Volltext: Der Sammler 12. Jahrg. 1916 (1916)

d — 
80 Häuser und die zierliche St. Sebastianskirche 
wurden zerstört. 
Die Stadt Straubing hatte eine namhafte 
Brandsteuer der Stadt Schärding zugewiesen. 
Weil Schärding damals schon österreichisch 
war, mußte das Geld den Weg über Wien 
nehmen. 
Die Schärdinger, erfreut über die treue 
Hilfe der braven ehemaligen Schwesterstadt, 
dankten für den Betrag von 70 Gulden herzlichst. 
Die Straubinger aber machten große 
Augen. Was soll das heißen, dachten sie sich, 
wir schicken den Schärdingern 700 Gulden und 
die Abbrändler bedanken sich nur für 70 Gul 
den. Wo blieben die restlichen 630 Gulden? 
Ja, wo blieben sie? fragen auch wir etwas 
befremdet. Die eingehende Untersuchung, die 
über diese kuriose Geschichte gepflogen wurde, er 
gab, daß ein Beamter in Wien der Ansicht 
war, daß den Schärdingern 10 Prozent der ge 
schenkten Summe auch genug sein müssen. 
Diese irrtümliche Meinung, welche — wie man 
sieht, keine neuzeitliche Erscheinung ist — ver 
schaffte dem biederen Beamten einen Posten 
beim Schiffzuge in Ungarn. Als Schiffsknecht 
hatte der feine Großstadt-Rechenmeister Gelegen 
heit, die wunderlichen Verkettungen deS mensch 
lichen Daseins philosophisch zu betrachten und 
das Zusammenwirken von Feuer und Wasser 
auch in seinem Falle wieder untrüglich fest 
stellen zu können. Hätte es anno 1779 in 
Schärding nicht gebrannt, hätte er auch keine 
nasse Beschäftigung bei den Donau - Schiffzügen 
gefunden. 
* * 
* 
Die Lumperei Nummer 2 zeigt uns, daß 
der Ausspruch eines berühmten Mannes: „Be 
hüte mich Gott vor meinen Freunden, vor 
meinen Feinden behüte ich mich selbst" einer 
tiefen Menschenkenntnis entsprungen ist. 
Anno 1809: Der Franzos ist um die 
Wege und stiehlt und raubt und sengt und 
brennt. Da gilt es schnell sein, und alles 
Wertvolle in Sicherheit bringen. 
Die ehrsame Bäckerzeche hat Silbergefäße, 
Leuchter und andere Wertsachen. Wohin damit, 
wohin? Ins weltabgeschiedene Mühlviertel, da 
siehts kein Teufel und kein Franzos! 
Biedermänner nahmen sich der Sache an. 
Und tüchtig wurde das Wegräumen besorgt. 
Bis heute wartet die Bäckerzeche zu Schärding 
auf die versteckten Wertsachen. 
* * 
* 
Unterbreiten wir dem verehrlichen Publiko 
die Lumperei Nummer 3 zur gefälligen Beur 
teilung : 
König Maximilian Josef von Bayern 
spendete 1814 den prachtvollen Marmor - Altar 
aus der aufgehobenen Karmeliterkirche zu Re- 
gensburg an die Stadtpfarrkirche zu Schärding. 
Am 29. November langte der auf Schiffen 
transportierte, zerlegte Altar in Schärding an. 
Der Gottesdienst konnte wieder in der Haupt 
kirche abgehalten werden. 
Dies war aber einem Teil der Bewohner 
schaft keine wünschenswerte Errungenschaft. Als 
die Stadtpfarrkirche im Neuner Jahr zur Ruine 
wurde, mußte der Gottesdienst in der Kapu 
zinerkirche abgehalten werden. Dies bedingte 
eine Verschiebung des wirtschaftlichen Lebens von 
der Stadt in die Hinterstadt. Denn um den 
Kirchturm herum ist das regsamste Leben; 
Handel und Wandel gedeihen dort am Besten, 
wo des Kapuzinerweges Pfad verläuft. Ein 
same Orte sind keine Handelsplätze, wo viel 
Leut, ist viel War! 
Die Geschäftsleute sahen diese Werte- 
Verschiebung annv 1809 mit Wohlgefallen an 
und hatten an dem Wiederaufbau der Stadt 
pfarrkirche kaum ein christliches, gewiß aber kein 
leibliches Interesse. So lange die Stadtpfarr 
kirche eine wüste Gewölbestätte war, flutete die 
Schar der Beter und - Kundschaften an ihren 
Geschäftsläden vorbei. 
„Um sich derselben für eine längere Dauer 
„zu sichern, gerieten einige, jedes Gemeinsinnes 
„bare Bürger, vom schmutzigen Eigennutze ge- 
„leitet, auf den Gedanken, den ganzen Kirchcn- 
„bau zu hintertreiben und deren Wiedereröffnung 
„dadurch unmöglich zu machen, daß die Erwer- 
! „bung und Aufstellung des Hochaltars auf jede 
„Weise verhindert und mittels geheimen Einver 
ständnisses mußte ein Schiffbruch des mit dem 
„Marmoraltar beladenen Fahrzeuges fiktiver 
„Weise herbeigeführt werden und wirklich ver 
unglückte am 9. November 1814 das beladene 
„Schiff bei Windorf, doch wurde das Meiste 
„wieder aus dem Wasser herausgehoben, und ge- 
„rettet". (Lamprechts Chronik von Schärding, 
zweiter Teil, Seite 77.) 
Den Schlaumeiern gelang das famos aus- 
getüpfelte Schurkenstücklein nicht, der Hochaltar, 
welcher über 27.000 Gulden gekostet haben soll, 
steht heute, den Biederleuten aus der guten 
alten Zeit zum Trotz, in seiner marmornen 
Pracht schon 101 Jahre in der Stadtpfarrkirche. 
Zwei Heiligen aber — dem hl. Leopold und 
einem Karmelitermönch — war es nicht beschie- 
den, unter Dach zu kommen. Vor der Abts 
mühle stehen die beiden und müssen gemäß dieser 
sonderbaren Fügung bedauerlicherweise ein früh 
zeitiges Ende finden, denn Frost und Regen, 
Sonnenschein und Schnee sind geschworene 
Feinde aller Marmorstatuen, mögen sie nun 
heidnischen oder christlichen Charakters sein. 
* * 
* 
Mit der Lumperei Nummer 4 schließen 
wir unsere menschenfreundlichen Betrachtungen:
	        
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