Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

94 Birgit Kirchmayr mer noch gültige und prägnante Analyse Harry Slapnickas, der sich als His- toriker vor Ort als Erster mit der lokalen Kunst im Nationalsozialismus aus- einandersetzte und dabei zum vielzitierten Schluss der „wenig Extreme in einer Zeit voller Extreme“ kam. Slapnicka konstatierte die Durchschnittlich- keit der oberösterreichischen Künstler/innen und ihres Oeuvres in den NS- Jahren. Angepasstheit, stilistische Konformität und eben wenig Extreme charakterisieren die oberösterreichische Kunst zu jener Zeit, das Gros der Künstler/innen fiel weder als exponierte NS-Künstler/innen noch als opposi- tionelle oder „entartete“ Kunstschaffende auf. Die Durchschnittlichkeit lässt sich dabei generell auf die NS-Kunst beziehen, blieb sie doch bis zum Ende des Regimes jegliche wirkliche Eigenständigkeit oder Definition der so ge- nannten wahren „deutschen“ Kunst schuldig. „Im Volke wurzelnd“ sollte sie jedenfalls sein – wie auch immer das ge- nauer hin definiert werden kann – und diesen Terminus nahm Alfred Kubin in einem Brief an Fritz Herzmanovsky-Orlando auf. Seine Kunst erfülle diesen Anspruch – „den Göttern sei´s gedankt“ – wie Kubin schreibt. In einem etwa gleichzeitig verfassten Brief an Hermann Hesse notierte Kubin scheinbar ebenso überrascht, dass er nicht „am Index stehe“.5 Die Aussagen Alfred Kubins verweisen deutlich auf die herrschende Unsicherheit in Bezug auf die Akzeptanz im NS-Kunstsektor. Entgegen retrospektiver Einschät- zungen hinsichtlich einer klaren Trennung zwischen „NS-Kunst“ und „Ent- arteter Kunst“ waren die Grenzen faktisch oft fließend. Selbst innerhalb des Oeuvres eines einzigen Künstlers konnten beide Zuordnungen zutreffen. Auf der sicheren Seite konnten sich nur wenige wähnen, und ob der Expres- sionismus nun „entartet“ oder gar besonders deutsch wäre, war zumindest in den ersten Jahren der NS-Herrschaft noch nicht entschieden. Mit den Begriffen des „Entarteten“ und „Undeutschen“ hantierte auch der Künstler und Landesleiter für bildende Künste im Gau Oberdonau Ernst August Mandelsloh in der oben zitierten Aussage. Seiner Stellungnahme zu Folge wäre es nicht schwer, „deutsche“ Kunst aus den Künstlern in Oberdo- nau herauszuholen, da sich hier generell keine „Undeutschen“ und „Entarte- ten“ befänden. Bei aller ideologischen Apologetik traf Mandelsloh damit – zumindest was die bildende Kunst betrifft – tatsächlich den Kern eines Er- klärungsansatzes für die Unauffälligkeit und Angepasstheit der oberösterrei- chischen Kunstszene im Nationalsozialismus. Denn das Gros der hier tätigen bildenden Künstler/innen verfolgte tatsächlich schon vor der NS-Zeit einen traditionellen, konservativ geprägten Stil. Vertreter/innen einer künst- lerischen Avantgarde waren nur vereinzelt zu finden. Vorherrschende The- 5 Kubin an Hesse, 25.4.1933. Zit. nach: Außerhalb des Tages und des Schwindels. Her- mann Hesse – Alfred Kubin. Briefwechsel 1928-1952. Hg. v. Volker Michels (Frankfurt 2008)
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.