Volltext: Nr. 5 1928 (Nr. 5 1928)

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Die Administration. 
Sonderbare AMchten. 
Die durch den Krieg Verstümmelten, die Hinterblie¬ 
benen nach Gefallenen haben sich nach dem Zusammen- 
bruche zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlos- 
feil, um zu erreichen, daß das Baterland nicht vergißt 
daß es den Kriegsinvaliden und Kriegerhinterbliebenen 
den in den Iahren 1914 bis 1918 versprochenen Dank 
abzustatten. Alle Anspruchsberechtigten, mit wenigen 
Ausnahmen, schlössen sich der Kampfgemeinschaft an und 
nicht zu ihrem Schaden. Das Invaliden-Entschädigungs- 
Gesetz in der Fassung vom 25. April 1919 war das Werk 
dieser Gemeinschaft, dem noch eilte Reihe anderer Wohl¬ 
taten für die Kriegsopfer folgten. Iahrelanq war es nur 
der Zentralverband, der mit allen ihm zur Verfügung 
stehenden Kräften trachtete, für die Gesamtheit der 
Kriegsopfer die bestmöglichsten Daseinsbedingungen zu 
schaffen. 
Im Jahre 1922, als man glaubte, mit dem revolutio¬ 
nären Schutt endgültig aufräumen zu können, begannen 
von verschiedenen Seiten Bestrebungen entfacht zu wer- 
den, den Zentralverband, der durch feine Geschlossenheit, 
durch seinen einheitlichen Willen und der dadurch beding- 
ien Mithilfe der Öffentlichkeit bei Erfüllung von gestellt 
te« Forderungen der Regierung unangenehm wurde, zu 
zertrümmern. Die ersten Versuche, die besonders eifrig 
vom damaligen Minister für soziale Verwaltung, Doktor 
Schmitz, gefördert wurden, Uneinigkeit durch die Schaf 
fung einer Schwer-Invalidenorganisation in die Reihen 
der Invalidenschaft zu bringen, schlugen fehl, weil die 
Kriegsopfer erkannten, daß sie keinen Unterschied machen 
können und dürfen zwischen Schwer- und Leichinvaliden, 
weil sie sich dessen bewußt waren, daß fast sämtliche Leicht- 
invaliden im Laufe der Zeit Schwerinvalide werden, weil 
sie nur ein gemeinsames Ziel haben: Durch die Kraft der 
Organisation ihr trauriges Los zu erleichtern. 
Gin anderes Mittelchen mußte daher gefunden werden, 
um das so lang ersehnte Ziel zu erreichen. Der Zentralver¬ 
band und seine Landesverbände bekamen auf einmal einen 
roten Anstrich, die Antimarxisten wurden ausgerufen, ans 
dem Zentralverband auszutreten. Auch nicht den Schein 
eines Beweises konnten die Förderer der neuen Bestre¬ 
bung bringen. Sie rechne»» aber mit der Unerfahrenheit 
der Menschen und glauben mit dem neuen Schlager das 
so sehnsüchtig erstrebte Ziel erreichen zu können. 
Es ist ihnen gelungen, wein» schon keine Mitglieder, 
so doch führende Personen einer nichtbestehenden Organi¬ 
sation zu finden, die nun hinausposaunen die neue Heils- 
lehre, die nun versprechen, besser zu arbeiten als der Zen¬ 
tralverband, den Kriegsopfern die bestmöglichsten Daseins- 
bedingungen zu schaffen. 
Wir haben schon des öfteren, so in der letzten Nummer 
unserer Nachrichten, darüber geschrieben, wie diese ..Inter¬ 
essenvertretung" aussieht. Wir haben mitgeteilt, daß sie 
sogar gegen die Forderungen zu einer IX. Novelle zum 
Invaliden-Entschädigungs-Gesetz waren, „weil eine Erhö¬ 
hung der Renten die jüdischen Kaufleute veranlassen 
würde, die Warenpreise in die Höhe zu schrauben." 
Wiederholt zeigten wir auf. daß alles nur Manöver 
ist, daß nicht deswegen neue Interessenvertretungen ge- 
schaffen werden, um den Invaliden und Hinterbliebenen 
zu helfen, sondern um durch die dadurch herbeigeführte 
Uneinigkeit die Waffe Organisation der Invalidenschaft 
unscharf und ungefährlich zu machen, der Regierung die 
Möglichkeit zu geben, die sozialpolitische Gesetzgebung lo 
zu formen, wie es ihr angenehm ist: „Sie als revolütiv' 
nären Schutt zu beseitigen." 
Ein neuer Beweis wurde geliefert von einer Frau 
Haas Philippins, die sich in Innsbruck einen eigenen Mit- 
wenverband gegründet hat und als Obmännin fungierte, 
spater aber — wo denn sonst — dem Reichsbund der 
Kriegsopfer beigetreten ist und jetzt den Landesverband 
Tirol des Drexelverbandes bildet. Hie hat sonderbare 
Ansichten über ihre Aufgaben als Führerin einer Orgaui- 
fation. Sie hält es für ihre Pflicht, die Invaliden -Eni» 
schädigungs-Kominission aufmerksam zu machen, daß An- 
spruchsberechtigte, die ihr nicht genehm sind, eigentlich 
mit dem Prozentsatz herabgesetzt werden könnten. Die 
Kriegerwitwe Kreszenz K., in Hall in Tirol wohnhaft ist 
schwer leidend. Das klinische Gutachten besagt, allgemeine 
Körperschwäche, Unterernährung, Krampfadern am rech¬ 
ten Unterschenkel, Fungus des Knies, auf Grund welchem 
ihr am 8. Jänner 1926 die erhöhte Witwenrente auf ein 
Jahr und am 28. Jänner 1927 neuerlich bis auf weiteres 
zuerkannt wurde. Da sie aber, das kann allerdings eine 
Frau, die eine schöne Pension bezieht, nicht begreifen, weil 
sie nie in die Lage komint, es praktisch mitzuerleben, von 
dieser Rente nicht leben kann, mußte trotz ihrer sckwerer 
Leiden als Weberin arbeiten. Am 5. Jänner 1928 langte 
bei der Invaliden-Entschädigungs-Kommission für Tirol 
die Anzeige ein, in der gefragt wird ob der Invaliden- 
Entschüdigungs-Kommission bekannt ist, daß Frau K., 
trotzdem sie einem ständigen Verdienst nachgeht, die erhöhte 
Witwenrente bezieht. Die Anzeige ist von Frau Haas 
nebst Beisetzung der Stampiglie selbst gezeichnet. Run 
sitzt der Has im Pfeffer. Ein neuerlicher Beweis dafür ist 
erbracht, daß es dieser sonderbaren Gesellschaft nicht um die 
Vertretung der Interessen der Kriegsopfer, nicht um das 
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