Volltext: Der Sammler 5. Jahrg. 1909 (1909)

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liebevollem Eingehen auf die Denkart des Volkes. 
Denn nur dann werden wir verstehen, welcher 
Sinn den verschiedenen Gefühlsausdrücken zu 
grunde liegt. 
Der 3. Teil der Bezirkskunde soll eine 
Topographie jedes einzelnen Ortes sein. 
Jeder Ort soll 1. bezüglich seiner geschichtlichen 
Entwicklung, 2. bezüglich der dort befindlichen 
Denkmäler dargestellt werden. 
Es ist wohl selbstverständlich, daß das 
Buch, besonders im kulturhistorischen und topo 
graphischen Teile, mit zahlreichen Bildern 
versehen sein wird. 
Um nun diese Aufgabe mit größtmöglichster 
Genauigkeit bis ins einzelnste hinein leisten zu 
können, ist ein Zusammenwirken aller 
Kräfte, die hiefür in Betracht kommen, not 
wendig. Lehrer, Geistliche und Beamte sind zu 
nächst die Berufenen, die an diesem gemeinnütz 
igen Unternehmen mitarbeiten sollen, deren 
Beruf schon eine Beschäftigung mit all diesen 
Dingen mit sich bringt. 
II. 
Ein dankbares Feld der Betätigung dürfte 
jeder Lehrer finden in der Bearbeitung einer 
kurzen O r t s g e s ch i ch t e. Ich meine nicht 
eine weitläufige Geschichte einer Gemeinde mit 
Angabe aller Quellen und Auszügen aus alten 
Akten, sondern eine fließend geschriebene und 
daher leicht lesbare Entwicklungsgeschichte des 
Gemeinwesens in dem Umfange von 30 bis 
50 Seiten. Es dürfte nicht schwer sein, die 
Gemeinden dazu zu bewegen, daß sie die 
geringen Kosten bestreiten, besonders wenn die 
Bestimmung getroffen wird, daß jedes Kind, das 
die Schule verläßt, ein Exemplar als Andenken 
erhält. Die Kosten wären sehr gering, wenn 
der betreffende Aufsatz zuerst als F e u i l l e - 
t o n in irgend einer Zeitung erschiene und da 
von nach Bedarf Sonderabzüge gemacht würden. 
Was soll diese Ortsgeschichte enthalten? 
Zunächst eine Hervorhebung des geogra 
phische n Momentes, ob der Ort auf Schwemm 
land oder in einer Möranenlandschaft oder in 
einer Gegend mit Urgestein gelegen ist usw?) 
In welcher Weise dieses geographische Moment 
die wirtschaftliche Entwicklung, den 
Kulturboden beeinflußt hat. Daran wäre eine 
kurze Darstellung zu reihen von den heuti 
gen wirtschaftlichen Verhältnissen, Damit ist 
die Brücke geschlagen zur Frage, wie haben sich 
diese wirtschaftlichen Verhältnisse von ihren Ur 
anfängen geschichtlich- entwickelt. Man 
würde die Besiedelung zur Zeit der Kelten, 
Römer und Bajuvaren übersichtlich darzustellen 
') Vgl. hiezu Schöberl, Aufbau und Landschaft 
des Innviertels. 38. Jahr. — Ber. d. Bymn. Ried I9Ü9. \ 
Bayberger, der Durchbruch des Inn von Schärding 
bis Paffau. Programm Kempten 1886. - ! 
haben; welche Funde hier gemacht worden sind 
usw. Manche Gemeinden können ihren Ur 
sprung nicht soweit zurückführen. Hier hätte 
an dessen Stelle eine Darstellung zu treten, 
wie der Boden besonders nach Beendigung 
der Magyarenkämpfe urbar gemacht worden ist. 
Um das zu finden, geben uns die Ortsnamen 
Aufschluß') und zwar für die älteste bayrische 
Ansiedelung diesogenannten — ing Namen"), welche 
die Nachkommen einer Sippe bezeichnen, wie 
Eitzing die Nachkommen eines Geschlechtes, das 
sich nach seinem Führer Jtzo nannte, wie Mining 
von Muno; für spätere Jahrhunderte die Namen 
auf „heim, hausen, dorf" und dann vor allem die 
„Oed"-Namen. Seitdem 10. Jahrhundert erfolgte 
einerseits die weitere Besiedelung, anderseits die 
Umwandlung früherer Wirtschaftsformen in die 
Form des Großgrundbesitzes. Es tauchen die 
Schlösser an den verschiedensten Orten auf 
als wirtschaftliche Mittelpunkte. Hiebei wären 
die Lage, das Aussehen des Edelsitzes und die 
Geschlechter anzuführen, die das Schloß besessen 
hatten, und vielleicht der eine oder andere von 
diesen Besitzern, der eine besonders hervorragende 
Gestalt war oder dessen Andenken noch durch 
einen Grabstein in der Gemeinde erhalten ist. 
Ferner wäre die Entwicklung des Gottes 
hauses zu skizzieren, wie es sich uns heute 
darstellt und welche Veränderungen es im Laufe 
der Jahrhunderte erfahren hat. Nicht zu über 
sehen sind die schöneren und hervorragenderen 
G r a b st e i n e, die mit Angabe des Standortes 
genau zu erklären wären. 
In einem größeren Orte wird auch die 
Schulgeschichte einen etwas umfang 
reicheren Platz einnehmen?) Zum Schluffe 
wären anzufügen sehr alte Familien, die ihr 
Geschlecht über einige hundert Jahre zurückführen 
können. Ferner Lokalsagen, besondere Gebräuche 
und Charaktereigentümlichkeiten der Bewohner. 
Dies wäre das allgemeine Schema, das 
nach den örtlichen Verhältnissen und vor allem 
nach der Art des überlieferten Stoffes abzu 
ändern wäre. 
*) Vgl. Schiffmann, die oberösterreichischen 
Ortsnamen I und II im Archiv für die Geschichte der Diözese 
Linz 3. und 4. Bd. (1906 und 1907), in jeder Pfarrbib- 
liothek vorhanden. Ferner Kap. 3 „Unsere Ortsnamen" in 
der Schrift des gleichen Verfassers „Ein altes Bilderbuch" 
(1908). 
2) Kartenskizzen der Verteilung der ing Orte in 
Oberösterreich im 16. Bande der Beiträge zur Anthropologie 
und Urgeschichte Bayerns, wobei jedoch auf die Scheidung 
der echten von den unechten — ing Namen keine Rücksicht 
genommen ist. Nur erstere sind als historische Zeugnisse 
für die älteste Besiedelung durch Bayern von Wert. 
Vgl. R i e z l e r, Die bayerischen und schwäbischen Orts 
namenaus - ing und - ingen als historische Zeugnisse. (1909). 
2) Vgl. S ch i f f m a n n, Das Schulwesen im Lande 
ob der Enns bis zum Ende des 17 Jahrhunderts. 59. Jahr. 
| Ber. des Museums Franc.-Earol. Linz (1901). Ferner 
Weiß, Geschichte der österr. Volksschule 1791-1848. 
! II. Bd. (1904), besonders S. 789—806.
	        
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