Volltext: Nr. 5 1928 (Nr. 5 1928)

Seile 2 
Nachrichte« 
Nr. 5 
allgeincine Wohl derselben zu tun ist, sondern nur darum, 
zu trachten, daß der Staat Ersparungen machen kann, 
wenngleich auch die Kriegsopfer zu Grunde gehen. 
Sie, die vorgebe», die Kämpfer für eine gerechte 
Sache zu sein, geben sich dazu her, die Anfpruchsberech- 
tigten bei der Jnvaliden-Entschädigungs-Kommission an? 
zuklagen, sie um ihre Rechte zu bringen. Der erste Führer, 
Nationalrat Drexel, dem das soziale Empfinden aus 
Knopflöchern triefen soll aus Grund seiner Stellung, 
schweigt im sozialpolitischen Ausschuß, wenn Kriegsopfer- 
fragen an der Tagesordnung stehen, er stimmt im Paria- 
inent befehlsgemäß gegen die eigenen Forderungen — 
allerdings immer vom Zentralverband abgeschrieben ---- 
seiner Organisation. Das Allheilmittel scheint dem Reichs- 
bund zu sein, die gesamte Fürsorge abzuwälzen, auf die 
Oeffentlichkeit, abzuwälzen vom Staate, damit die Post 
„Soziale Verwaltung" aus dem Budget verschwindet. 
De Kriegsopfer werden aber diese Taktik durchschauen 
und werden es ablehnen, mögen die einzelnen dieser oder 
jener politischen Partei angehören, sich irgend einer poli- 
tischen Partei dienstbar zu machen, und Hre eigenen To- 
tengräber zu sein. 
X. Novelle und die NMandzaszWe. 
Im Juni des vorigen Jahres überreichte der Zentral- 
verband, wie wir seinerzeit mitgeteilt haben, Forderun- 
gen betreffend eine X. Novelle zum Invaliden-Entschädi- 
gungs-Gesetz. Die Renten, die mit der IX. Novelle sehr 
bescheiden erhöht wurden, entsprachen keinesfalls den tat- 
sächlichen Verhältnissen. Insbesondere die Renten der 
Voll und Teilrentner erfuhren eine so unbedeutende Er- 
höhung. daß man von einer solchen kaum reden kann. 
Der Bundesminister Dr. Resch erklärte selbst, daß er es 
als eine besondere Ausgabe betrachtet, d>e Teilrenten der 
Verhältnismäßigkeit anzupassen. Lange wurde im Fi- 
na'iz- und Budgetausschuß über die Frage herumgestrit- 
ten, ob die für die X. Novelle erforderlichen Mitteln zur 
Verfügung gestellt werden können oder nicht. Die Forde- 
rpngen wurden schließlich sowohl in den Ausschüssen als 
auch im Parlament abgelehnt. Der Minister erklärte, daß 
der Betrag von 50 bis 60 Millionen Schilling, den die 
X. Novelle erfordern würde, nicht aufgebracht werden 
kann. Aus den gleichen Gründen müsse auch das Begeh- 
ren nach einer Notstandsaushilfe, die allerdings nur 3.3 
Millionen Schilling gekostet hätte, abgelehnt werden. Der 
Minister nannte die Ziffer 50 bis 60 Millionen, obwohl 
nur 20 Millionen verlangt wurden, wahrscheinlich, um' 
die Abweisung etwas begreiflicher zu machen. Der Jen- 
tralverband verlangte in einer Eingabe vom 1. Februar 
1928 neuerdings die Novellierung des Jnvaliden-Ent- 
schädigungs-Gesetzes und die Auszahlung einer Not- 
standsaushilfe. Er erhielt folgende Antwort: 
Das Bundesministerium für soziale Verwaltung ist 
dermalen nicht in der Lage, den mit der Eingabe vom 
1. Februar 1928 vorgelegten neuen Forderungspro- 
gramme betreffend die Novellierung des Jnvaliden-Ent- 
fchädigungs-Gesetze, insbesondere die Erhöhung der in 
diesem Gesetze vorgesehenen Rentenansätze und die Aus- 
zahlung von Notstandsaushilfen an die Kriegsopfer 
näher zu treten, da der vor kurzem im Nationalrate ge¬ 
nehmigte Bundesvoranschlag für das Jahr 1928, so weit 
es sich um die Kredite für die Durchführung des Jnvali- 
den-Entschädigungs-Gesetzes handelt, auf die dermalen in 
diesem Gesetze vorgesehenen Rentensätze abgestellt ist, ob- 
wohl ini Zuge der Beratung über den Bundesvoranschlag 
die Forderungen der Invalidenschaft vorgebracht wurden. 
Am 13. März 1928. Der Bundesminister Resch. 
