Seile 2
Nachrichte«
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allgeincine Wohl derselben zu tun ist, sondern nur darum,
zu trachten, daß der Staat Ersparungen machen kann,
wenngleich auch die Kriegsopfer zu Grunde gehen.
Sie, die vorgebe», die Kämpfer für eine gerechte
Sache zu sein, geben sich dazu her, die Anfpruchsberech-
tigten bei der Jnvaliden-Entschädigungs-Kommission an?
zuklagen, sie um ihre Rechte zu bringen. Der erste Führer,
Nationalrat Drexel, dem das soziale Empfinden aus
Knopflöchern triefen soll aus Grund seiner Stellung,
schweigt im sozialpolitischen Ausschuß, wenn Kriegsopfer-
fragen an der Tagesordnung stehen, er stimmt im Paria-
inent befehlsgemäß gegen die eigenen Forderungen —
allerdings immer vom Zentralverband abgeschrieben ----
seiner Organisation. Das Allheilmittel scheint dem Reichs-
bund zu sein, die gesamte Fürsorge abzuwälzen, auf die
Oeffentlichkeit, abzuwälzen vom Staate, damit die Post
„Soziale Verwaltung" aus dem Budget verschwindet.
De Kriegsopfer werden aber diese Taktik durchschauen
und werden es ablehnen, mögen die einzelnen dieser oder
jener politischen Partei angehören, sich irgend einer poli-
tischen Partei dienstbar zu machen, und Hre eigenen To-
tengräber zu sein.
X. Novelle und die NMandzaszWe.
Im Juni des vorigen Jahres überreichte der Zentral-
verband, wie wir seinerzeit mitgeteilt haben, Forderun-
gen betreffend eine X. Novelle zum Invaliden-Entschädi-
gungs-Gesetz. Die Renten, die mit der IX. Novelle sehr
bescheiden erhöht wurden, entsprachen keinesfalls den tat-
sächlichen Verhältnissen. Insbesondere die Renten der
Voll und Teilrentner erfuhren eine so unbedeutende Er-
höhung. daß man von einer solchen kaum reden kann.
Der Bundesminister Dr. Resch erklärte selbst, daß er es
als eine besondere Ausgabe betrachtet, d>e Teilrenten der
Verhältnismäßigkeit anzupassen. Lange wurde im Fi-
na'iz- und Budgetausschuß über die Frage herumgestrit-
ten, ob die für die X. Novelle erforderlichen Mitteln zur
Verfügung gestellt werden können oder nicht. Die Forde-
rpngen wurden schließlich sowohl in den Ausschüssen als
auch im Parlament abgelehnt. Der Minister erklärte, daß
der Betrag von 50 bis 60 Millionen Schilling, den die
X. Novelle erfordern würde, nicht aufgebracht werden
kann. Aus den gleichen Gründen müsse auch das Begeh-
ren nach einer Notstandsaushilfe, die allerdings nur 3.3
Millionen Schilling gekostet hätte, abgelehnt werden. Der
Minister nannte die Ziffer 50 bis 60 Millionen, obwohl
nur 20 Millionen verlangt wurden, wahrscheinlich, um'
die Abweisung etwas begreiflicher zu machen. Der Jen-
tralverband verlangte in einer Eingabe vom 1. Februar
1928 neuerdings die Novellierung des Jnvaliden-Ent-
schädigungs-Gesetzes und die Auszahlung einer Not-
standsaushilfe. Er erhielt folgende Antwort:
Das Bundesministerium für soziale Verwaltung ist
dermalen nicht in der Lage, den mit der Eingabe vom
1. Februar 1928 vorgelegten neuen Forderungspro-
gramme betreffend die Novellierung des Jnvaliden-Ent-
fchädigungs-Gesetze, insbesondere die Erhöhung der in
diesem Gesetze vorgesehenen Rentenansätze und die Aus-
zahlung von Notstandsaushilfen an die Kriegsopfer
näher zu treten, da der vor kurzem im Nationalrate ge¬
nehmigte Bundesvoranschlag für das Jahr 1928, so weit
es sich um die Kredite für die Durchführung des Jnvali-
den-Entschädigungs-Gesetzes handelt, auf die dermalen in
diesem Gesetze vorgesehenen Rentensätze abgestellt ist, ob-
wohl ini Zuge der Beratung über den Bundesvoranschlag
die Forderungen der Invalidenschaft vorgebracht wurden.
Am 13. März 1928. Der Bundesminister Resch.
