Erinnern und Gedenken in Oberösterreich 303
denkstätten – ein expliziter Bezug zu gegenwärtigen Diskussionen herge-
stellt wurde. Zwei Jahre zuvor, 2001, hatte bereits mit dem Zeitgeschichte
Museum Ebensee eine weitere zeitgeschichtliche Dauerausstellung in Ober-
österreich ihre Pforten geöffnet.
Einen wichtigen Impuls für die Diskussion über die Zeit des Nationalso-
zialismus und des Krieges brachte die so genannte „Wehrmachtsausstel-
lung“, die im Jahr 1995 in Linz gastierte und von einer regen Debatte in den
Medien und bei Veranstaltungen begleitet war. Das Thema Wehrmacht,
„Pflichterfüllung“ und Verweigerung konnte in Oberösterreich auch nicht
getrennt von der Auseinandersetzung um das Handeln eines Franz Jägerstät-
ters geführt werden. Die 1990er Jahre stellten im Hinblick auf seine Würdi-
gung ohne Zweifel einen Durchbruch dar. 1993 wurde sein ehemaliges
Wohnhaus im Beisein von Spitzen der Landespolitik als Gedenkstätte ein-
geweiht, 1997 folgten eine Gedenktafel im Ursulinenhof und die Einleitung
des Seligsprechungsverfahrens, welches zehn Jahre später mit der Seligspre-
chung im Linzer Dom erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Ab der Jahrtausendwende sollte es zu einem regelrechten Boom bei den
wissenschaftlichen Arbeiten und Publikationen zur NS-Zeit in Oberöster-
reich kommen. Das Land Oberösterreich beschloss im Jahr 2001 ein Groß-
projekt zur Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in Oberös-
terreich, dessen Ergebnisse in zwölf Bänden publiziert wurden.
Die wohl hervorstechendste Tendenz der Jahre nach der Jahrtausendwen-
de ist die zunehmende „Rückholung“ der Jahre des Nationalsozialismus und
ihrer Opfer in die lokale und regionale Geschichtsschreibung und Gedenk-
kultur. Mehr und mehr Ortschroniken, lokalgeschichtliche Abhandlungen
oder Erinnerungsprojekte widmeten sich diesen, bis dahin zumeist „weißen
Flecken“ der örtlichen Geschichte. In einigen Gemeinden entstanden in der
Folge Mahnmale für die verfolgten oder ermordeten Menschen, teilweise
wurden so genannte „Stolpersteine“ verlegt, Erinnerungswege angelegt oder
Filmdokumentationen verfasst. „Verschüttete Räume“ der Regionalge-
schichte, wie sich ein Teil der Ausstellung im Landesmuseum nennt, der sich
der Geschichte der Sinti und Juden/Jüdinnen in Oberösterreich widmet,
konnten in vielen Teilen Oberösterreichs in den letzten Jahren freigelegt
werden.
Das Thema Gedenken und Erinnern verlor seit den 1990er Jahren viel
von seiner früheren politischen Brisanz. Die Frage der Aufarbeitung ist größ-
tenteils entpolitisiert – nur mehr in wenigen Bereichen wie dem Umgang mit
Straßennamen, die auf politisch belastete Personen zurückgehen, oder mit
den Wohnbauten aus der NS-Zeit kam es noch zu nennenswerten Diskussio-
nen. Zumindest an den Orten des Terrors existieren mittlerweile überall Er-
innerungszeichen. Die neue Erinnerungskultur scheint im gesellschaftlichen