101
Oesterreicliische Verhältnisse.
Die Handhabung der Gesetze über ansteckende Krankheiten,
Endemien und Epidemien obliegt in Oesterreich nach dem Reichs
sanitätsgesetze vom 30. April 1870, R.-G.-Bl* Nr* 68, der Staats
verwaltung, welche dieselbe durch die politischen Behörden, und
zwar in der Regel nach vorläufiger Vernehmung der denselben
zugewiesenen Amtsärzte besorgt, während den Gemeinden vom
Staate die Durchführung der örtlichen Vorkehrungen gegen die
Entstehung und Weiter Verbreitung ansteckender Krankheiten
übertragen ist* Es fallen daher auch die Vorkehrungen gegen
die Verbreitung ansteckender Krankheiten durch die Schulen in
erster Linie dem übertragenen Wirkungskreise der Gemeinden
zu, als deren Sanitätsorgane die Gemeinde- und Distriktsärzte
bestellt sind.
Die erste Voraussetzung einer entsprechenden Ausführung
dieser Aufgaben durch die Gemeinden ist die strenge Hand
habung der Anzeigepflicht bei ansteckenden Krankheiten.
Während durch das Hofkanzleidekret vom 3. November 1808^
Z. 16135, die Aerzte verpflichtet wurden, beim Auftreten von
gleichartigen Erkrankungen bei 4, 6 oder 8 Personen an einem
Orte, je nach der Größe desselben, die Anzeige an die Orts
obrigkeit, eventuell an das Kreisamt zu erstatten,, wurde durch
das Hofkanzleidekret vom 21. Februar 1812, Z* 2350, jedem Fa
milienoberhaupte, unter dessen Angehörigen ein Individuum von
Blattern ergriffen wurde, sowie jedem Arzte, der zu dem
B'atternkranken gerufen wurde, die Verpflichtung auferlegt, hier
von sogleich der Behörde die Anzeige zu erstatten* Durch spätere
Verordnungen wurde dieselbe Verpflichtung auch beim Auftreten
eines jeden einzelnen Cholerafalles ausgesprochen. Gegen
wärtig sind durch alle neueren Vorschriften über Epidemievor
kehrungen die Aerzte, Seelsorger, Hebammen, Todtenbeschauer,
Familien- und Haushai tungsvorstände zur sofortigen Anzeige
eines jeden einzelnen Falles einer ihnen zur Kenntnis
kommenden Erkrankung, welche den Verdacht’ einer Infektion
erweckt, verpflichtet, und unterliegt die Außerachtlassung dieser
Lehrer im öffentlichen Schulwesen angestellt werden darf, der nicht
duich ein, nicht über drei Monate altes ärztliches Zeugnis nachge
wiesen hat, daß er nicht an ansteckungsfähiger Lungen- oder Kehlkopf
tuberkulose leidet, und daß ein aus diesem Grunde verabschiedeter
Lehrer zwei Dritteile des zuletzt bezogenen Gehaltes an Pension bezieht-