Volltext: Nr. 4 1931 (Nr. 4 1931)

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Nachrichten 
?!r. 4 
Dee Kampf um die xu. Novelle. 
Ake Anträge im Soziaivolitischen Ausschuß abgelchnt. — Die Kriegsopfer beim Bundeskanzler. 
— Jas „Sofort"-Programm des Zentralverbandes. 
Sofort nach Zufanunentritt des neugewählten Natio¬ 
nalrates haben die Abgeordneten Hölzl, Zelenka 
und Genossen einen Initiativantrag auf Novellierung des 
Invaliden - Entschädigung!; - Gesetzes, „XII. Novelle", ein- 
gebracht und bei den Beratungen über das Budget 1931 
haben die Abgeordneten S e v e r und H ö I z l im Finanz- 
und Budgetausschuß, letzterer auch im Plenum des Na- 
tionalrates, auf die Behandlung dieses Gesetzantrages 
gedrängt. Die Anträge wurden jedoch niedergestimmt. 
Der Sozialpolitische Ausschuß wurde für den 12. März 
einberufen und zum ersten Tagesordnungspunkt gelangte 
der Antrag Hölzl-Zelenka, betreffend die Novel- 
lierung des Invali'den-Entschädignngs-Gesetzes, zur Ber- 
Handlung. Abg. Hölzl schildert die schlechte Lage der 
Kriegsopfer Oesterreichs und verweist auf die Berfpre- 
(Hungen, die den Kriegsopfern während des Krieges ge- 
macht wurden, und schildert dann die traurige Wirklich- 
keit. Er bespricht sodann die Einzelheiten des sozialdemo- 
kratischen Antrages und vergleicht sie mit den Bestim- 
mungen des geltenden Gesetzes und tritt wärmstens für 
die Erfüllung der Forderungen der Kriegsopfer ein. 
In» Budgetausschuß und auch im Haufe wurde eine 
Entschließung betreffend die Nachsicht von der Friftver- 
säumnis bei verspäteter Anmeldung Kriegsbeschädigter 
angenommen. Eine solche Bestimmung enthält auch der 
zur Sprache gebrachte Antrag Hölzl, so daß mit der 
Beschlußfassung über die XII. Novelle dem Wunsche des 
Nationalrates entsprochen werden könnte. Der Bundes- 
minister für soziale Verwaltung, Dr. Nesch, wendet sich 
gegen den Antrag und begründet seine Stellungnahme 
damit, daß der Antrag eine Groß-Forderung darstelle, 
zu deren Erfüllung der Betrag von 46 bis 47Millionen 
Schilling erforderlich wäre. Diesen Betrag in der gegen- 
wärtigen Zeit aufzubringen, sei ein Ding der Unmöglich- 
keit. Er anerkenne, daß die Renten für die Teilrentner 
zu gering sind, und daß später, wenn es möglich ist, eine 
Aufwertung vorgenommen werden müßte. Was den § 30 
betrifft, so verhalte sich das Ministerium nicht ablehnend. 
Es dürfe sich aber nur um sehr einzuschränkende Aus- 
nahmefälle handeln. Er riet zum Schlüsse dem Ausschuß 
ab, in Spezialberatung des sozialdemokratischen Antrages 
einzugehen, da es unmöglich sei, eine Neubelastung zur 
Durchführung der XII. Novelle zu übernehmen. Der Be- 
richterstatter, Abg. Hölzl, wendet sich gegen die Aus- 
führungen des Ministers Dr. Nesch und begründet ein¬ 
gehend die in unserer Iänner-Nummer besprochenen For- 
derungen des Zentralverbandes und ersucht nochmals um 
Annahme der Anträge. 
Zu den weiteren Mitteilungen des Bundesministers 
Dr. Nesch, wonach er eventuell im Herbst eine Hilfsaktion 
für die Kriegsbeschädigten durchführen will, bemerkt Ab- 
geordneter Hölzl, daß diese Kleinaktion ein allerdings 
schwacher Trost für später ist. Die Kriegsopfer benötigen 
aber gerade jetzt in der Zeit der schwersten Wirtschaftsnot 
rasche und gründliche Hilfe. Wenn aber eine Notstands- 
aktion beabsichtigt ist, so sollte sie rasch erfolgen und nicht 
erst im Herbst. 
Keines der Ausschußmitglieder der bürgerlichen Par- 
teien — auch nicht Abg. Dr. Drexel — ergriffen das 
Wort. Der Antrag auf Eingehung in die Spezialdebatte 
wird abgelehnt, und damit war die Sache erledigt. 
