Volltext: Mitteilungen des Oberösterreichischen Landesarchivs Nr. 23 (Nr. 23 / 2013)

Die Vereinnahmung des Brauchtums durch den Nationalsozialismus 41 Überwindung des Klassendenkens und den Abbau bisheriger soziokultureller Strukturen. Ziel war die Schaffung einer „Volksgemeinschaft“, in der nicht das einzelne Individuum oder eine soziale Gruppe zählte, sondern nur der Einsatz aller für das übergeordnete „Volksganze“. Am besten sichtbar ge- macht in der Wehrmacht, wo die „Arbeiter der Faust und der Stirn“ gemein- sam marschieren. Im kulturellen Bereich steht für diese Intention der Begriff der natio- nalsozialistischen „Volkskultur“. Volkskultur bedeutete nicht, wie etwa heu- te üblich, eine sich aus der Tradition entwickelnde, regional geprägte Kultur, sondern war Ausdruck der „Volksgemeinschaft“. Unterschiedliche Klassifi- zierungen wie Hochkultur, Arbeiterkultur oder bäuerliche Kultur und die Einteilung in kulturelle Epochen zu Gunsten einer nach Völkern und Rassen definierten Kultur wurden aufgegeben bzw. zurückgedrängt. Kultur, welcher Form auch immer, war Ausdruck des gesamten deutschen Volkes, des Deutschtums, herausragende Leistungen Einzelner waren nicht individuelle Leistungen, sondern wurzelten in der gemeinschaftlichen „Volkskultur“, wa- ren primär deren Ausdruck und daher auch für jedermann zugänglich und verständlich zu machen. Basis der Volkskultur war die germanisch-nordische Rasse, die sich nach nationalsozialistischer Anschauung nicht nur in biologischen Merkmalen, sondern auch in geistig-kulturellen Formen äußerte. Analog zur rein biologi- schen Rassentheorie galt auch die Kultur als im Laufe der Zeit von fremden Einflüssen überlagert, verfälscht und bedroht. Als hauptverantwortlich dafür galt einerseits das Christentum, das im Zuge der Christianisierung und wäh- rend der Gegenreformation germanisches Gedankengut umgedeutet hatte, andererseits modernistische Strömungen, die als „amerikanisch“, „bolsche- wistisch“ und vor allem als „jüdisch“ klassifiziert wurden. Im Vergleich mit den Verfremdungen durch das Christentum, durch die das Germanentum le- diglich überdeckt worden war, im Grunde aber weiter bestehen blieb und praktisch nur wieder freigelegt werden musste, galten die „amerikanisch- bzw. bolschewistisch-jüdischen“ Einflüsse als gefährlicher, da sie das Deut- sche nicht nur gänzlich zu verdrängen und ersetzen, sondern absichtlich zu zerstören versuchten. Verbunden damit war eine starke Wertung. Während dem deutschen Volk und der deutschen Kultur quasi eine göttliche Sendung attestiert wurde, wurde die Kultur anderer Völker zurückgestuft, ja diesen sogar abgespro- chen. Zur Verwirklichung der nationalsozialistischen Volkskultur galt es daher einerseits das Volkstum, wie es sich vor allem in traditionellen Kultur- formen, wie etwa Sage, Lied und natürlich den Bräuchen äußerte, zu fördern,
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