Volltext: Die Entwicklung der Stadt Wels nach Norden (2. / 1926)

96 Die Entwicklung der Stadt Wels nach Norden. 
der Kaiserin Maria Theresia, an den geistigen Augen der Zuhörer 
vorüber. „Am 20. November 1780", so sagte der Redner weiter, 
„war Maria Theresia tot und Josef war trostlos, aber nicht kraftlos 
und nicht tatenlos. Nun war er ganz allein Herrscher, er wollte 
herrschen, beherrschen alles. Das war zu viel Liebe für das Volk, 
das war zu viel Herrscherliebe, das war eine erdrückende Liebe. Und 
weil ihm die Religion so hoch galt, weil er selbst überzeugt war, daß 
ohne Religion kein Völkerglück möglich sei, darum kettete er jetzt die 
Religion an den Staat, Religion wurde ihm Objekt und Mittel der 
Regierung. Nichts schätzte er höher als die Seelsorge. Unter seiner 
Mutter schon hatte das großartige Werk der Pfarregnlieruug tie-' 
gönnen; nach fünfzehnjähriger Arbeit, mit dem 6. März 1784, war 
es erledigt, vollendet auf dem Papier. Nun hören Sie, wie Kaiser 
Josef für Seelsorge sorgen wollte. In Oberösterreich allein wurden 
122 neue Seelsorgestationen errichtet, dazu 66 neue Koopemtoren- 
posten. Und dazu sollten 13 Kirchen von Grund aus auf einmal 
gebaut werden. 
Ach, wir müssen wohl gestehen: Wie all den großen Werken 
und Gedanken des Kaisers, so haftet auch diesem wiederum der 
charakteristische Mangel an: Mangel an Vorsicht und Mäßigung. 
Aber das eine müssen wir sagen: Wer wollte einem solchen Kaiser 
zürnen, der solchen Uebereifer hat? Wir können nur wünschen, daß 
alle Mächtigen dieser Erde nur etwas hätten von diesem Ueber¬ 
eifer, aber — ohne Jofefinismus! 
Woher sollten nun die unendlichen Kosten der Pfarregulieruug 
bestritten werden? Ans den Klöstern. Aus den Klöstern heraus die 
Leute, ans den Klöstern das Geld! Dazu sollten außerdem noch 
aufgehoben werden die Bruderschaften und die einfachen, d. h. nicht 
mit Seelsorge verbundenen Benefizien. Alles nur für die Seelsorge. 
Schon 1782 hatte Josef die Klöster der beschaulichen Orden auf¬ 
gehoben, dazu die „Dritten Orden" und die Eremiten oder Wald- 
brüder. Daß das nicht im entferntesten auch nur in Betracht kommen 
konnte zur Bedeckung der neuen Kosten, ist klar. Und drum verfügte 
Josef sogleich mit der Pfarr-Errichtung auch die Aufhebung von 
18 Männerklöstern und den einfachen Benefizien. Aber das dürfen 
wir nie vergessen: Josef wollte vom Kirchenvermögen nicht einen 
Kreuzer einziehen, nicht einen Kreuzer vielleicht für einen 
Staatszweck. 
Ju Wels wurden, nach den weiteren Ausführungen des Redners, 
das Minvriten- und das Kapuzinerkloster aufgehoben und wurde der 
Gottesdienst in der St.-Georgs-Kapelle und in der Spitalkirche zur 
heiligen Elisabeth eingestellt. Errichtet wurde aber die Vorstadtpfarre, 
wozu nebst der Kirche und dem Kloster der Kapuziner auch das ehe¬ 
malige Hohenfeldfche Benefizinm verwendet wurde. 
Nachdem der Redner diese die Stadt Wels betreffenden Ver¬ 
änderungen ausführlich besprochen, kehrte er wieder zu den Plänen
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.