Volltext: Nr. 1 1930 (Nr. 1 1930)

Setie 2 
Nachrichten 
Rr. 1 
graphen, der schon bei einem geringen Einkommen vor¬ 
sieht, daß noch ein Teil der kleinen Rente Weggenommen 
wird; sie erheben die Forderung nach einer Erhöhung des 
Krankengeldes, Tag- und Hausgeldes, nach Heilbehand¬ 
lung für die Witwen und sonstigen Hinterbliebenen, nach 
einer begrenzten Wiedereröffnung der Anmeldefristen, 
insbesondere nach durchgreifenden Verfahrensänderun- 
gen. Diese sollen darin bestehen, daß der Verwaltungs¬ 
gerichtshof aus dem Jnvalidenrecht ausgeschaltet und 
durch ein Oberschie-dsgericht ersetzt wird. Das österreichi- 
sche Invaliden-Entschädigungs-Gesetz soll an das deutsche 
Reichsversorgungsgesetz angeglichen werden, das auch die 
Möglichkeit der Vertretung der Kriegsbeschädigten ent- 
hält. Notwendig ist die Verlängerung und Verbesserung 
des Jnvaliden-Beschäftigungs-Gefetzes und ein wirksamer 
Schutz der Eingestellten vor willkürlicher Entlassung. Die 
Kiegsbeschädigten wünschen die Wiedereinführung der 
Trafikkündigungs-Verordnung und die Wiedereinführung 
des Trafikbefetzuttgs- und Berufungsausschusses. Auf 
dem Gebiete der Trafikvergebung klagen die Kriegsopfer 
sehr. Es ist dazu gekommen, daß hier einer Protektions- 
Wirtschaft sondergleichen Tür und Tor geöffnet wurde. Es 
geht nicht an, daß man Trafiken, solange noch Blinde und 
Hilflose da sind, an Leute vergibt, die auch eine andere 
Erwerbsmöglichkeit haben. Ja es wurde sogar versucht, 
da und dort noch abzubauen, anstatt die Einrichtungen 
für die Kriegsopfer auszugestalten. Die Kriegsopfer pro¬ 
testieren auch fchärfstens gegen die von der Regierung be- 
absichtigte Auflösung des steirifchen Invalidenheimes in 
Graz; sie verlangen nicht nur die Aufrechterhaltung 
dieser unter mannigfachen Schwierigkeiten geschaffenen 
sozialen Institution, sondern auch eine Erweiterung des 
Kreises der anspruchsberechtigten Kriegsbeschädigten auf 
Unterbringung im Jnvalidenheim. 
Der Gesetzentwurf wurde vom ganzen Hause zum 
Beschlüsse erhoben. Dagegen entspann sich über eine Ent- 
schließung, die Hölzl beantragt hatte, eine etwas erregte 
Debatte. Mit der Entschließung soll die Regierung zur 
Einbringung einer Novelle ausgefordert werden, durch 
die u. a. chte Erhöhung der Invalidenrenten (auf 150, 
9V, 50, 30 und 15 Schilling monatlich) durchgeführt wird. 
Weiter soll eine Verbesserung der Witwen- und Waisen- 
rente, der andern Hinterbliebenenrenten und des Rechts- 
Verfahrens eintreten. Der Antrag ist von den Sozialdemo- 
kraten auch im Budgetausschuß gestellt worden; dort hat 
sich der Minister gegen ihn ausgesprochen. Aber die Ab- 
lehnung im Budgetausschuß kann doch kein Grund sein, 
ihn im Hause nicht stellen zu dürfen. Der Berichterstatter 
bemängelte es aber, daß der Antrag erst im Haufe gestellt 
und bei der Beratung der Novelle nicht angemeldet wor- 
den ist. Die Entschließung wurde von den Mehrheits- 
Parteien auch abgelehnt. 
Der Gesetzentwurf wurde auch im Bundesrat, der zu 
diesem Zwecke nachmittags eine Sitzung hielt, erledigt. 
Er wurde dort ohne Einspruch genehmigt. 
Auch über das Trafikenwesen wurde im Nationalrate 
gesprochen und die Forderungen des Zentralverbandes 
vertreten. Vielfach wird bei der Vergebung Protektion 
geübt, der Invalide kommt zu keiner Trafik. Die For- 
derung nach Wiedereinführung der alten Kündigungs- 
und Befetzunqsverordnuna wurde abgelehnt, „weil es 
keine Protektion gibt!" 
Bezüglich des Invaliden-Beschästigungs-Gefetzes fin- 
den Verhandlungen statt. Auch da scheint nicht viel Ge- 
neigtheit zu bestehen, den Forderungen näherzukommen. 
Die Unternehmerverbände wehren sich gegen die Verlän- 
gerung, ganz besonders aber gegen jede Verbesserung. 
