Volltext: Nr. 12 1933 (Nr. 12 1933)

Nr. 12 
Nachrichten 
Seite 5 
dieses Antrages bewilligte die Schiedskommission die 
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, hob die mit der 
Entscheidung vom 18. Oktober 1932 ausgesprochene 
Zurückweisung des Verlangens nach Ueberprüfung des 
Bescheides vom 24. August 1932 auf, bewilligte die Durch- 
führung einer die Ausübung der regelmäßigen Erwerbs- 
tätigkeit ausschließenden Heilbehandlung und sprach das 
Krankengeld z.U. 
Die Entscheidung ist schon deshalb rechtswidrig, weil 
die Schiedskommission nicht beachtet hat, daß der Antrag 
auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 148, 
Absatz 2 Z.-P.-O., innerhalb der Frist von vierzehn Tagen 
nach dem Wegsalle des die Versäumung verursachenden 
Hindernisses gestellt werden muß. Diese Frist ist, wie aus 
dem früher geschilderten Sachverhalte hervorgeht, längst 
verstrichen. Ueberdies liegt auch, wie vorhin dargelegt 
wurde, kein rechtlich anzuerkennender Grund für die 
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. 
Zu § 23. 
Wann fällt die doppelte Waisenrente an? 
Die am 14. März 1908 geborene Marie H o l z m a i e r 
hat nack) ihrem im Kriege gefallenen Vater die Waisen- 
rente in einer einem einfach verwaisten Kinde gebühren- 
den Höhe bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres be- 
zogen. 
Im September 1932 ersuchte Marie Holzmai er, 
ihr ab 1. Mai 1921 bis März 1926 die doppelte Waisen- 
rente (§ 25, b, I.-E.-G.) zuzuerkennen, weil ihre Mutter 
am 16. April 1921 gestorben sei. Die Schiedskommission 
wies das Ansuchen mit der Begründung ab, daß eine nach¬ 
trägliche Zuerkennung der Waisenrente dem Sinne und 
der Absicht des I.-E.-G. widerspreche, weil die Rente offen¬ 
kundig zum Zwecke der Deckung und Erleichterung des 
notwendigsten Unterhaltes der Waise diene. 
Die Ansicht der Schiedskommission ist nicht richtig. 
Der Anspruch auf Waisenrente ist rechtzeitig angemeldet 
worden und der Tod der Mutter bildete eine für die 
H ö h e des Rentenanspruches maßgebende Veränderung 
im Sinne des § 32 I.-E.-G. Gemäß Absatz 2 dieser Ge- 
setzesstelle hatte die Rentenerhöhung mit dem auf die Ver¬ 
änderung folgenden Monate einzutreten und es wäre 
Pflicht der Jnvaliden-Entschädigungs-Kommission ge- 
wesen, der der Tod der Mutter seinerzeit angezeigt worden 
war, die Neubemessung der Rente vorzunehmen. Dafür, 
daß die nachträgliche Auszahlung der Waisenrenten- 
betrüge, um die die Waise verkürzt worden ist, dem Sinne 
und der Absicht des I.-E.-G. widerspreche, ist im Gesetze 
kein Anhalt zu finden. Denn die Waisenrente gebührt 
ohne Rücksicht darauf, ob für den Unterhalt der Waise 
vielleicht auf andere Weife gesorgt ist, und nur wenn die 
Waise eigenes Einkommen besitzt, tritt allenfalls die 
Rentenkürzung nach § 29 I.-E.-G. ein. Durch die Weige¬ 
rung, die Waisenrente in der gebührenden Höhe nachträg¬ 
lich auszuzahlen, würde die Schiedskommission Verschwel- 
fiungsfolgen eintreten lassen, die im Gesetze nicht vorge- 
ehen sind. 
Gerechtfertigt wäre der Standpunkt der Schiedskom- 
Mission dann, wenn es sich um die nachträgliche Anerken¬ 
nung der Waisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus 
handelte, weil in diesem Falle ein Rechtsanspruch der 
Waise aus die Rente nicht mehr besteht. Bis zur Vol- 
lendung des 18. Lebensjahres hat die Waise den Rechts- 
anspruch auf die Rente in dem durch § 25 I.-E.-G. vor- 
geschriebenen Ausmaße und wird des Rechtsanspruches 
nicht dadurch verlustig, daß sie (ihr Vormund) sich um die 
Rente und ihr Ausmaß nicht kümmert. 
