Volltext: Der Sammler 14. Jahrg. 1919 (1919)

14. 
1919 
Der Sammler 
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Inhalt: Aus Schärdings Biedermeierzeit. Denkmalschutz für Deutschösterreich. 
M§ Schärdings Biedermeierzeit. 
Je drangvoller sich das Leben gestaltet, 
desto inehr ist der Einzelne geneigt, sich Rück 
erinnerungen hinzugeben und Vergleiche anzu 
stellen. Die eben verflossenen sturm- und not 
bewegten Jahre lassen die Vorkriegszeit als eine 
wahrhaft begehrenswerte erscheinen, und nur zu 
oft hört man dieselbe als eine biedermeierische 
Zeit preisen. Man will damit sagen, daß vor 
dem Weltkriege die Menschen in Ruhe und Frieden 
miteinander lebten, ähnlich wie dies nach den 
napoleanischen Kriegen durch mehrere Jahrzehnte 
der Fall war, bis zum Jahre 1848, um welches 
Jahr der Druck im Völkerdasein ein so gewaltiger 
wurde, daß die Fesseln sprangen, die dem hoch 
entwickelten Freiheitssinn der Völker mit Gewalt 
angelegt waren. Bekanntlich dauert der Abschnitt, 
den wir Biedermeierzeit nennen, vom Wiener 
kongreß 1814 bis zum Revolutionsjahre 1848. 
Das von den vorerwähnten, lange andauernden 
Kriegen erschöpfte Volk brauchte geraume Zeit 
zur Erholung. Es trat ein völliges Innenleben 
ein, in dem- sich üach und nach ein wahrer Ide 
alismus für alles Schöne und Erhabene ausge 
staltete, zu dem den Grundton die deutschen Klas 
siker abgaben. Diese haben ihrem Volke die sitt 
liche Kraft des Empfindens, für alles waS den 
Menschen veredelt, gegeben und haben ihn für 
eine neue Zeit vorbereitet, in der er selbst zum 
Lenker seiner Geschicke werden sollte, und konnte. 
Es ist daher nicht Wunder zu nehmen, daß 
Keinem, der sich damals als gebildeter Mensch 
beurteilt wissen wollte, eine gewisse Gründlichkeit 
im deutschen Geistesleben, wie es unsere unsterb 
lichen Dichter vermittelten, fehlen durfte. 
Es entwickelte sich daraus nicht ein aufgeblasenes 
Gelehrtseinwollen, sondern ein anspruchloses 
Wohlwollen gegen jedermann. Das wirkte an 
ziehend und beispielgebend und so finden wir, 
daß im gegenseitigen Verkehr die mitunter scharf 
ausgeprägten Standes- oder Berufsunterschiede 
sich milderten, daß der strebsame, auf sich bedachte 
Mann gerne dort Anschluß suchte, wo er wußte, 
sich unter bildendem Einfluß zu befinden und er 
fand seine Befriedigung 'darin, wenn ihm dies 
gelang. So ward es in bürgerlichen Kreisen ge 
halten, man lebte freundschaftlich, offen und bieder 
miteinander und diese Art der Begegnung der 
Menschen untereinander hat der Zeit den Namen 
gegeben. Sie schließt mit 1848. Was dann kam, 
gehört auch schon der Geschichte an, das war 
ganz anders. 
Das was wir heute die neue Zeit nennen, 
können wir ganz gewiß nun die Vorkriegszeit 
nennen. Die errungene Freiheit der Völker löste 
sich nach dem Jahre 1848 in einen geistigen und 
wirtschaftlichen Wettkampf der einzelnen Staaten 
und Staatenbunde, auf, da war kein Platz mehr 
für idealisierendes Zusammenleben. Die deutschen 
Dichter mußten der jagenden Tagesliteratur 
Platz machen und wie ein längstvergangenes 
Märchen klang es, wenn hie und da von der 
einst gewesenen Biedermeierzeit oft mit ironischem 
Lächeln die Sprache war. Nun ist es wieder 
anders geworden. Heute versteht man den Wert 
der friedvollen Zeit wieder zu erkennen und nach 
alldem, was erlebt werden mußte, ist man, wie 
wohl man den großen Unterschied im Volksleben 
und Volksstreben in beiden Zeitabschnitten deut 
lich erkennt, geneigt, die Vorkriegszeit als der 
Biedermeierzeit nahestehend zu bezeichnen. Es sind 
nur noch wenige unter uns, die aus eigener An 
schauung über das Leben in der Biedermeierzeit 
erzählen können, mehr Jene, die durch Tradition 
in jungen Jahren so manches in sich ausgenommen 
haben. Von diesen beschäftigt sich der Eine oder 
Andere damit, die in ihm schlummernden Bilder 
auszugestalten und solch veranlagte Menschen 
greifen gerne zu, wenn ihnen hiezu Gelegenheit 
gegeben ist. Da sich das Zusammenleben neben 
anderem auch in Geselligkeitsform abspielt 
und die Geselligkeit oft Erinnerungen, ja mit 
unter auch Werte für die Nachfolgezeit schafft, 
so liegt es nahe, daß wir aus gesellschaftlichen 
Erinnerungen, die auf uns überkommen sind, 
manch freundliches Bild und eine richtige Vor 
stellung über das Leben unserer Vorfahren 
erhalten, was unser Interesse in Anspruch nimmt. 
Wir in Schärding sind nicht arm an solchen 
Erinnerungen; wiederholt konnte darüber ein 
gehend geschrieben werden. Ich erwähne nur 
die Stammbuchblätter, die uns in so anziehender 
Weise schildern, wie die Freundschaft gepflegt
	        
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