Heimatforschung 151
deutsche Volksempfinden“30. Gleichzeitig war Depiny bewusst, dass dieses
starke Engagement der Innviertler Heimatforschung nicht auf Kosten des
Zusammenhalts und Zusammenwachsens der Szene innerhalb Oberöster-
reichs gehen durfte.31
Heimatforschung war für Depiny, alleine schon kraft seiner diversen Äm-
ter, nie reiner Selbstzweck, ihm war es immer ein Anliegen, den Heimat-
schutzgedanken zu entwickeln und pädagogisch zu wirken. Methodisch ge-
sehen ist Depiny kein ‚typischer‘ Heimatforscher wie wir ihn heute kennen,
mit historischem Interesse und dem Hang zum schriftlichen Quellenstudium.
Depiny ist Volkskundler, Begründer bzw. Brennpunkt dieser Disziplin in
Oberösterreich des beginnenden 20. Jahrhunderts. Er plädierte für den Be-
ginn einer intensiven volkskundlichen Sammeltätigkeit, für das Einrichten
von Heimatarchiven und -museen, leitete die Erhebungen zum deutschen
Volkskunde-Atlas im Land, veröffentlichte das Standardwerk „Oberösterrei-
chisches Sagenbuch“.32 Anfang der 1930er Jahre reizte es ihn auch „volks-
psychologische Erfahrungen ins Rollen zu bringen“,33 also die positiven und
negativen Eigenschaften des Volkscharakters zu beschreiben, und er veröf-
fentlichte – unter dem Pseudonym Franz Angerer – einen Artikel über das
Wesen des „unteren Mühlviertlers“.34
Mit Depiny, also in der Ersten Republik, wurzelt aber nicht nur die Hei-
matforschung in unserem Land und die Volkskunde, sondern auch das
Volksbildungswesen, für dessen Aufbau er ja primär berufen und bezahlt
wurde. Zu dieser Agenda gab es in den ersten 1920er Jahren eine organisato-
rische und personelle Doppelgleisigkeit in Oberösterreich. Neben Adalbert
Depiny arbeitete der Direktor des Linzer Realgymnasiums und in Ried im
Innkreis stark engagierte Heimatforscher Wilhelm Gärtner.35 Beide waren
Landesreferenten für das Volksbildungswesen. Im Hintergrund dürften eini-
ge politische Rädchen gelaufen sein, die letztlich das Ergebnis produzierten,
dass Depiny, der einen Zugang zu den Christlich-Sozialen hatte, alleine ab
1924 tätig war und sich Gärtner zurückzog.36
30 Ebd. 2-5
31 Depiny, Braunauer Tage 46
32 Commenda, Depiny 155
33 OÖLA, Nachlass Grüll, Sch. 2: Korrespondenz Depiny
34 Franz Angerer, Vom Volkscharakter des unteren Mühlviertels. In: Heimatgaue 12. Jg.
(1931) H. 1, 89-92. Jener sei übrigens „innerlich gesund und lebensstark“. Weiters ist die Re-
de von „Bildungsscheu und ungesundem Konservativismus“, gleichzeitig aber auch von
einem“ hohen Grad an Sittlichkeit und einem freundlichen Wesen“. 1936 legte er einen Bei-
trag über den Innviertler nach. Vgl. Franz Angerer, Vom Volkscharakter im mittleren Innvier-
tel. In: Heimatgaue 17. Jg. (1936) 108-116
35 Ernst Wenisch, Wilhelm Gärtner und die Neuanfänge der Volksbildung in Oberösterreich
nach dem Ersten Weltkrieg. In: Oö Heimatblätter 35. Jg. (1981) H. 1/2, 86-98
36 Dostal, Menschen 22 f.