Volltext: Nr. 3 1928 (Nr. 3 1928)

Nr. 3 
«achrichten 
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Gewebschutz und den Affinitätskrankheiten. Bei der 
Arthritts deformans ist es die durch eine Unzulänglichkeit 
des Stoffwechsels zum Endprodukt gewordene Homogen- 
ttsinsäure, welche durch ihr Eindringen in den Knorpel 
die chronische Gelenksentzündung hervorruft, indem sie 
nach Durchbrechung des lokalen Gewebschutzes ihre na- 
türliche Affinität zum Gewebe durchsetzt. Bei seinen 
experimentellen Versuchen fand Heilner im tierischen 
Knorpelgewebe die Stoffe, durch deren intravenöse Ein- 
führung die fermentative Produktion des bei den chro- 
nifchen Arthritiden darniederliegenden lokalen Geweb- 
schutzes wiederhergestellt werden kann. Einige Stunden 
nach der intravenösen Injektion steigt die Temperatur 
um 1—3 Grad meist unter Schüttelfrost, um dann wie- 
der rasch abzusinken. Regelmäßig stellen sich in den er- 
krankten Gelenken Reaktionsschmerzen ein, eine Heilent- 
zündung, die für die Prognose am günstigsten ist. Heute 
wird der Reiztherapie der chronischen Arthritiden in allen 
Formen das Wort gesprochen. Gelingt es, ein Aufflackern 
des Prozesses herbeizuführen, so ist die Möglichkeit der 
Beeinflussung gegeben. Reben dem Proteinfreien Sa- 
narthrit kommen artfremde Eiweißstoffe: Milch, Caseosa», 
Vakzine zur Anwendung. Wir haben den Eindruck, daß 
sich die Therapie der parenteralen Reizstoffe besonders 
bei subakuter chronischer Polyarthritis bewährt, indem 
monatelange Remissionen eintreten, die wir als die wert- 
vollsten Heilergebnisse betrachten. Ein wesentlicher Unter- 
schied in der Wirkung der verschiedenen Stoffe besteht 
nicht; ausschlaggebend für den Heilerfolg der parentera¬ 
len Reizstoffe ist die individuelle Reaktionsbreite, die 
Fieberbereitschaft des Organismus. Die alten empirischen 
physikalischen Heilmethoden, besonders die ZMrmean- 
Wendung in Form der Diathermie, können nicht ver» 
drängt werden; die Kombination beider Methoden hat 
sich nach unserer Erfahrung am besten bewährt. In letzter 
Zeit hat die Firma Schering die Phenylchinolinsäure, 
das Atophan, als Natriumsalz in wasserlöslicher und in» 
jizierbarer Form dargestellt, das sie mit Salicyl kombi¬ 
niert Atophanyl benennt. Die erhebliche Schmerzlinde- 
rung und die dadurch ermöglichte vermehrte Korperbe- 
wegung, die schon durch eine Injektion erzeugt werden, 
find gerade fftt den Anfang der Behandlung überaus 
wichtig. Im Ganzen läßt sich sagen, daß sich die Prog- 
nose der chronisch-progressiven Polyarthritis doch viel 
günstiger gestalten läßt, als es im allgemeinen in ärzt- 
lichen Kreisen geglaubt wird. Wir können viele Kranke 
dauernd ihrem Berufe erhalten, wenn wir auch mit Rück- 
fällen rechnen müssen. Am meisten leisten allerdings die 
radioaktiven Methoden in Form von Inhalation, Bade» 
kuren oder Umschlägen von Uranpechblende in Pulver» 
form, die Säckchen auf die erkrankten Gelenke gelegt, fast 
nie ihre Wirkung versagen. Die Physik hat uns gelehrt, 
daß die Einwirkung eines Radium- oder Röntgenstrahles 
auf die Materie ein atomistischer Vorgang ist und daß die 
Schwingungsenergie eines solchen Strahls an den Bau» 
steinen des Atoms an den Elektronen, angreift. Energe- 
tisch gemessen, vermag ein Strahlenkegel nur eine ganz 
geringe Kalorienarbeit zu leisten; um trotzdem die große 
biologische Wirkung der Strahlungen erklären zu kön- 
nen, muß man die kolloidchemischen Borgänge näher be- 
leuchten. Soviel scheint heute schon sicher, daß die Ra» 
dium- und Röntgenstrahlen einen katalyttschen Einfluß 
auf den Kolloidalzustand der Zellen ausüben, wodurch 
die geringe Kalorienarbeit zur Erreichung des biologi- 
sehen Effektes erklärlich ist. Das Ergebnis der Unter» 
suchungen von Ellinger, Landsberger und Nonnenbruch 
läßt sich darin zusammenfassen, daß die Strahlenwirkung 
sich zunächst in Form einer Verschiebung der Wasserstoff» 
ionen-konzentration umsetzt und dadurch eine kolloidale 
Zustandsänderung herbeiführt. Der Effekt der Bestrah» 
lung hängt nicht nur von der Größe der Strahlendosis, 
sondern ebenso von der Gegenwart und der Kontzentra- 
tion eines geeigneten Katalysators ab. Der Prozeß wird 
beschleunigt bei steigender Hydroxyl-ionen-konzentrution. 
