Volltext: Der Sammler 14. Jahrg. 1919 (1919)

— 3 — 
€in bürgerliches Stammbuch. 
Für einen Krieger aus Schärding 1849. 
Wie sie alle waren diese Stammbücher, 
einfach, ja unscheinbar in der Ausstattung, doch 
reich und herzlich im Inhalte, so ist auch das 
neuerlich an die Sammlung gekommene Er 
innerungszeichen aus dergemütvollen Biedermeier 
zeit. Es war dem Ferdinand Desch gewidmet und 
wir wollen es als bürgerliches Stammbuch 
bezeichnen, da wir ja gar manchen wohlklingen 
den Namen in demselben begegnen, woraus wir 
entnehmen können, daß der Besitzer desselben 
sich zahlreicher Freundschaft in den bürgerlichen 
Familien zu erfreuen hatte. 
Wir haben schon einmal ein derartiges 
Stammbuch eingehend beschrieben, können es uns 
aber nicht versagen, auch diesesmal Gleiches zu 
tun, denn kaum ist ein Gegenstand geeignet unser 
Interesse mehr zu erwecken, als die Sprache 
längst dahingegangener Vorfahren aus den 
Stammbuchblättern. Ein allegorisches Bild der 
Freundschaft ziert den Einband, der aus dem 
Jahre 1849 stammt, 33 Blätter stammen aus 
dem Jahre 1841. Das Widmungsblatt ist ein 
auf Stramin gefertigtes, sehr schön gearbeitetes 
Rosengewinde. In der Mitte ein Schwert, um 
rankt von einem Lorbeerkranze. Zeigt schon das 
Schwert ein Symbol des Krieges an, das doch 
nicht ohne Absicht als Einführung gewählt 
wurde, so bringen uns schon die ersten beiden 
Blätter auf die Vermutung, daß der aus Freundes 
und Familienkreise Scheidende dem Soldaten 
dienste folgen mußte. Die Schwester Elise Desch 
besagt uns schon dies auf der Rückseite des 
gestickten Bildes, indem selbe schreibt: 
„Auf der Degenspitze die Welt jetzt liegt, 
Drum froh wer den Degen gut führet; 
Und bleibt man nur wacker zusammengefügt. 
Man zwingt das Glück und regieret. 
Es glänz: wohl nichts so fest, so hoch, 
Der mutige Krieger erreicht es doch. 
Zur Erinnerung an das Jahr 1849. 
Darunter steht geschrieben: 
Gestorben am 30. Juli 1853, begraben am 1. 
August 1853, geboren im Jahre 1827, was sich 
auf die Schwester Elise Desch beziehen dürfte. 
Schullehrer Josef Hochegger, der länger 
als ein halbes Jahrhundert der hiesigen Stadt 
schule vorstand, und sich hoher Wertschätzung 
erfreute, schreibt: „Lebensbild. Das Bild des 
Krieges oder einer Schlacht ist auch ein Bild 
des menschlichen Lebens. Rasch wohl dort, 
langsamer, aber ebenso sicher hier, Feinde und 
Gefahr, Widerstand und Kraftentwicklung, Glück 
und Mißgeschick, Sieg oder Flucht, und das einzig 
gewisse Ende von allem — der Tod. - Ihr Sie 
liebender Freund." Desch hat oft im Hause des 
Hochegger die Winterabende verbracht, das erzählt 
auf einem Blatte zierlich geschrieben die Frau 
des Schullehrers Theres Hochegger. Diese und 
die nun folgenden Blätter stammen bereits aus 
dem Jahre 1841. 
Lehrer Simon Rudolf Hochegger besagt in 
seiner Widmung vom 3. April 1841, daß Desch 
der Einberufung Folge leisten mußte, indem er 
schreibt: 
Dich ruft die Pflicht fürs Vaterland zu fechten, 
Mag bald der Lorbeer sich ins Haar Dir flechten, 
Und kehre einst als Held zum heim'schen Herd, 
Und zweifle nicht im Kampf für Ehr und Leben, 
Stets wird der Geist der Liebe Dich umschweben, 
Und ewig bleibst Du unserm Herzen wert. 
Dem folgt eine Widmung eines Mannes, 
den wir alle noch Lebenden hochgeschätzt haben. 
Der nachmalige Bürgermeister Franz Reiß gibt 
seinem Freunde folgende Geleitworte: 
Ueber blumenvollen Wegen 
Walle froh dem Ziel entgegen. 
Sei verschont vom bitteren Schmerz, 
Sei der Liebling süßer Freude 
Und Dein edelstes Geschmeide 
Bleibe stets ein reines Herz. 
Dann folgt die Sentenz: Das kleine Glück 
mußt Du durch das vieleckige Glas der Ein 
bildungskraft zu vervielfältigen suchen, das 
Unglück aber gleichsam durch Fensterscheiben 
betrachten, um es einfach zu sehen. Auch ein 
Symbol schließt der Freund an: „Erinnerung ist 
der Mond des Lebens." 
Therese Meister schließt sich mit einem netten 
Erinnerungsverse als nächstes Blatt an. Paul 
und Karl'Burger sind ebenfalls vertreten. Letzterer 
widmet Worte, die festgehalten zu werden 
verdienen: 
„Trennung ist die Gattin des Todes, 
Beide häßliche Eltern, 
Aber sie zeugten eines der Kinder schönstes: 
Das Wiedersehen I" 
Nebst dem obengenannten Maler Paul 
Burger ist der Maler Schüdl auch mit einer 
Erinnerung zur Hand. Dann finden wir die 
alte Schärdinger Bäckersfamilie Heidlberger, 
Maria, Michael und Anton Heidelberger. Einen 
wahrlich biedermeierischen Sinnspruch schreibt 
der Letztere: 
Willst Du glücklich sein, so traue 
Jedem schönen Worte nicht; 
Und nicht auf die Schwüre baue. 
Die man Dir geläufig spricht. 
Jeder ist nicht was er scheint. 
Jeder nicht ein treuer Freund. 
Wahre Freundschaft, feste Treue 
Zeiget erst der Jahre Reihe. 
Wilhelm Kopf und Maria Trojan und der 
einstmalige dezennienlang amtierende Postexpeditor 
der Stadt, Josef Schnallinger, sind mit ihren 
Abschiedsgrüßen vertreten. Daß diese Erinner 
ungsblätter in ihrem Wesen Abschiedsgrüße sind, 
geht deutlich aus einer Bemerkung hervor, die 
Maria Weber auf der Rückseite des gewidmeten 
Stammbuchverses ersichtlich machte, indem sie
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.