das französische Landvolk über
die Manneszucht im deutschen
Heere besser berichtet gewesen
und hätte es ruhig und ohne
Widerstand zu leisten in seinen
Häusern ausgeharrt, so wäre
ihm kein Haar gekrümmt worden.
Außer den Schreckensnachrich-
ten belehrte die Pariser noch
etwas anderes über den wahren
Stand der Dinge: Die deutschen
Flieger, die jetzt jeden Tag über
der Stadt erschienen, Bomben
aus der Luft herabwarfen und
dadurch eine leicht begreifliche
Panik hervorriefen. Wie hatte
man sich in Frankreich vor dem
Kriege gebrüstet, im Flugwesen
den Deutschen unbedingt über-
legen zu sein! Eine Wolke von
Fliegern — so las man in fran-
zösischen Zeitungen — werde über Deutschland er-
scheinen und überall Furcht und Verwirrung, Tod
und Verwüstung verbreiten. Auch das erwies sich jetzt
als leere Prahlerei. Selten einmal gelang es einem
französischen Flug-
zeug, überhaupt eine
deutsche Stadt zu
überfliegen, und der
Schaden, der an-
gerichtet wurde, war
ganz gering. UberPa-
ris dagegen schwirr¬
ten täglich die beut-
schen Doppeldecker,
richteten großen
Schaden an und
konnten nicht gefaßt
werden.
Kein Wunder, daß
die Stadt verließ,
wer irgendwie die
Mittel dazu auf-
bringen konnte. Die
Leiden der Belage-
rung von anno 1870
waren noch frisch
in Erinnerung. Die
Wohlhabenden hat-
ten keine Lust, wieder
wie damals die Tiere
desZoologischenGar-
tens, Natten und an-
dere appetitliche Din-
ge zu verspeisen und
schließlich noch vom
Pöbelausgeplündert
oder gar massakriert
zu werden. Sie zogen
Vernehmung eines gefangenen französischen Hu-
saren in Chateau-Salins.
Aus dem Skizzenbuch von Professor Hans v. Hayek.
Aufnahme der Verlustliste.
Skizze des in der Front kämpfenden Mitarbeiters der „Jllustrlrten Zeitung" O. I. Olbertz.
es vor, nach dem Westen oder
Süden abzudampfen, wo die
deutsche Gefahr nicht so nahe
war. Auch die Regierung der
glorreichen Republik zog das dem
Belagertwerden bei weitem vor.
Wenn irgend jemand in Frank-
reich schuld war an den Leiden,
die das unglückliche Volk auf
sich nehmen muhte, so waren es
die Herren Poincare und Del-
casse und ihre Räte und Kol-
legen, denn sie hatten mit dem
russischen Botschafter Jswolski
den Krieg verabredet, den Ver-
sicherungsvertrag mit England
geschlossen und in der eigenen
Nation gehetzt und geschürt, wo
und wie es ihnen nur möglich
war. Aber zu Helden und
Märtyrern ihres Deutschenhasses
waren sie nicht geschaffen. Sie erließen eine Prokla-
mation an das französische Volk, die hier eine Stätte
finden soll, weil sie mit ihrer Lügenhaftigkeit und
ihrem hohlen Phrasengewäsch ein wahres Muster-
beispiel der Art ist,
wie diese Regierung
mit ihrem Volke zu
reden pflegte. Sie
lautete:
„Franzosen! Seit
mehreren Tagen stellen
erbitterte kämpfe unsere
heldenhaften Truppen
und die feindlichen Ar-
meen auf die Probe. Die
Tapferkeit unserer Sol-
daten hat ihnen an meh-
reren Punkten bemer-
kenswerte Vorteile ein-
getragen. Dagegen hat
uns im Norden der Vor-
stoß der deutschen Streit-
träfte zum Rückzug ge-
zwungen. Diese Lage
nötigt den Präsidenten
der Republik und die
Regierung zu einem
schmerzlichen Entschluh:
Um über das Heil der
Nation zu wachen, ha-
ben die Behörden die
Pflicht, sich zeitweilig
von Paris zu entfernen.
Indessen wird der her-
vorragende Oberbefehls-
haber der französischen
Armee voll Mut und
Begeisterung die Haupt-
stadt und ihre patrio-
tische Bevölkerung gegen
die Eindringlinge ver-
teidigen. Aber der Krieg
soll gleichzeitig im übri-
gen Lande weitergeführt
werden. Ohne Furcht
und Nachlassen'' ohne
Aufschub und Schwäche
wird der heilige Kampf
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