48 Gerhard Gaigg
ein Symbol des Aufstiegs des nationalsozialistischen Deutschland aus der
Nachkriegsnot sah.
Mit dem Zweiten Weltkrieg beginnt eine neue Phase in der Umformung
des Weihnachtsfestes. Nicht nur, dass die Feiern selbst unter den Einschrän-
kungen und der Sorge um die Angehörigen im Felde litten. Kriegsweihnacht
ist Volksweihnacht. „Lasst uns bedenken, dass der Bolschewismus das
Weihnachtsfest ausgerottet und das der Amerikanismus es zu einem Rummel
mit Jazz und Barbetrieb verunstaltet hat, dann wissen wir, dass wir gerade
im Kriege Weihnachten begehen müssen, denn auch dafür, dass wir dieses
Fest behalten, stehen unsere Soldaten Wacht“ heißt es 1944. Der Einbezie-
hung und Ehrung der Gefallenen wird nunmehr breitester Raum gewidmet,
Weihnachten zum Fest der altgermanischen Sippengemeinschaft, die ihrer
Toten und deren unsterblichen Tatenruhmes gedenkt, hochstilisiert. Weih-
nachten 1944, also zu einer Zeit, als die alliierten Truppen die Grenzen des
zerstörten Deutschlands erreicht und überschritten hatten, wird bei der
„Deutschesten Weihnacht in diesem Krieg“ die Wintersonnenwende als
Symbol für die Unbesiegbarkeit und die Wende des Kriegsglückes bemüht.
Diese Umwandlung nicht nur des Weihnachtsfestes, sondern auch ande-
rer Bräuche blieb freilich nur die Wunschvorstellung, wie sie in Publikatio-
nen und den zahlreichen Schulungsunterlagen veröffentlicht wurde. In der
Praxis wurden größere Bevölkerungsschichten nur kaum und oberflächlich
erfasst. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die beharrenden Elemente, vor al-
lem in der ländlichen Bevölkerung stärker als angenommen, und auch die
kurze Zeitspanne der Umsetzung, in Österreich noch dazu großteils durch
den Weltkrieg geprägt, sind dafür verantwortlich. Nach dem Ende des Nati-
onalsozialismus blieb nur wenig über. Symbole, die spezielle Inszenierung
und alles, was ganz klar nationalsozialistisch war, verschwand sofort. Am
ehesten blieben noch Vorstellungen von der germanischen Kulturtradition
bis in die Gegenwart erhalten. Der Aufbau eines neuen Österreichbewusst-
seins, welches nun nicht mehr so sehr den deutschen Charakter betonte, trug
mit dazu bei, dass wieder unpolitische Kulturarbeit geleistet werden konnte
und kann.12
12 Gaigg, Deutsche Weihnachten 179-199