Erinnern und Gedenken in Oberösterreich 299
dort Mahnmale oder setzten andere Zeichen des Erinnerns. Oftmals waren
sie bestürzt über die Verhältnisse an diesen Orten, was sie in Beschwerden
oder auch mittels diplomatischer Interventionen ihrer Heimatländer zum
Ausdruck brachten. Die Vernachlässigung der ehemaligen Außenlager und
die Konzentration des Gedenkens auf die Gedenkstätte in Mauthausen waren
Teil des Zentralisierungskonzepts der österreichischen Politik, auch die Lan-
despolitik unterstützte diese Strategie. Nicht zuletzt erfolgte die Auflösung
von zahlreichen Opferfriedhöfen in Oberösterreich und die Umbettung der
Leichen nach Mauthausen im Rahmen dieser Zentralisierung des Gedenkens.
Der Nachkriegsgesellschaft kam diese „Exterritorialisierung“ der Verbre-
chen, die „Loslösung der Geschichte von ihren Stätten, von ihrer Verqui-
ckung mit der Normalität des Alltags“474 sehr entgegen.
In den 1960ern kam es zu einer gewissen „Entspannung“, einem „Tau-
wetter“ auf dem Gebiet der Vergangenheitsbewältigung. Die aufkommende
Zeitgeschichtsforschung in Österreich führte zusammen mit einem sich ver-
ändernden innen- und außenpolitischen Klima zu neuen Impulsen im Be-
reich der Aufarbeitung der NS-Zeit und des Gedenkens. Vor allem rund um
den 20. Jahrestag der Befreiung wurde dies sichtbar. Die Stadt Linz beschäf-
tigte sich Mitte der 1960er Jahre erstmals wissenschaftlich mit der NS-Zeit
und setzte nach langem wieder Erinnerungszeichen für die Opfer im öffent-
lichen Raum. 1965 beteiligten sich auch wieder Regierungsvertreter an der
Gedenkfeier in Mauthausen. 1970 nahmen schließlich Bundeskanzler Kreis-
ky und Kardinal König an den Feierlichkeiten teil, und das Museum mit
seiner Ausstellung wurde eröffnet. Diese Ausstellung in Mauthausen sollte
lange Zeit – zusammen mit jener im DÖW in Wien – die einzige Daueraus-
stellung zur NS-Zeit in Österreich sein. Das Jahr 1970 markierte auch end-
gültig die „Rückholung“ des KZ Mauthausen in die Erinnerungskultur –
zumindest des offiziellen Österreich. In der Folge sollte Mauthausen zur
wichtigsten Bildungsstätte in Bezug auf die Geschichte des Nationalsozia-
lismus in Österreich werden.
Die Mehrzahl der Akzente in Oberösterreich kam jedoch auch in dieser
Zeit von ausländischen Organisationen. So konnte die Gedenkstätte in Gusen
nur durch hartnäckige Bemühungen italienischer und französischer Verbän-
de, entgegen dem Zentralisierungskonzept der österreichischen Verantwort-
lichen, eingerichtet werden. Ein 1965 in den USA und 1967 auf Deutsch
erschienenes Buch zu Franz Jägerstätter brach – zumindest ansatzweise –
auch das Schweigen zu seiner Person. 1971 sollte das Schicksal Jägerstätters
durch Axel Cortis Verfilmung, die im ORF ausgestrahlt wurde und hohe
Quoten erzielte, der breiten Öffentlichkeit in Österreich bekannt werden. Auf
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