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Verlassens seines Schafzimmers zu rechtfertigen, so daß durch
diese Einrichtung Disziplin und Freiheit in gleicher Weise ge
wahrt werden. Die dem Zögling gewährte Freiheit wird übrigens
nach dem Gebrauche bestimmt, den er von derselben zu machen
weiß und ist in den verschiedenen Abteilungen verschieden. Be
sonders ernste Zöglinge stehen nur unter der Aufsicht eines
Kollegen als Zimmerobersten, dem einen ist es gestattet, morgens
in seinem Zimmer zu arbeiten, andern ist es verboten. Indem
man so einem jeden einen Teil der Freiheit gibt, der dem Ge
brauche, den er damit zu machen versteht, angemessen ist, ge
langt man dahin, Willenskraft und Achtung vor dem Gesetze
und vor sich selbst zu entwickeln. Die Kinder bemühen sich, das
Vertrauen zu rechtfertigen, das man ihnen erweist. Das kann
man in Lakanal auch im Spielsaale beobachten, wo hundert Zög
linge gleichzeitig spielen, ohne daß je eine absichtliche Beschädi
gung des Materials vorkäme, über dessen Erhaltung die von den
Zöglingen selbst gewählten Spielpräsidenten zu wachen haben.
Eiue s allgemeine im Hause eingeführte Gepflogenheit ist es,
einzelne Zöglinge unter ihren Kollegen auszuwählen, welche die
Aufgabe haben, mitunter ziemlich wichtige Dienste zu versehen.
So werden z. B. für jede Klasse und für jedes Studierzimmer je
ein „Lüfter“ und „Vizelüfter“ bestimmt, welche das Oeffnen und
Schließen der Fenster keinem anderen überlassen würden ; auch
jeder Tisch im Speisesaal hat seinen Präsidenten.
Auf diese Weise bekommt jeder Zögling das Bewußtsein,
ein nützliches Glied der organisierten Klassengemeinde im Sinne
Dr. Lays werden zu können.
Der Zusammensetzung der Speisekarte und der guten Zube
reitung der Nahrungsmittel wird eine peinliche Aufmerksamkeit
zugewendet. Regelmäßige Wägungen der Zöglinge, deren Resul
tate dem Arzte mitgeteilt werden, schwedische Gymnastik und
Uebungen an orthopädischen Apparaten sichern die Kontrolle
über den Gesundheitszustand, die Entwicklung und Haltung des
Körpers. Die Reinlichkeit wird erhalten durch zweimal in der
Woche stattfindende Waschungen des Körpers oder Brausebäder,
jeder Schüler setzt sich nur mit gewaschenen Händen zu Tisch,
auf eine aufmerksame Mundpflege und richtige Körperhaltung in
der Schule und im Studierzimmer wird besonders Bedacht ge
nommen. Heiterkeit ist das allgemeine Kennzeichen des Hauses.
Gelegenheit zur Zerstreuung und Erheiterung ist reichlich