Also, im vorigen Jahre Abweisung, weil im Budget
nicht Vorsorge getroffen war, setzt Abweisung, «eil trotz
Antragistellung alle BerbesserungsanträM niedergestimwt
wurden.
In unserer Februar-Nummer haben wir über die
Debatte im Budgetausschuß die Rede Severs auszugs-
weise gebracht. Heute bringen wir auszugsweise die Rede
Hölzls, die sicherlich für die Mitglieder von großem Inter¬
esse ist.
Abgeordneter Hölzl: Ich muß gelegentlich der Pe»
ratung über den Bundesvoranschlag für 1928 das Wort
ergreifen, um für die berechtigten Forderungen der
Kriegsbeschädigten, der Kriegerwitwen und -waisen uiifc
der anderen Hinterbliebenen einzutreten. Ich würde
gerne wünschen, so recht anschaulich den Mitgliedern des
hohen Hauses die zermürbten und zerbrochenen Men-
schert, die nach dem Kriege übrig geblieben sind und die
wir jetzt als Kriegsbeschädigte bezeichnen, vorstellen zÄ
können. Ich glaube, die Erkenntnis von der Notwendig-
keit einer Hilfe für die Kriegsopfer ist wohl allseits vor»
Händen, doch muß immer wieder darauf hingewiesen wer,
den, daß diese Hilfe bisher nur in unzulänglicher Weise
geleistet wurde. Es geht nicht an, noch weiterhin mit den
berechtigten Forderungen der Kriegsopfer ein derartiges
Spiel zu treiben, daß man sich immer auf den Mangel
an den notwendigen Mitteln ausredet, der es verhindere,
auch nur den allerdringendsten Forderungen der Kriegs-
beschädigten, der Kriegerwitwen und -waisen und der an-
deren Hinterbliebenen zu befriedigen. Wenn auf irgend»
einem Gebiete, so tut auf dem der Fürsorge für die
Kriegsopfer soziale Gerechtigkeit not. Gelegentlich der
Verabschiedung der IX. Novelle zum Invaliden-Entschä-
digungs-Gesetz hat der ehemalige Berichterstatter Stein-
egger, aber auch die Redner der einzelnen Parteien und
ebenso der Bundesminister für soziale Verwaltung und!
der Bundesminister für Finanzen zum Ausdruck gelbracht,
daß diese
Novelle «ur eine erste Etappe
auf dem Wege zu einer halbwegs menschenwürdige Ber«
sorgung der Kriegsopfer darstellt. Es wurde damals zu»
gesägt, daß in den nächsten Iahren ein weiterer Schritt
in Form einer Erhöhung der Rentenbezüge getan wer«
den soll. Mittlerweile sind fast zwei Jahre verstrichen und
der Herr Bundesminister für soziale Verwaltung hat dem
hohen Haus noch immer nicht einen Entwurf für die
X. Novelle zum Invaliden-Entschädigungs-Gesetz vorge-
legt. Deshalb muß darauf verwiesen werden, wie elend
die Lage der Kriegsopfer gerade unter den verfchlech-ter-
ten Verhältnissen der letzten Zeit geworden ist und wie
unhaltbar und erbärmlich sich die
Renten, insbesondere in den Mittelstufe»,
die in keinem richtigen Verhältnis zur Bollrente stehen^
erwiesen haben.
Abg. Hölzl weist auf die niedrigen Rentensätze
hin, daß die Vollrente in Wien bloß 126 s, in der drit¬
ten Ortsklasse sa nur 105 s betrage, daß Kriegsbeschä¬
digte mit 50prozentiger Erwerbseinbuße bloß 18 S, solche
mit 45 Prozent gar nur 7.20 S erhalten. Es sei eine alte
und durchaus berechtigte Forderung der Kriegsopfer, daß
die Teilrenten in voller Verhältnismäßigkeit zur Boll¬
rente stehen, wie es das im Jahre 1919 beschlossene Ge»
setz auch tatsächlich beinhalte.
Redner fährt fort: Es war dem Abg. Dr. Wagner
(großdeutsche Bolkspartei), der zu den neu ins Haus ge-
konnnenen Mitgliedern zählt und die Entwicklung der so-
zialen Gesetzgebung nicht kennt, vorbehalten, die Aus-
gaben für die Kriegsbeschädigtenfürsorge als hohe zu be-
zeichnen. (Zwischenrufe.) Ich verweise dem gegenüber
darauf, wie
erbärmlich die Mittelrenten der Kriegsopfer,
der Kriegerwitwen und anderen Hinterbliebenen sind«
Die meisten Witwen erhalten nur eine Rente von 15 S*