Der Mißbrauch fremder Flaggen durch England.
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seines Schiffes, nagelt eine Flagge mit dem Kreuz an seinen Mast und segelt zu den Enden
der Erde, in Grund bohrend, verbrennend und vernichtend alle, die ihm die Herrschaft über
die Meere streitig machen. Er rühmt sich, daß ein Sklave frei sei in dem Augenblick, in dem
sein Fuß britische Erde berühre; und er verkauft die Kinder seiner Armen im Alter von sechs
Jahren, um sie in seinen Fabriken 16 Stunden im Tage fronen zu lassen ... Es gibt
nichts so Schlechtes oder so Gutes, was man nicht Engländer tun sehen
kann, — aber man w ird niemals einen Engländer im Unrecht finden.
Er tut alles aus Grundsatz. Er kämpft mit dir aus patriotischen Grundsätzen; er beraubt
dich aus geschäftlichen Grundsätzen; er unterjocht dich aus imperialistischen Grundsätzen; er
überschreit dich aus männlichen Grundsätzen; er tritt für seinen König ein aus loyalen Grund
sätzen und haut ihm den Kopf ab aus republikanischen Grundsätzen. Seine Parole ist stets
Pflicht; und er vergißt niemals, daß die Nation, die ihre Pflicht in Gegensatz zu ihrem In
teresse treten läßt, verloren ist."
In dem Krieg gegen Deutschland hat sich England z. B. einen schweren
Mißbrauch gegenüber dem amerikanischen Dampfer „Greenbriar"
zuschulden kommen lassen, der von Nordamerika mit Baumwolle nach Bremer
haven unterwegs war. Er wurde am 30. Dezember 1914 von einem eng
lischen Kreuzer angehalten, der ihm befahl, die amerikanische Flagge nieder
zuholen und an ihrer Stelle die englische zu setzen. Dann wurde er ge
zwungen, nach Kirkwall auf den Orkneyinseln zu fahren, was nach dem
Bericht des amerikanischen Kapitäns in einer Weise geschah, „die von ge
ringer Kenntnis der Navigation und minderwertiger Seemannschaft Zeugnis
ablegte". In Kirkwall angekommen, erklärte der Amerikaner, er werde die
Ueberführung nach Leith, die nun von ihm verlangt wurde, nicht übernehmen,
falls nicht die englische Flagge gestrichen und die amerikanische gesetzt würde.
Erst der englische Hafenkapitän entdeckte, was die Prisenoffiziere nicht zu
wissen schienen, daß die Niederholung der neutralen Flagge „ein Irrtum"
war. Tatsächlich durfte der englische Kreuzerkommandant zwar den Dampfer
als verdächtig anhalten und ihn auf hoher See oder in einem englischen
Hafen nach Konterbande durchsuchen, nicht aber die fremde Flagge durch die
eigene ersetzen.
Indessen ist dieser Fall unschuldig gegenüber dem Geheimerlaß der
britischen Admiralität, der am 31. Januar 1915 erging: „Wegen
Auftretens deutscher Unterseeboote im englischen und irischen Kanal sollen
sofort alle englischen Handelsschiffe neutrale Flaggen hissen und alle Ab
zeichen wie Reedereizeichen, Namen usw. verdecken. Hausfiaggen sind nicht
zu führen. Dieser Befehl ist geheim zu halten."
Die deutsche Regierung nahm in der Bekanntmachung des Chefs des
Admiralstabs der Marine v. Pohl im „Reichsanzeiger" vom 4. Februar 1915
unter Punkt 2 ausdrücklich auf diesen, von der britischen Regierung an
geordneten Mißbrauch neutraler Flaggen bezug. Die englische Presse er
klärte die Nachricht für unwahrscheinlich, wenn nicht für unwahr. Die
Admiralität aber schwieg. Am 7. Februar mußte der Flottenkorrespondent
der „Times" schreiben: