zur Lippe. Die Linie Viesterfeld des
uralten Hauses Lippe war erst einige Jahre vorher
auf den Thron des Fürstentums gelangt. Sie sollte
ihren Eintritt in die Reihe der deutschen Vundesfürsten
mit Blut besiegeln. Nicht minder tragisch war das
Geschick des Hauses Meiningen. Kurz vor dem Kriege
war der alte Herzog Georg, der „Künstler-Herzog",
gestorben, und sein Sohn Bernhard hatte den Thron
bestiegen. Im Ansang des Krieges war man überall
im Volke des Glaubens, der neue Herzog von Meiningen
werde eine der deutschen Armeen kommandieren, denn
jeder wußte, daß ihn der alte Moltke und der König
Albert von Sachsen als einen unserer fähigsten Generale
bezeichnet hatten. Statt Sessen kam die Nachricht, sein
Gesundheitszustand schließe jede Teilnahme am Feld-
zuge aus. Er, der mit anderen das deutsche Schwert
in der langen Friedenszeit geschärft hatte, konnte es
nun im Kriege nicht schwingen, durfte es nur von
ferne in der Sonne blitzen sehen. Dazu verlor er
den Bruder und Neffen im Felde. Seine Nichte, die
jugendliche, in ihrem Lande überaus beliebte Groß-
Herzogin Feodora von Sachsen-Weimar, mußte um
ihren Vater und ihren Bruder trauern. Dem deutschen
Volke wurde damit recht deutlich gezeigt, wie seine
Fürstenhäuser Not und Leid des Krieges mit ihm
trugen. Die russischen Großfürsten amüsierten sich
hinter der Front, soweit sie überhaupt mit ins Feld
zogen, und der Thronerbe Großbritanniens, der Prinz
von Wales, wurde in England zurückbehalten, als das
Regiment, dessen Chef er war, ins Feld rückte. Lord
Kitchener begründete das damit, daß er zu einem Feld-
Zuge zu jung sei. Dabei stand er im einundzwanzigsten
Lebensjahre! Nicht ein einziges Mitglied der feind-
lichen Fürstenhäuser hat sich als Held erwiesen. Da-
gegen auf deutscher und österreichisch-ungarischer Seite,
wie viele fürstliche Helden! Drei Kronprinzen führten
Heere und führten sie zum Siege. Der Erbe des öfter-
reichischen Kaiserthrones stand im Granatenfeuer bei
Lemberg. Der preußische Prinz Oskar kämpfte im
Kugelregen in der Mitte seiner Truppen, bis er er-
schöpft zusammenbrach. Der jüngste Kaisersohn, Prinz
Joachim, erhielt bei der Verfolgung der Russen eine
ehrenvolle Wunde. Prinz Friedrich Karl von Hessen
und sein Sohn trafen sich im Lazarett zu Bovet, in
das sie beide schwer verwundet eingeliefert wurden.
Die jungen Söhne des Königs von Sachsen, sämt-
liche Prinzen des Hauses Württemberg, acht Wittels-
bacher schlugen ihr Leben für das Vaterland in die
Schanze. Die Großherzöge von Hessen, Weimar,
Mecklenburg, Oldenburg, die Herzöge von Gotha und
Altenburg kämpften mit in der Front, wo sie jeden
Augenblick eine Kugel hinraffen konnte, wie die ge-
meinen Soldaten neben ihnen. Des Kaisers Schwieger-
söhn, der junge Herzog Ernst August von Vraunschweig,
bewährte aufs neue den alten Ruhm seines Hauses,
das nur tapfere Männer hervorgebracht hat. Ungemein
bezeichnend war, was einzelne von ihnen nach Hause
berichteten. Der Hesse schrieb: „Man erlebt zuviel, der
Tod wird Nebensache". Der Weimaraner: „Mich packte
die Passion, und ich machte das ganze Gefecht teils
als Schütze, teils als Zugführer mit". Der Alten-
burger begleitete sein Regiment überall hin, stand mit
ihm, wie er selbst berichtete, dauernd im schwersten
Gewehr- und Geschützfeuer, aß mit den Soldaten aus
der Feldküche, kampierte mit ihnen auf freiem Felde
und teilte alle ihre Strapazen und Mühseligkeiten.
Er wurde wegen seiner außerordentlichen Bravour
vor dem Feinde zum Brigadeführer ernannt.
Diese Haltung des deutschen Fürstenstandes war
von der größten Bedeutung für den Krieg, denn das
Vorbild der Großen erfüllte den gemeinen Mann mit
Begeisterung, und sie muß von der größten Bedeutung
sein für die Zukunft, denn sie hat, wie nichts an¬
deres es vermocht hätte, das monarchische Gefühl in
unserem Volke gestärkt. In der monarchischen Re-
gierungsform aber liegt das Heil eines jeden Volkes,
das militärisch stark sein will und muß. Das er-
kannten auch in Frankreich gar viele, und ein roya-
listisches Flugblatt erklärte geradezu, die Überlegenheit
der deutschen Heere sei eine Folge des monarchischen
Geistes, der in Deutschland herrsche. Und wenn der
französische Generalissimus Joffre sich bitterlich über
die Unbotmäßigkeit seiner Unterführer beschwerte und
mit seinem Rücktritt drohte, wenn mehrere Generale
der französischen Armee vor dem Feinde wegen Eigen-
Mächtigkeit und Unfähigkeit ihres Postens enthoben
werden mußten — von anderen Dingen zu schweigen —,
so gab das jener royalistischen Auffassung nur recht.
Unter einer monarchischen Führung wäre der August-
Feldzug für Frankreich sicherlich nicht so verlaufen,
wie er verlief.
Immerhin war die kriegerische Kraft des Franzosen-
volles so groß, daß es sich trotz der erhaltenen Schläge
und trotz aller Fehler seiner Heeresorganisation noch
zu einer gewaltigen Kraftanstrengung aufraffen konnte.
Die Nation, die auf so vielen europäischen Schlacht-
feldern gesiegt, so oft in früheren Tagen der Welt
ihren Willen diktiert hatte, konnte nicht ruhmlos unter-
gehen. Sie erkannte jetzt, daß es ums Höchste und
Letzte ging, und mit dem Mute der Verzweiflung
warf sie sich dem auf Paris herandrängenden Feinde
entgegen. Zwar wurde am 5. September der Ausfall
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