Volltext: Der Sammler 5. Jahrg. 1909 (1909)

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Haupt, Haar, Bart, Arme, Hände, Körper, 
Lendentuch, Beine, Füße, Fußstütze, Krone, 
Nimbus, Seitenwunde, Blut, Kreuz, Titel und 
Absicht der Darstellung. 
Die Absicht der Darstellung wird für die 
einzelnen Zeitperioden kurz erklärt und ohne 
gerade Abbildungen oder ftgurale Kruzifixe vor 
sich zu haben, kann man sich selbst eine bei 
läufige Vorstellung davon machen. Die älteste Zeit, 
die hier in Betracht kommt, die „Romanische", 
bringt Christus als König mit der Krone am 
Kreuzesthrone. Die Uebergangszeit vom roman 
ischen zum gotischen Zeitalter 1260—1300 zeigt 
ebenfalls den König mit der Krone, aber 
menschlich leidend. 
Die Gotik 1300--1380 bringt einen Lei 
densmann am Marterholz, die Spätgotik den 
Sterbenden oder den Gestorbenen, die Renais- 
sanze 1500—1600 gibt eine ganz andere Auf 
fassung ; es kommt Würde und Schönheit zum 
Ausdrucke. Barok 1600—1700 Gewalt und 
Kampf, das folgende Rokoko bringt Christus in 
naturalistischer Auffassung mit gesteigertem 
Affekt, während die Zeit um 1800 den Helden 
am Kreuze in klassischer Ruhe bringt (Pfarrer 
Wiebel.) Für jede dieser Zeiten sind ganz be 
sondere Merkmale angeführt, die zur Bestimmung 
wichtig zu wissen sind. Ob die Füße Über 
oder nebeneinander genagelt sind, ob selbe eine 
Stütze haben oder nicht, ob die Armee wagrecht 
oder emporgestreckt sind, ob die Seitenwunde an 
der Brust vorhanden ist oder nicht, ob das Len 
dentuch gerade in Falten gelegt ist oder ob die 
Enden stattern, wie die Finger sind, ob gestreckt 
oder eingezogen, wie die ober dem Kreuze sicht 
baren Spruchbänder sind re. rc. 
So genau und eingehend ist diese kunst 
geschichtliche Abhandlung, die mit 64 Abbild 
ungen von Christusfiguren und den dazu ge 
hörigen Detailen versehen ist, gehalten. 
Wir behalten uns vor, an der Hand dieser 
belehrenden Anleitung eine Beschreibung der im 
Stadtmuseum befindlichen Christusdarstellungen 
zu bringen. Anregung und Materiale ist hiezu 
genug vorhanden. Im Zusammenhalte mit 
den in kurzen Strichen gezeichneten Bestim 
mungsmöglichkeiten nach Pfarrer Wiebel ge 
winnen die Kruzifixe des Stadtmuseums in 
Schärding ohne Zweifel an Wert. 
So läßt sich beispielsweise mit voller Be 
stimmtheit sagen, daß die Elsenbeinschnitzarbeit 
aus dem Nachlasse Dosch bereits aus dem Jahre 
1350 stammt. Dieser Christus gehört einem 
sogenannten Dyptichon an, einer zweiteiligen 
aufklappbaren Bettafel aus geschnitztem Elfen 
bein, von dem die eine Hälfte Christus am 
Kreuze darstellt, die andere die hlg. Maria. 
Daß dieses Kunstwerk wertvoll ist versteht sich 
wohl von selbst. Aber auch der Gekreuzigte, 
der in der Bauernstube Platz gefunden hat, hat 
allen Anspruch auf Beachtung. 
Wie gesagt, das wollen wir uns auf 
später sparen, wobei auch neuerlich in Erinner 
ung gebracht werden soll, wer die Spender 
waren. Aber nicht nur figurelle Christuse 
haben einen Wert, sondern auch die bildlichen 
Darstellungen eignen sich sehr für Museums 
zwecke. Wie oft findet man cm alten Grab 
tafeln, die aus der Renaissanzezeit stammen, die 
schönsten Christusdarstellungen, die photographisch 
aufgenommenen werden können. Und wie viele 
Christuse am Kreuz gibt es überdies in Kirchen, 
Kapellen und an Nischen, die vielleicht bis jetzt 
auf ihren Wert nicht erkannt wurden. Wie 
wichtig ist es beispielsweise, Abbildungen von 
solchen Kruzifixen dem Museum einzuverleiben. 
Es würde sich hiebei gewiß manches aufbe- 
wahrenswerte Stück finden. 
In der Pfarrkirche zu Wernstein findet 
sich beispielsweise ein lebensgroßer Christus/ den 
Lambrecht dem 14. Jahrhundert zuzählt. Da 
ersterer vor mehreren Jahren frisch angestrichen 
wurde, so läßt er sein Alter nur dem Kenner 
erscheinen. Vielleicht ist es bei anderen Kruzi 
fixen in unserem Bezirke auch so gehalten wor 
den ? Haben für das Stadtmuseum diese Kreuze 
in ersterer Richtung Interesse, so soll doch auch 
der alten Darstellungen in Bildern nnd als 
Gebetaufdruck nicht vergessen werden. 
Sowie die Marienbilder aus den Gebet 
büchern der Vorfahren aus Schärding und Um 
gebung aufbewahrt und Zusammengestellt wur 
den, so geschah es und geschieht es auch mit 
den besprochenen Christusbildern. 
Die Anleitung, die Herr Pfarrer Wiebel 
gibt, ist von allgemeinem Werte, daher wird dieselbe 
auch allseits begrüßt. 
Die Mitteilungen der k. k. Zentralkommission 
veröffentlichen im Hefte Nr. 7 vom Juli 1909 
nachfolgenden Erlaß der k. k. Statthalterei in 
Tirol der wohl allgemeines Interesse in Anspruch 
nimmt. 
Berwenäung von kternit als vachcleckungs- 
material für kunstbistoriscb wichtige Bausen. 
a) Zirkulare der tirolifchen Statthalterei vom 
2. Juni 1909, Z. 30045, an die hochwürdigsten 
f.-b. Ordinariate in Salzburg, Trient, Brixen, an 
das hochwürdige Generalvikariat in Feldkirch, an 
die Landesausschüffe für Tirol und für Vorarl 
berg, an die k. k. Bezirkshauptmannschaften und 
Stadtmagistrate in Tirol und Vorarlberg. 
Die Verwendung des sogenannten Eternits 
hat in letzter Zeit nicht nur bei Neubauten, son 
dern auch bei alten Bauwerken, insbesondere bei 
Kirchen derart überhand genommen, daß es ge 
boten erschien, vom Standpunkte der Denkmal 
pflege dieser Erscheinung erhöhte Aufmerksamkeit 
zu schenken.
	        
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