Erinnern und Gedenken in Oberösterreich 301
Kammerstätters Methode der „oral history“, die zu dieser Zeit erst Eingang
in den österreichischen Wissenschaftsbetrieb finden sollte und mit der er
hunderte Personen in Oberösterreich interviewte, brachte ihm auch Aner-
kennung aus akademischen Kreisen.
Aber bei weitem nicht nur der politisch links stehende Widerstand in
Oberösterreich wurde in den 1970ern verstärkt beforscht, auch der Wider-
stand aus dem katholischen Lager in Oberösterreich erfuhr neue Beachtung
und fand Eingang in zahlreiche Publikationen. Ende der 1970er waren au-
ßerdem neue Versuche – auch von Seiten der Amtskirche – zu beobachten,
ein würdiges Gedenken an Franz Jägerstätter zu initiieren. Durch den Amts-
antritt von Bischofs Aichern zu Beginn der 1980er Jahre und die Tätigkeit
von Jägerstätters späterer Biografin Erna Putz sollten die Bemühungen um
sein Andenken eine neue Dynamik erhalten.
Waren bereits in den 1970ern Arbeiten zum Todesmarsch der Juden in
Oberösterreich und zu den Morden in Schloss Hartheim erschienen, so
brachten die 1980er Jahre eine weitere Verbreiterung des Gedenkens, so-
wohl in Bezug auf die Opfergruppen als auch in regionaler Hinsicht. Ein
nicht zu unterschätzender Faktor war dabei die Publikation des Bandes „Wi-
derstand und Verfolgung in Oberösterreich 1934 – 1945“ im Jahr 1982. Die
1980er Jahre waren aber vor allem geprägt von in Initiativen und Basisgrup-
pen engagierten AktivistInnen, zumeist aus dem alternativen, politisch lin-
ken Bereich, die wie in anderen Bereichen der Gesellschaft auch auf dem
Gebiet der Erinnerungskultur Veränderungen erzielen wollten. Hinzu kamen
junge WissenschafterInnen an Universitäten und Forschungseinrichtungen
sowie eine neue Generation von (Lokal-)PolitikerInnen, die nicht mehr in
den Konfliktlinien und dominanten Denkhaltungen der Nachkriegsjahrzehn-
te verwurzelt waren bzw. auf diese keine Rücksicht mehr nehmen wollten
oder mussten. Wichtig war außerdem die sich in den 1980ern verbessernde
Situation im Hinblick auf die Zugänglichkeit der archivalischen Unterlagen.
Viele Forschungen waren bis dahin durch die Unzugänglichkeit bzw. die
geltenden Sperrfristen verhindert oder erschwert worden.
Zusammen mit der Diskussion rund um die Präsidentschaftskandidatur
von Kurt Waldheim sollte es in den 1980ern zu einem Paradigmenwechsel
im Umgang mit der NS-Vergangenheit kommen, der sich vor allem mit dem
„Bedenkjahr“ 1988 – aber auch bereits zuvor – in einer Vielzahl von Initiati-
ven im Bereich des Erinnerns und Gedenkens niederschlug. Dieser Paradig-
menwechsel lässt sich für Oberösterreich schon in rein quantitativer Hin-
sicht, was die Denk- und Mahnmalserrichtungen, die Benennung von Ver-
kehrsflächen oder die Veröffentlichung von Büchern betrifft, nachweisen.
Verstärkt sollten nun die Außenlager in Oberösterreich, wie z. B. das KZ
Ebensee, in die Erinnerungskultur miteinbezogen werden. Ebenso bildeten
sich Initiativen – vor allem aus dem Bereich der Behinderten- und Psychiat-