Ernst Burgstaller – Pionier und Workaholic 7
literarische Ambitionen. Eine Praxis, welche gegenwärtig verpönt ist, damals
allerdings dem Zeitgeist entsprach. Sie erlaubt uns, etwas hinter die Fassade
des Wissenschaftlers zu blicken. Einflüsse der „Innviertler Künstlergilde“,
der er seit dem Ersten Weltkrieg angehörte und deren Gildenmeister und
Ehrenmitglied er später war, sind unleugbar.8
Wie seine Freunde Freiherr von Hammerstein und Richard Billinger in-
spirierten heimische Sagenwelt und Figuren des Brauchtums schon sehr früh
seine Fantasie. Immer wieder fliegen „goidanös Hei(ng)s(t)l“ und „Wilde
Jagd“ durch seine Texte, jagen „Nigln“ durch seine Zeilen und stapfen
„zwiebärtiger Thomerl“ und „Frau Beri“ durch den Schnee weißer Papier-
seiten. Die Neugier einmal angeregt, war der Schritt nun nicht mehr weit zu
regem wissenschaftlichen Interesse, das bereits zu Schulzeiten erwachte. An
der Volksschule und dem Staatsgymnasium in Ried i. I. fand er zwischen
1912 und 1925 Mentoren, die seinen Wissensdurst früh erkannten und för-
derten. Noch 1976 dankte er in einer Ansprache seinem ehemaligen
Deutsch-Professor Dr. Anton Ritter von Avanzini.9 Dieser begeisterte ihn
gleichermaßen für „germanische“ Altertums- und Volkskunde. Er war es,
der ihn „mit dem künstlerisch wie wissenschaftlich gleichbegabten, heute
aber leider beinahe vergessenen Hugo von Preen auf Osternberg und mit
dem als Moosforscher berühmt gewordenen Innsbrucker Professor Dr.
Gams bekannt gemacht hat“, die ihm schon in seiner Mittelschulzeit erlaub-
ten, „sie ab und zu bei ihren Ausgrabungen und Bodenproben im oberen
Innviertel zu begleiten“.10
Über seine Jugendjahre erfährt man relativ wenig. Sowohl die Literatur
als auch sein Nachlass hüllen einen Mantel des Schweigens um dieselbe. In
einem Brief vom 2. Februar 1978 erinnerte sich Burgstaller allerdings an
seine Zeit bei den „Wandervögeln“: „Damals ging es um tiefgreifende Aus-
einandersetzungen zw. uns Wandervögeln und dem sogen. Freideutschen
Bund, die von dieser Gruppe in auffallend häßlich-politischer Weise geführt
wurden.“11 Indem der Österreichische Wandervogel (ÖWV) dem bourgeoi-
sen Denken der Monarchie ablehnend gegenüberstand und politisch
deutschnational orientiert war,12 dürfte er gleichsam dessen soziopolitische
8 In memoriam Ernst Burgstaller. Bio- und Bibliographie. Als Festgabe zu seinem
90. Geburtstag zusammengestellt von ehemaligen Hörerinnen und Hörern redigiert von
Dr. Josefa Burgstaller. Hg. v. Hermann Eiselen (Linz 2001) 8
9 Kurt Holter – Siegfried Lehmann, Univ.-Prof. Ernst Burgstaller 70 Jahre. In: Jahrbuch des
Oberösterreichischen Musealvereins 121 (1976) 25
10 Ebd.
11 OÖLA, Nachlass Burgstaller, Sch. 88: Brief Burgstaller an Richthofen (2.1.1978)
12 Andreas Gärtner, Der Österreichischen Wandervogel. Geschichte (bis 1918) und Charak-
terisierung unter Berücksichtigung der Entwicklung im Deutschen Reich und jener der Orts-
gruppe Salzburg (Dipl.arbeit Univ. Salzburg 1995) 110 ff. Vgl. Gerhard Ziemer – Hans Wolf,
Wandervogel und freideutsche Jugend (Bad Godesberg 1961). Vgl. Mit uns zieht die neue