Die Vereinnahmung des Brauchtums durch den Nationalsozialismus 43
schen Quellen verknüpft. Während man jedoch in der frühen Forschung
noch um Wissenschaftlichkeit im Rahmen der damaligen Erkenntnisse be-
müht war, waren im Nationalsozialismus die Ergebnisse vorgegeben, und die
Tatsachen wurden daran angepasst, um nicht zu sagen zurechtgebogen und
manipuliert. Je mehr man diese Vorstellung eines idealisierten, bäuerlich
sesshaften und in Sippen gegliederten Germanentums propagierte, desto
notwendiger wurde die Untermauerung dieser Anschauung durch entspre-
chende Erkenntnisse.
So wurde etwa die amerikanische Herkunft des Muttertages schlichtweg
geleugnet und als skandinavisch umgedeutet, die damit verbundene Kom-
merzialisierung, die zu seiner Ausbreitung in Deutschland seit 1922 beige-
tragen hatte, als jüdische Geschäftemacherei abqualifiziert und in einem be-
völkerungspolitischen und rassenideologischen Sinn mit der Verleihung des
Mutterkreuzes neu besetzt.
Natürlich blieb auch der politische Feiertag schlechthin, der 1. Mai, nicht
von politischer Einflussnahme verschont. Der erste Mai war von der zweiten
sozialistischen Internationale 1889 als „Tag der Arbeit“ beschlossen worden.
1919 wurde er in Österreich zum Feiertag erhoben und wurde bis 1933 als
Arbeiterfeiertag mit Aufmärschen und den damals üblichen Massenveran-
staltungen, an denen die verschiedensten Arbeitervereine mitwirkten, began-
gen. 1934 trat am 1. Mai die neue ständestaatliche Verfassung in Kraft, und
der Tag wurde als Staatsfeiertag mit Ständeumzügen begangen. Das Datum
wurde, wie Dollfuß in einer Rundfunkrede ausführte, ganz bewusst gewählt,
„weil der 1. Mai, der Träger der Symbole der erwachenden und erwachten
Natur, auch gleichzeitig der Tag der Jugend ist, als Tag der Arbeit gilt und
den Beginn des der Muttergottes geweihten Monats kündet. Der neue Staats-
feiertag am 1. Mai soll die Freude der Jugend und an der Jugend wiederbrin-
gen. Der zum Kampftag proletarischen Klassenwahns erniedrigte 1. Mai soll
wieder zum Tag aller Arbeiter werden“. Also auch hier eine Vereinnahmung
und Verbindung mit anderen Motiven, etwa der erwachenden Natur, und
natürlich mit katholischen Glaubenselementen. In den gewissen Grundzügen
blieb aber die politische Ausrichtung bestehen. Das neue Konzept konnte
jedoch nur wenige überzeugen. Die Feierlichkeiten wurden praktisch nur
von Anhängern des Ständestaates bzw. „Zwangsverpflichteten“ besucht.
Der Nationalsozialismus ging weiter. Nicht nur, dass der Begriff der „Ar-
beit“ nun weiter gesehen wurde und in der Vorstellung der Volksgemein-
schaft keine Unterschiede zwischen den einzelnen schaffenden Gruppen
gemacht wurde, versuchte man auch, die politischen, profanen Wurzeln zu
verdecken und durch die Einbeziehung von Maibäumen und anderen lokalen
Brauchelementen eine Kontinuität zu schaffen und die Maifeier als altes ger-
manisches Fest darzustellen. So schrieb die oö. Bauernzeitung über den
1. Mai 1938: „Maibäume haben vom alten Brauchtum gesprochen, das durch