Volltext: Der Sammler 5. Jahrg. 1909 (1909)

— 5 
Urteil zu kommen, ob ein abgelaufener Zeit 
abschnitt für die Entwicklung des Stadtmuseums 
als günstig oder ungünstig bezeichnet werden 
kann. Wir sind trotz der geringeren Stückzahl 
in der erfreulichen Lage von einem günstigen 
Resultate sprechen zu können. 
In kurzen Worten läßt sich das Ergebnis 
folgendermaßen zusammenfassen: Die Museal 
gesellschaft hat eine Vertiefung ihres Wesens 
erfahren durch wertvolle Ergänzungen. Ferners 
die Entwicklung des städtischen Museums erfreut 
sich nicht nur seitens des Großteils der Stadt 
bewohner einer gleich freundlichen Beurteilung 
und Förderung, wie anfänglich; selbe findet 
auch die kräftigste Unterstützung seitens der Be 
völkerung zahlreicher Gemeinden des Bezirkes. 
Diesbezüglich sei mit Dank allen Spen 
dern aus der Stadt Schärding, aus den Ge 
meinden Taufkirchen, Diersbach, Sigharting, 
Rainbach, Wernstein, Schardenberg, Esternberg, 
Brunnental, Freinberg, Kopfing, Andorf, Suben, 
St. Marienkirchen und St. Florian gedacht. 
Die volkskundliche Sammlung erfreut sich 
höchst interessanter Bereicherungen, wir nennen 
einen Original-Fraißenbrief, ein Benediktus- 
Wetterkreuz, den Tobiassegen, der bereits zur 
großen Seltenheit zählt. Eine Kollektion von 
Krankheitsübertragungshölzern (Verkeilen der 
Krankheiten in gesunde Bäume), Bockhorn zu 
Beschwörungen in der Thomasnacht auf Kreuz 
wegen, Hochzeitslader-Gürtel und Armschmuck, 
einen prächtigen Wassernuß-Rosenkranz als Vo 
tivgabe gegen giftigen Schlangen- und Hunde 
biß, sowie einen Porzellankrug, Erinnerung an 
das unter der Herrschaft der Risenfels in 
Schwend abgehaltene Schneckenfest. Diese sämt- 
Schlußstein bildeten zusammenfassende Arbeiten 
über die römischen Inschriften im Lande ob der 
Enns sowie die drei archäologischen Nachlesen, in 
denen er die Fundorte römischer Gegenstände mit 
wertvollen Erklärungen übersichtlich zusammen 
stellte. 
Er schrieb ferner über die Verhältnisse 
unseres Landes zur Zeit des spanischen Erbfolge 
krieges, die gleichzeitige Erhebung des bayerischen 
Landvolkes gegen die österreichische Herrschaft über 
Bayern. Dan veröffentlichte er eine Geschichte des 
akademische Gymnasiums in Linz. die ihn zur Ab 
fassung der interessanten Abhandlung über die 
milden Stiftungen in Oberösterreich führte. 
Sein reiches wissenschaftliches Leben schloß 
er nach seiner Rückkehr nach St. Florian (1865) 
mit der Ordnung und Katalogisierung der um 
fangreichen Münzensammlung des Stiftes, eine 
mühevolle Arbeit voll Selbstüberwindung. 
Auch äußere Anerkennungen seines glanz 
vollen Wirkens und Schaffens fehlten nicht. Neben 
den Ehrenmitgliedschaften zahlreicher historischer 
Gesellschaften seien erwähnt die Ernennung zum 
geistlichen Rate, zum k. k. Schulrate und die Ver- 
lichen Gegenstände sind heimischer Entstehung 
und aus heimischen Besitze. 
Die Heimatsgeschichte erhielt als Ergänz 
ung ein hübsches Oelporträt Kaiser Josef des 
Zweiten, aus der Zeit als der Kaiser Mitregent 
der Kaiserin Maria Theresia war, sowie ein 
vollständiges Exemplar der „Theresiana" d. i. 
die „Belehrngen zur Durchführung der Tortur 
oder des hochnotpeinlichen Halsgerichtsver- 
sahrens" mit zahlreichen Abbildungen, eine wert 
volle Bereicherung dieser Abteilung bildet. 
Eine bedeutende Zahl von schmiedeeisernen 
Grabkreuzen aus den Pfarren Taufkirchen und 
Diersbach bilden für sich eine Sammlung kunst 
gewerblicher Art, nur schade, daß dieselben der 
malen wegen Platzmangel nicht zur Aufstellung 
kommen können. 
Gewerbegeschichtlich in begrenzter Richtung 
das heißt in Bezug auf Erzeugnisse des Schär- 
dinger Gewerbefleißes und gewerbliche Kunst 
sind auch erfreuliche zunächst zu verzeichnen. 
Zu Beginn des Jahres kam die Spende 
des regierenden Fürsten Lichtenstein, die galvano 
plastische Abbildung des von dem Schärdinger 
Goldschmiedmeister Schönbichler 1600 verfertig 
ten im fürstlichen Museum zu Eisgrub aufbe 
wahrten silber-vergoldeten Bechers. Sodann 
eine große Federzeichnung vom schmiedeeisernen 
Presbyteriumgitter in der Kirche zu Brunnenthal. 
Die Zeichnung ist unter Leitung des Herrn 
Oberlehrers Franz Degn aus der gewerblichen 
Fortbildungsschule hervorgegangen. 
Zu diesem der Renaissanzezeit ungehörigen 
Gitter erhielt das Museum einen kompleten Türbe 
schlag aus dem ehem. Fünfleutnerischen Brauhause 
(heute Hotel Kotter) und ist diese Arbeit der gleichen 
leihung des Ritterkreuzes des Fran-Josef-Ordens. 
Um das Bild dieses seltenen Mannes zu ver- 
vollständigen, darf nicht unerwähnt bleiben, daß 
Gaisberger bei all seinen wissenschaftlichen Erfolgen 
und bei dem Ansehen, das er im Lande genoß, 
niemals den Grundzug seines Charakters, die Be 
scheidenheit, verleugnet hat. In dieser Tugend 
wurzelten seine „tiefe Pietät gegen Wohltäter und 
Personen, denen er zu Dank und Freundschaft 
sich verpflichtet fühlte, seine liebevolle Freundlich 
keit und fast beschämende Zuvorkommenheit gegen 
alle, die in näherer Beziehung zu ihm standen", 
wie nicht minder seine wahre Religiösttät. 
Dem am 5. September 1871 verstorbenen 
Professor Josef Gaisberger konnte sein Mitbruder 
Universitätsprofessor M. Gitlbauer mit Recht die 
Worte widmen: „Ein Stück ruhmvoller Ver 
gangenheit ging mit ihm zu Grabe. Zwei Ver 
treter des Museums warfen einen Lorbeerkranz 
ins Grab ihm nach — er hat ihn verdient; ver- 
dient um das Stift, verdient um das Museum, 
verdient um die Wissenschaft, verdient um sein 
Vaterland, um Oberösterreich". 
F. R.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.