Das Seebeuterecht.
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der Grundsatz aufgenommen wurde, der für den Landkrieg längst durch-
geführtwar: das Beuterecht allen einzelnenAngehörigen des krieg
führenden Staates zu nehmen, um es ausschließlich in die
Hände des Staates zu legen. Während im Landkriege die Aneig
nung privaten Eigentums, sei es auch nur aus Laune oder bei günstiger
Gelegenheit, bereits als Plünderung angesehen und bestraft wurde, blieb man
noch lange dabei, diese selbe Räuberei, die man zu Lande verachtete, zur
See beizubehalten, ja staatlicherseits zu pflegen. Bis in die Mitte des
19. Jahrhunderts hinein wurde im Seekriege systematischer Raub an dem
Privateigentum feindlicher Kaufleute geübt. Des eigentlichen Seeraubes
allerdings, der solchen Diebstahl in völlig ungeregelten Formen trieb, schämte
man sich bereits. Selbst in England duldete man ihn nicht mehr — um
so weniger, als es in der Natur des Korsarentums liegt, zwischen Freund
und Feind nicht eben allzu genauen Unterschied zu machen. Die methodische
Beraubung feindlicher Schiffsgüter aber betrieb man nicht nur durch Kriegs
schiffe, sondern durch eine möglichst große Zahl von Kaperschiffen, die
zunächst nicht einmal von verantwortlichen Seeoffizieren geleitet waren. Viel
mehr wurden sie von Kaufleuten ausgerüstet, die auf eigene Rechnung und
Gefahr auf Raub ausgingen, nachdem sie sich durch die Erwerbung eines
Kaperbriefes die staatliche Erlaubnis dazu erkauft hatten.
Der Beseitigung der Kaperei hat England Menschenalter hindurch, wie
jedem Fortschritt des Seekriegsrechts, hartnäckigen Widerstand geleistet —
bis es sich 1856 der einmütigen Verurteilung der Kaperei durch die Völker
gemeinschaft nicht mehr widersetzen konnte. Den Zwillingsbruder der Kaperei
jedoch, das Seebeuterecht, hat es weiter an seinem Busen genährt — bis
dieses ungeratene Kind nun der eigenen Mutter fühlbare Wunden beibringt,
die in der alten Dame wohl andere Begriffe davon aufkommen lassen werden.
Die Kaperei.
Kaperei ist nicht sowohl organisierter als vom Staate genehmigter
Seeraub. Sie besteht in dem Unternehmen von Privatleuten, die nach
Ausrüstung feindlicher Fahrzeuge zu Kaperschiffen die auf dem Meere
schwimmenden Güter von Kaufleuten des feindlichen Staates zu rauben
suchen, wozu sie sich der Autorisierung der kriegführenden Macht durch einen
Kaperbrief bedienen. Das Völkerrecht hat die Kaperei bis zum Jahre 1856
geduldet, weil einige Staaten, insbesondere England, erklärten, sie nicht ent
behren zu können, um den feindlichen Seehandel zu schädigen und den „un
erlaubten" Seehandelsbetrieb Neutraler einzuschränken.
Den Namen „Kaperschiffe" leitet man davon ab, daß holländische Ost
indienfahrer, die „zum Kap fuhren", sich lebhaft an^dem Kampf beteiligten,
der im 17. Jahrhundert von den Seeräuberschiffen aller Nationen gegen die
Spanier geführt wurde. Während in den Meeren Westindiens die Flibustier