Volltext: Der Stand der Schulhygiene

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Die Kurzsichtigkeit hat sich als die ausgebreitetste wahre 
Schulkrankheit erwiesen* 
Dieser Anschauung, daß die Kurzsichtigkeit als Schulkrank- 
keit aufzufassen sei, steht nur die von Prof. Stilling aufgestellte 
Theorie gegenüber, daß die Kurzsichtigkeit eine Rasse n frage 
und von der Höhe der Augenhöhle in der Weise abhängig sei, daß 
wohl bei breiter und niedriger, jedoch nicht bei hoher und schmaler 
Augenhöhle durch den Zug des Rollmuskels eine über dem Auge 
quer verlaufende Schnürfurche entstehe, welche die anatomische 
Veränderung des Auges, den Uebergang der Kugelform in die 
Eiform mit sagitaler Längsachse als Ursache der Kurzsichtigkeit 
hervorrufe. 
Diese Stilling’sche Theorie hat sich jedoch nach zahlreichen 
Kontrolluntersuchungen und nach der übereinstimmenden Ueber- 
zeugung des Kongresses als falsch erwiesen, da die von Prof. 
Stilling bei seinen Versuchen an Leichenaugen wahrgenommenen 
Befunde lediglich als Leiehenerscheinuugen nachgewiesen wurden. 
Wenn nun auch die nächste Ursache der Kurzsichtigkeit 
nicht sicher bekannt ist, so steht doch soviel fest, daß dieselbe 
in dem andauernden Nahe sehen namentlich bei einer 
bestehenden erblichen Disposition und bei schlechter 
Beleuchtung zu suchen ist. 
Auf diese Momente werden daher auch die schulhygienischen 
Abwehrmaßregein .gerichtet sein müssen. Da das Auge die haupt 
sächlichste und wichtigste Eingangspforte für alle jene Sinnes- 
eindriicke bildet, welche das Materiale für die Bildung von Vor 
stellungen, Begriffen und Urteilen, somit für die ganze intellektuelle 
Entwicklung des Kindes bilden, so ist es einleuchtend, daß die 
Erfolge des Schulunterrichtes bei Kurzsichtigen im allgemeinen 
gegenüber jenen der Normalsichtigen zurückstehen, aber auch im 
späteren Leben ist die Kurzsichtigkeit höheren Grades für viele 
Erwerbszweige hinderlich, ja man kann Dr. Seggel Recht geben, 
wenn er behauptet, daß die Kurzsichtigkeit bei immer weiterer Aus 
breitung die Wehrhaftigkeit der Nation bedroht. Denn Brillen 
seien im Felde nicht nur bei Regen, Nebel oder Schnee, sondern 
auch für den rekognoszierenden und die Distanz abschätzenden 
Offizier unbrauchbar und in der Marine ganz unstatthaft. 
Die Wichtigkeit der in der Schule gegen das Fortschreiten 
der Kurzsichtigkeit zu treffenden Vorkehrungen bedarf sonach 
keiner weiteren Begründung. Es handelt sich dabei zunächst darum,
	        
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