Den Kriegsopfern wurde wieder nichts bewilligt, sie 
wurden wieder vertröstet auf spätere bessere Zeiten. 
Die Kriegsopfer beim Bundeskanzler. 
Die Tageszeitungen berichteten: 
Am 9. März sprachen die Vertreter der Kriegsbeschä- 
digten Oesterreichs Schnürmacher (Zentralverband), Bun- 
desrat Brandeisz, Fofcht (Wien), Gemeinderat Iorgo 
(Niederösterreich), Vizebürgermeister Weidinger (Ober- 
österreich), Kellner (Steiermark), Berkowitsch (Burgen- 
land) und Hirsch (Verband der Kriegsblinden Oester- 
reich«), beim Bundeskanzler Dr. Ender vor. Nach ein- 
gehender * Begründung überreichte die Deputation dem 
Bundeskanzler ein Memorandum, betreffend die 
Forderungen der österreichischen Kriegsopfer. 
Um der Massenverelendung der Kriegsopfer gerade 
jetzt im Zeitpunkte des Tiefstandes der Wirtschaft ent- 
gegenzuwirken, legten die Vertreter dem Bundeskanzler 
auch ein „Sofort-Programm" vor, das durch Ersparungen 
innerhalb des Budgets und durch Maßnahmen, die den 
Bund nicht belasten, schon in der allernächsten Zeit den 
Kriegsopfern helfen und die Rentenversorgung verbessern 
kann. 
Bundeskanzler Dr. Ender, der schon durch seine Funk- 
tion als Landeshauptmann mit den Forderungen der 
Kriegsopfer vertraut war, sagte eine eingehende Prü- 
fung zu. 
Die Vertreter der österreichischen Kriegsopfer werden 
ihre Forderungen auch den übrigen Mitgliedern des 
Kabinetts und den politischen Parteien überreichen. 
Das Memorandum. 
Seit Beschlußfassung über die IX. Novelle, X. und 
XI. Novelle (Dezember-Aushilfe) 
führt der Zentralverband den Kampf um die Besser- 
stell»,ng der Kriegsopfer. 
Die unerträgliche Lage der Invaliden, Witwen und 
Waisen Oesterreichs wurde im Nationalrat während der 
Beratungen des Budgets der letzten Jahre, und zwar so- 
wohl im Finanz- und Budgetausschuß als auch im Plenum 
von den Mitgliedern verschiedener Regierungen und Ab- 
geordneten aller Parteien anerkannt. Insbesondere hat 
die Regierung des gegenwärtigen Vizekanzlers Doktor 
Hans Schober, und zwar der damalige Bundesminister 
für soziale Verwaltung, Prof. Dr. Jnnitzer, im befonde- 
ren aber Bundeskanzler Dr. Schober persönlich den 
Kriegsopfern sichere Hilfe in Aussicht gestellt. Bundes- 
kanzler Dr. Schober hat die Erklärung abgegeben, daß 
bei Gewährung der Anleihe Mittel, die bis dahin gebun- 
den wären, frei werden und fohin für andere Zwecke, ins- 
besondere für Kriegsbeschädigtenfürsorge, verwendet wer- 
den können. Als Termin für die Hilfe, die den Kriegs- 
opfern werden soll, hat der Bundeskanzler den Juni 1930 
in Aussicht gestellt. 
Bei der September-Tagung des Völkerbundes 1930 
nahmen die Vorstandsmitglieder der Internationalen 
Arbeitsgemeinschaft der Kriegsbeschädigtenverbände, das 
ständige Mitglied der französischen Delegation beim 
Völkerbund, Herr Prof. Cafsin, und Herr Leon Viala 
Gelegenheit, dem Bundeskanzler Dr. Schober die zugun- 
sten der österreichischen Kriegsopfer am Pariser Kongreß 
1930 gefaßten Beschlüsse zu übermitteln, nachdem diese 
Entschließung bereits am 22. August 1930 der österreichi- 
sehen Bundesregierung übermittelt wurde. Bundeskanz- 
ler Dr. Schober hat Prof. Cafsin und Viala nachdrück- 
lichst versprochen, sich nach seiner Rückkehr persönlich um 
die Kriegsopferfragen zu bekümmern. Bald nach der 
Rückkehr des Bundeskanzlers erfolgte der Rücktritt der 
Regierung Schober.
	        
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