Auf jeden Fall wird es jedoch gelingen, das Gesetz zu er- 
halten. 
Der Kampf ist also nicht abgeschlossen. Er muß mit 
aller Schaft weitergeführt werden. 
M ewe Rentenerhöhung möglich? 
Wir erhalten folgende Zuschrift, der wir gerne Raum 
gebend enthalten uns jedoch jeden Kommentars: 
Als Mitglied des Zentralverbandes, Ortsgruppe 
Frankenmarkt, ersuche ich, in einer Ihrer nächsten Nnm- 
mern nachstehenden Artikel erscheinen zu lassen: 
Anläßlich der Jahresverfammlung des Landesverban? 
des Oberösterreich des Zentralverbandes im Jahre 1928 
wurde von der Ortsgruppe Frankenmarkt u. a. der An? 
trag gestellt, der Landesverband wolle dahin wirken, daß 
zwecks Erhöhung der Renten der Kriegsbeschädigten, Wit¬ 
wen und Waisen ein Abbau des Bundesheeres vorgenom? 
men werden wolle. 
Dieser Antrag wurde deshalb gestellt, weil eine ent- 
sprechende Erhöhung der Renten das eigentliche Problem 
der Kriegsbeschädigten bildet und weil eine solche Cr- 
höhung mangels der notwendigen Barmittel von der Re¬ 
gierung nicht bewilligt wird und vielleicht auch nicht be¬ 
willigt werden kann. Wenn auch die zuständigen Mini' 
sterien, insbesondere der Minister für soziale Verwaltung, 
Dr. I n n i tz e r, den besten Willen besäßen, den Kriegs- 
beschädigten zu helfen, so nützt dies alles nichts, denn, 
wenn nichts da ist, kann nichts gegeben werden, 
Es ist mir nicht möglich, ein umfassendes Gutachten 
dahin abzugeben, durch welche Mittel weitere Ersparnisse 
in unserer Verwaltung erzielt werden könnten, ich bin 
aber der Ueberzeugung, daß durch einen entsprechenden 
Abbau des Bundesheeres, beziehungsweise durch eine 
vorläufige Sperre von Neuaufnahmen jene Ersparnisse 
erzielt werden könnten, welche notwendig sind, um den 
Kriegsbeschädigten das zu geben, was ihnen gebührt. 
Dieser Antrag wurde von der Antragsprüsungskom- 
misston mit der Begründung abgelehnt, daß dann wieder 
das Heer der Arbeitslosen vergrößert würde und daß 
unsere Soldaten, die auch arme Teufel sind, nicht ge- 
schädigt werden sollen. 
Diese Einwendungen können nicht die Wirkung hkBsn, 
den Antrag zu entkräften. Die Frage ist die: wer ist 
mehr schutzbedürftig, die Kriegsbeschädigten und deren 
Hinterbliebenen oder die Wehrmänner. Auf der einen 
Seite sind es weniger arbeitsfähige und widerstandskräf- 
tige Personen, die für die Heimat gelitten haben, und auf 
der anderen Seite sind es kerngesunde Leute, die sich 
leichter durchs Leben schlagen können als ein Kriegsbe- 
fchädiqter. Da wird so mancher Arbeitslose viel ärmer 
daran sein, der wegen seiner Gebrechen nicht ins Bundes- 
Heer aufgenommen wurde, als ein Wehrmann selbst, der 
gerade wegen seiner gefunden Konstitution ins Bundes- 
her übernommen wurde. 
Ich bin, wie schon angegeben, der Ueberzeugung, daß 
unser Land einen entsprechenden Abbau des Bundes» 
Heeres vertragen würde. Die näheren Gründe in dieser 
Abhandlung anzuführen, stehen mir wohl nicht zu, sie 
wären passender der Gegenstand einer parlamentarischen 
Erörterung. Unsere Bundesverfassung sieht im Artikel 46 
ein Volksbegehren und eine Volksentscheidung vor. Viel» 
leicht wäre das der richtige Weg, über die gegenständliche 
Frage zu entscheiden. 
Ich glaube aber, daß bereits durch einen geringfügigen 
Abbau des Bundesheeres jene Mittel erspart würden, 
die für eine entsprechende Dotierung der Kriegsbeschädig- 
ten und deren Hinterbliebenen und darunter insbesondere 
der Teilrentner ausreichen würden. Was nützt es, immer 
wieder und in der Regel vergeblich zu versuchen, durch 
Vorsprachen usw. auf die Rot der Kriegsbeschädigten hin- 
zuweisen, wenn der Bund nicht in der Lage ist, mehr her- 
zugeben; besser wäre es wohl, die Mittel anzugeben, 
durch die eine Besserstellung der Invalidem ermöglicht 
werden kanv.
	        
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