Zu § 43. 
Beiziehnng eines anderen Sachverständigen. 
Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Schieds- 
kommisflon den Krankengeldanspruch des Kriegsgefcha- 
digten abgewiesen, ohne dem bei der mündlichen Berhand- 
lung von seinem Vertreter gestellten Antrage auf Ver- 
tagung der Verhandlung zur Beiziehung eines Facharztes 
für Aalgenheilkunde Folge zu geben. 
Das ist rechtswidrig. Der Vertagungsantrag mußte 
als Begehren um neuerliche Begutachtung nach § 43, Ab- 
satz 3 I.-E.-G., aufgefaßt werden, von welchem Rechte der 
Anfpruchswerber im Verfahren noch keinen Gebrauch ge- 
macht hatte. Die Schiedskommission war wohl nicht ver- 
pflichtet, einen Facharzt für Augenheilkunde beizuziehen, 
da ja dem Anspruchswerber kein Recht auf Beiziehung 
eines bestimmten Sachverständigen zusteht, sie durfte aber 
den Antrag nicht deshalb abweisen, weil sie mit Rücksicht 
auf das schlüssige Gutachten des von Amts wegen einver¬ 
nommenen Sachverständigen der Ansicht war, daß auch 
eine neuerliche Begutachtung des Anspruchswerbers zu 
keinem anderen Ergebnisse fuhren werde. 
Zu § 26. 
Voraussetzungen für den Bezug der Elternrente. 
Die Anspruchswerberin hat am 25. November 1932 
um Gewährung der Elternrente nach ihren beiden ver- 
storbenen Söhnen Johann und Josef angesucht. Ersterer 
ist laut Eintragung in Rubrik 8 des Vordruckes am 
13. September 1918 in einem Feldspitale gestorben, als 
Beleg ist der vom Bundeskanzleramt am 23. November 
1932 ausgefertigte Totenschein erwähnt. Wann die An- 
spruchswerberin die Nachricht vom Tode dieses Sohnes er- 
halten hat, ist weder aus der Anmeldung, noch sonst aus 
dem Akte ersichtlich. Der zweite Sohn Josef ist laut Sin- 
tragung im Vordruck „A" am 27. Mai 1924 im Rainer- 
Spital in Wien gestorben, als Beleg ist der Totenschein 
der Seelsorge dieses Spitals vom 26. Juni 1924 ange- 
führt. Die Schiedskommission hat mit der angefochtenen 
Entscheidung das Begehren um Elternrente abgewiesen, 
da die Ansprüche nicht rechtzeitig, das ist im ersten Falle 
nicht bis 30. Mai 1922 und im zweiten Falle nicht inner- 
halb Jahresfrist nach Eintritt des Todes des Kriegsteil- 
nehmers angemeldet worden und die Bestimmungen des 
§ 39 I.-E.-G. über die Fristen für die Geltendmachung 
von Ansprüchen zwingend seien. 
Diese Entscheidung ist aus folgenden Gründen rechts- 
widrig: 
Räch der vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger 
Rechtssprechung vertretenen Rechtsanschauung ist die An- 
ordnung des §26, Absatz 4 I.-E.-G., nicht etwa als Sum¬ 
mierung zweier besonderer Ansprüche aufzufassen, sondern 
es können Eltern, die mehrere Kinder im Kriege verloren 
haben, den Anspruch auf Elternrente ans den Verlust des 
einen oder des anderen Kindes stützen und es gebührt 
ihnen die Elternrente dann in doppeltem Ausmaße, wenn 
erweislich ist, daß sie noch ein zweites Kind im ursächlichen 
Zusammenhange mit seiner Militärdienstleistung (§ 1 
I.-E.-G.) verloren haben. Es würde daher auch im vor- 
liegenden Falle vollkommen ausreichen, wenn erwiesen 
wäre, daß die Anspruchswerberin nach einem ihrer beiden 
Söhne Johann und Josef rechtzeitig den Anspruch auf 
Elternrente angemeldet hat. Daß auch der Tod des zweiten 
Sohnes auf eine im § i I.-E.-G. bezeichnete Ursache 
zurückzuführen ist, ist nur ein für die .Höhe der Eltern- 
rente maßgebender Umstand, eine zweite Anspruchsmel- 
dung wäre deswegen nicht erforderlich. Da Johann 
B l e ch a in einem Feldspitale gestorben ist, besteht aller-
	        
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