Volltext: Der Sammler 5. Jahrg. 1909 (1909)

Es ist in unserer Stadt ein selten eintretendes Er 
eignis, daß sich die Gemeindevertreter zu anderer Zeit als zu 
den üblichen Sitzungen zur Beratung einfinden, eine be 
sondere Veranlassung muß hiezu auch gegeben sein. Dies 
ist auch der Fall. Die Stadtgemeindevertretung will heute 
bekunden, daß ihr das traurigen Ereignis von 1809 mit 
seinen Folgen nicht aus dem Gedächtnisse kam, daß sich 
dieselbe in pietätvoller Weise an all das Ungemach er 
innert, welches die Kriegs ahre über die Stadt und deren 
Bewohner vor nunmehr 100 Jahren brachten. Um den 
Tag in würdiger Weise zu begehen, hat der Musealverein 
an die Gemeindevertretung eine Festordnung eingereicht, 
welche in allen Teilen die Genehmigung der ersteren 
erhielt. Infolge dieser Genehmigung wnrde am Rathause 
eine' Gedenktafel errichtet, die heute ihrer Enthüllung 
harrt. Die Stadtgemeindevertretung sieht zu ihrer Freude 
diesen Beschluß allgemein gebilligt, sowie dieselbe die Ehre 
zu schätzen weiß, daß sich die heutige Gemeinde-Ausschuß- 
sitzung in Gegenwart so zahlreicher hochgeehrter Teil 
nehmer vollzieht. 
Mit Recht erblickt die Stadtgemeinde hierin einen 
freundlichen Sympathiebeweis für die Stadt Schärding, 
dessen Bürgermeister es obliegt, hiefür den Dank auszu 
sprechen und alle Anwesenden bestens zu begrüßen. 
Es hat sich Gemeinderat Kyrle zum Worte ge 
meldet; ich erteile ihm dasselbe. 
GeehrteHerren des Gemeinde- 
Ausschusses! 
Man hört des öfteren sagen, unsere Zeit huldige 
einer materialistischen Weltanschauung, das heißt, einer 
nur dem Augenblicke dienenden, in ihr finde die Ver 
gangenheit mit ihren Ereignissen und mit ihren Idealen 
wenig Anwert. Die das behaupten, haben zum 
Glücke nicht ganz recht. Die fortschreitende Bildung 
des Volkes hat trotz aller Hast der Zeit die Erkenntnis, 
daß die Geschichte die Lehrmeisterin sei, zum Gemeingute 
gemacht. Dieser Erkenntnis ist in unserer Zeit ein 
breiterer Raum zugewiesen als je zuvor. Wir können 
die Bestätigung von dem Gesagten an nns selbst erfahren, 
nimmt doch am heutigen Tage die ganze Stadtbewohner 
schaft an einer Feier teil, die nicht durch Fröhlichkeit an 
zieht, sondern die dem Gegenteile, die einer traurigen 
Erinnerung gilt. Unsere Stadt ist überreich an solchen 
Erinnerungen und wenn wir von dem unglücklichen 
26. April 1809 sprechen, so möge auch nicht vergessen 
werden, was diesem Verhängnisse vorhergegangen ist. 
Dann wird es um so mehr erklärlich, daß ein Zeitraum 
von mehr als einem halben Jahrhundert vergehen mußte, 
bis diese schweren Wunden zu heilen begannen. Mit dem 
Brande des kurfürstlichen Schlosses im Jahre 1775 begann 
die Reihe der Unglücke. Das Schloß wurde nicht mehr 
aufgebaut. Die kurfürstlich bayerische Hofhaltung, die 
Grundlage für die Wohlhabenheit Schärdings ging für 
immer verloren. Zwei Jahre später verheerte ein großer 
Brand mehr als den vierten Teil der Stadt und jene 
Stadtteile, die vom Feuer verschont geblieben sind, wur 
den in den Jahren 1786 und 1787 so vollständig über 
schwemmt, daß die gesamte Habe der von dem Hochwasser 
Betroffenen verloren ging. Zu all diesen Unglücken kamen 
die nun fühlbar gewordenen Folgen des Friedens von 
Teschen am 13. Mai 1779. Mit einem Schlage wurde 
unsere Stadt, die seit dem 14. Jahrhundert inmitten des 
bayerischen Landes gelegen war, an die äußerste Reichs 
grenze des österreichischen Kaiserstaates versetzt. Der Inn 
bildete von nun an die tiefeinschneidende Grenze zwischen 
dem Volke gleichen Stammes. Die wirtschaftlichen Här 
ten, die dieses geschichtliche Ereignis für die neuen Grenz 
bewohner mit sich brachte, sind mit ehernem Griffel in der 
Geschichte der Stadt eingeschrieben. Rur wenige Jahre 
verhältnismäßiger Ruhe waren den neuen Staatsange 
hörigen Oesterreichs vergönnt. Cs begannen gar bald die 
Drangsale, die die französischen Kriege mit sich brachten. 
Die Invasionen von 1801 und 1805 mit dem Abschlüsse 
von 1809, der für die Stadt Schärding so verhängnisvoll 
wurde. Es schreitet oft wider alles Erwarten das Un 
glück unsichtbar einher, um jene zu vernichten, die sich am 
sichersten fühlen. So war es in Schärding. Keine Stadt 
im weiten Oesterreich war zum Beginne dns Krieges 1809 
zuversichtlicher als eben Schärding. Kaiser Franz hatte in 
unserer Stadt am 9. April das Hoflager bezogen. Die 
Anwesenheit des Monarchen währte bis zum 25. April. 
Was war natürlicher, als daß sich während dieser Zeit 
wohl niemand sicherer fühlte, als die Bewohner Schärdings, 
und doch kam es anders. Am 23. April kamen Gerüchte 
über den unglücklichen Ausgang der Schlacht bei Abens 
berg und am 26. April standen die Bewohner der Stadt 
an den Trümmern ihrer Habe, verstört und verzweifelt, 
von den Franzosen beraubt und ausgeplündert, arm und 
elend. Schärding wurde geopfert. Die freie Stadt mit 
ihren alten Mauern wurde für den Feind zum Hindernis 
gemacht, um den österreichischen Truppen den Rückzug zu 
ermöglichen. 
Da den Franzosen der Uebergang über den Inn 
verwehrt wurde, forderte General Legrand die Stadt 
zweimal zur Uebergabe auf, was General von Dedovich 
trotz inständiger Bitten der Bürger ablehnte. Hiemit war 
die Vernichtung der Stadt besiegelt, die Bevölkerung der 
grenzenlosen Wut der französischen Horden überliefert. 
Vom Mittag des 26. April bis spät in den Abend 
hinein bewarf der Feind die Stadt mit Geschossen aus 
meist schweren Geschützen und verwandelte Schärding in 
einen rauchenden Trümmerhaufen. 
Doch nicht genug damit. Richt weniger arg als 
durch das Bombardement hatten die Bewohner unter den 
mehrtägigen Plünderungen durch die zügellose französische 
Soldateska zu leiden. 
In beweglichen und anschaulichen Worten schil 
dern Zeitgenossen diese furchtbare Katastrophe. Die 
Gräuel und Gewaltätigkeiten, die Räubereien und Schän 
dungen kannten keine Grenzen, schreibt Pfarrer Kalten- 
egger in Brunnenthal. Das was wir erlebten durch die 
Franzosen, wird die Nachwelt nie glauben, es wäre denn, 
daß dieselbe — was Gott verhüten wolle — selbst zu 
solcher Verdorbenheit herabsinken würde. Und I. Geis- 
berger, der berühmte Historiker Oberösterreichs sagt in 
der Festrede, welche selber im Jahre 1836 beim 50jähr. 
Hochzeitsjubiläum seiner Eltern in der Pfarrkirche zu 
Brunnenthal hielt, zurückblickend in die Zeit der Kriegs 
not, wie folgt : Ihr mußtet dreimal sehen, wie die wüten 
den, zügellosen Feinde die Grenzen des Vaterlandes 
überschritten, sehen, wie sie Eure nachbarliche Stadt in 
Asche legten, und den Wohlstand gewerbsfleißiger Bürger 
auf lange, lange Zeit zertrümmerten; sehen, wie sie in 
wilden Schwärmen plündernd sich über die Umgebung er 
gossen. Fliehend mußtet Ihr das eigene Haus, nur um 
das Leben zu retten, überlassen, mußtet Ihr alles 
dem Feinde, was Ihr im Schweiße des Angesichts für 
Euch und Eure Kinder mühsam gesammelt und erworben, 
dulden mußtet Ihr selbst die ärgste Mißhandlung und nur 
ein schützendes Gewand hielt den tödlichen Stoß ab, der 
auf das Leben des Vaters gerichtet war. — 
Am 27. April rückte Marschall Massena mit 30.000 
Mann über Passau nach Schärding und verblieb hier bis 
die Brücke wieder hergestellt war und sich seine Armee 
mit der Division Legrand vereinigen konnte. Das Wich 
tigste für den feindlichen Marschall war es, der ohnedies 
ruinierten Stadt unerschwingliche Lieferungen vorzu 
schreiben und die enorme Kontribution von 80.000 Gulden 
bis zum nächsten Mittag aufzutragen. In dieser größten 
Rot erwuchsen aber der Stadt auch Fürbitter, deren wir 
heute wohl in dankbarer Erinnerung zu gedenken haben. 
Marschall Massenas Adjutant, Johann Friedrich 
von Preen, konnte sich eines großen Mitleides mit den 
durch die fürchterlichen Plünderungen zugrunde gerichteten 
Einwohnern nicht erwehren und berichtete an den Mar 
schall. 
„Es preßt sich das Menschenherz zusammen, wenn 
man die todesbleichen Einwohner betrachtet, die sich in 
die Keller ihrer abgebrannten Häuser geflüchtet hatten 
und auch hier noch den plündernden Soldaten preisge 
geben waren. Ich stellte — so meldet Hauptmann von
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.