Erinnern und Gedenken in Oberösterreich 295
in diesen Orten waren dabei durchwegs positiv. ZeitzeugInnen erzählten von
ihren überwiegend positiven Erlebnissen und holten Bilder hervor – zumeist
Erstkommunionsbilder, auf denen ein Sinti-Kind zu sehen war, das sich
durch die Hautfarbe etwas von den anderen Kindern abhob. Symptomatisch
für den Umgang mit den während der NS-Zeit nahezu zur Gänze ausge-
löschten Sinti-Familien ist jedoch die Aussage vieler ZeitzeugInnen: „Auf
einmal waren sie weg!“468
Die erwähnten Projekte im lokalen ländlichen Umfeld konnten in An-
spruch nehmen, dass sie einen wichtigen Teil zur Zurückholung der Sinti in
das öffentliche Bewusstsein leisteten und nicht zuletzt auch Klarheit um das
nebulöse Verschwinden dieser „etwas anderen“ MitbürgerInnen schufen
bzw. dieses in die rassistische Vernichtungspolitik der Nationalsozialisten
einordneten.
Eine umfassende Geschichte der „Zigeuner“ in Oberösterreich wurde
schließlich im Jahr 2010 in der vom Oö. Landesarchiv herausgegebenen
Reihe „Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus“ publiziert.469 Das
Buch wurde im Beisein von Gitta Martl vom Verein Ketani sowie von Lan-
deshauptmann Dr. Pühringer präsentiert, was nicht zuletzt als politisches
Signal gegenüber dieser lange Zeit marginalisierten Gruppe gesehen werden
kann. Pühringer betonte bei der Präsentation den Wert der Aufarbeitung der
Vergangenheit für ein „respektvolles Miteinander, […] gleichberechtigte
Akzeptanz, [und] gesellschaftliches Lernen“. Nicht zuletzt ging er auf die
Rolle ein, die Oberösterreich und seine BewohnerInnen bei der Verfolgung
der „Zigeuner“ gespielt hatten: „Ein Land, das die beinahe völlige Auslö-
schung seiner Minderheiten nicht nur erlebt hat, sondern daran auch beteiligt
war, muss in diesen Fragen besonders aufmerksam und sorgfältig sein.“470
Die Eröffnung des „Verschütteten Raumes“ im November 2011 im
Schlossmuseum Linz knüpfte an die geschilderte Integration „vergessener“
Gruppen in die oberösterreichische Erinnerungskultur an. Dieses Projekt
versucht, zwei über Jahrhunderte in Oberösterreich ansässige Gruppen – die
jüdische Bevölkerung sowie Sinti und Roma – wieder in die „offizielle“
Darstellung der Landesgeschichte (zurück) zu holen.471 In einem Raum, der
467 Vgl. http://www.buchkirchen.at/system/web/sonderseite.aspx?menuonr=218575998&
detailonr= 218575998 (aufgerufen am 26.7.2012); Impuls. Gemeindezeitung Buchkirchen
Dez. 2008/Jän. 2009
468 http://exo200.blogspot.co.at/2009/10/die-rosenfels-eine-familie-aus-weng.html (aufgeru-
fen am 25.7.2012)
469 Florian Freund, Oberösterreich und die „Zigeuner“. Politik gegen eine Minderheit im 19.
und 20. Jahrhundert (Oberösterreich in der Zeit des Nationalsozialismus 10, Linz 2010)
470 http://www.land-oberoesterreich.gv.at/cps/rde/xchg/SID-DAD4812E-4A52C584/ooe/hs.
xsl/97845_DEU_HTML.htm#Sub Oberdonau1562010 (aufgerufen am 25.7.2012)
471 Kuratiert wurde die Ausstellung von Birgit Kirchmayr und Ludwig Laher.