Also, im vorigen Jahre Abweisung, weil im Budget 
nicht Vorsorge getroffen war, setzt Abweisung, «eil trotz 
Antragistellung alle BerbesserungsanträM niedergestimwt 
wurden. 
In unserer Februar-Nummer haben wir über die 
Debatte im Budgetausschuß die Rede Severs auszugs- 
weise gebracht. Heute bringen wir auszugsweise die Rede 
Hölzls, die sicherlich für die Mitglieder von großem Inter¬ 
esse ist. 
Abgeordneter Hölzl: Ich muß gelegentlich der Pe» 
ratung über den Bundesvoranschlag für 1928 das Wort 
ergreifen, um für die berechtigten Forderungen der 
Kriegsbeschädigten, der Kriegerwitwen und -waisen uiifc 
der anderen Hinterbliebenen einzutreten. Ich würde 
gerne wünschen, so recht anschaulich den Mitgliedern des 
hohen Hauses die zermürbten und zerbrochenen Men- 
schert, die nach dem Kriege übrig geblieben sind und die 
wir jetzt als Kriegsbeschädigte bezeichnen, vorstellen zÄ 
können. Ich glaube, die Erkenntnis von der Notwendig- 
keit einer Hilfe für die Kriegsopfer ist wohl allseits vor» 
Händen, doch muß immer wieder darauf hingewiesen wer, 
den, daß diese Hilfe bisher nur in unzulänglicher Weise 
geleistet wurde. Es geht nicht an, noch weiterhin mit den 
berechtigten Forderungen der Kriegsopfer ein derartiges 
Spiel zu treiben, daß man sich immer auf den Mangel 
an den notwendigen Mitteln ausredet, der es verhindere, 
auch nur den allerdringendsten Forderungen der Kriegs- 
beschädigten, der Kriegerwitwen und -waisen und der an- 
deren Hinterbliebenen zu befriedigen. Wenn auf irgend» 
einem Gebiete, so tut auf dem der Fürsorge für die 
Kriegsopfer soziale Gerechtigkeit not. Gelegentlich der 
Verabschiedung der IX. Novelle zum Invaliden-Entschä- 
digungs-Gesetz hat der ehemalige Berichterstatter Stein- 
egger, aber auch die Redner der einzelnen Parteien und 
ebenso der Bundesminister für soziale Verwaltung und! 
der Bundesminister für Finanzen zum Ausdruck gelbracht, 
daß diese 
Novelle «ur eine erste Etappe 
auf dem Wege zu einer halbwegs menschenwürdige Ber« 
sorgung der Kriegsopfer darstellt. Es wurde damals zu» 
gesägt, daß in den nächsten Iahren ein weiterer Schritt 
in Form einer Erhöhung der Rentenbezüge getan wer« 
den soll. Mittlerweile sind fast zwei Jahre verstrichen und 
der Herr Bundesminister für soziale Verwaltung hat dem 
hohen Haus noch immer nicht einen Entwurf für die 
X. Novelle zum Invaliden-Entschädigungs-Gesetz vorge- 
legt. Deshalb muß darauf verwiesen werden, wie elend 
die Lage der Kriegsopfer gerade unter den verfchlech-ter- 
ten Verhältnissen der letzten Zeit geworden ist und wie 
unhaltbar und erbärmlich sich die 
Renten, insbesondere in den Mittelstufe», 
die in keinem richtigen Verhältnis zur Bollrente stehen^ 
erwiesen haben. 
Abg. Hölzl weist auf die niedrigen Rentensätze 
hin, daß die Vollrente in Wien bloß 126 s, in der drit¬ 
ten Ortsklasse sa nur 105 s betrage, daß Kriegsbeschä¬ 
digte mit 50prozentiger Erwerbseinbuße bloß 18 S, solche 
mit 45 Prozent gar nur 7.20 S erhalten. Es sei eine alte 
und durchaus berechtigte Forderung der Kriegsopfer, daß 
die Teilrenten in voller Verhältnismäßigkeit zur Boll¬ 
rente stehen, wie es das im Jahre 1919 beschlossene Ge» 
setz auch tatsächlich beinhalte. 
Redner fährt fort: Es war dem Abg. Dr. Wagner 
(großdeutsche Bolkspartei), der zu den neu ins Haus ge- 
konnnenen Mitgliedern zählt und die Entwicklung der so- 
zialen Gesetzgebung nicht kennt, vorbehalten, die Aus- 
gaben für die Kriegsbeschädigtenfürsorge als hohe zu be- 
zeichnen. (Zwischenrufe.) Ich verweise dem gegenüber 
darauf, wie 
erbärmlich die Mittelrenten der Kriegsopfer, 
der Kriegerwitwen und anderen Hinterbliebenen sind« 
Die meisten Witwen erhalten nur eine Rente von 15 S*
	        
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