Bei Radium- und Röntgenbestrahlung findet man stet« 
eine Hemmung der Zellatmung, während kurze Ultra» 
violettbestrahlung eine Beschleunigung der Gewebs- 
atmung auslöst. Bei der Strahlenwirkung handelt es sich 
um den gleichen kolloidchemischen Mechanismus wie beim 
galvanischen Strom, nämlich um eine ionisiereiche Wir- 
kung, so daß beide Vorgänge sich im gleichen Sinne unter- 
stützen und im Effekte steigern. Die genauere Einsicht in 
diese rätselhaften Zusammenhänge bleibt einer znkünfti- 
gen Forschung uderlassen. 
Mrf»r>etLtt«keU des Verbandes. 
Bon Purstinger Karl, Kassierstellvertreter des Landesverbandes. 
Fürsorge — wie leicht und einfach ist dieses Wart 
ausgesprochen, aber wie schwer ist es, ihm gerecht zu wer- 
den. Der Verband hat schon lange erkannt, welche Be- 
deutung der Fürsorge zukommt, jedoch sind ihm auf die» 
sem Gebiete durch die zur Verfügung steheichen Mittel 
sehr enge Grenzen gezogen. Wenn es ihm trotz dieser 
Grenzen gelungen ist, vielen, vielen Kameradinnen und 
Kameraden in dieser oder jener Art helfend unter die 
Arme zu greifen, so ist dies sicher ein Beweis, wie ernst 
er keine Aufgabe, den Mitgliedern jede erdenkliche Hilfe, 
nicht nur in organisatorischer Beziehung, sondern im Be- 
sonderen durch Fürsorgeaktionen verschiedenster Art zu- 
teil werden zu lassen, nimmt. 
Wir erinnern hier besonders, daran, daß es der 
nimmermüden Arbeit des Aentralverbandes gelungen ist, 
alljährlich eine bedeutende Summe aus den Erträgnissen 
des Kriegsopferfonds zur Ausschüttung einer Weih- 
nachts-Subvention an alle Ortsgruppen zu erlangen. 
Wenn auch die Beiträge, die auf die einzelnen Ortsgrup- 
pen, entsprechend ihrer Mitgliederzahl entfallen, keine 
besonders hohen sind, so kann damit sicher alljährlich 
einigen besonders bedürftigen, armen Kameraden gehol- 
fen werden, was gerade in der Weihnachtszeit sicher de- 
s^üßenswert ist. 
Der Verband bemüht sich auch immer »ieder am das! 
Zustandekommen von Bekleidungsattionen, die, wenn 
auch nie den tatsächlichen Bedürfnissen Jkchnung tragend, 
doch alljährlich einer größeren Airzahl von Kameraden 
die Erlangung neuer Bekleidungssorten ermöglichte und 
dadurch gewiß manche schwere Sorge verscheuchte. Diese 
Bekleidungsattionen stellten die Beiräte der Invaliden- 
Entschädigungs-Kommission, die ja mit entscheiden, wie 
die eingelaufenen Ansuchen zu behandeln sind, oft vor 
eine harte Aufgabe. Ihrem Herzen folgend, möchten die» 
selben ja jedem Ansuchenden gerne das bewilligen, um 
was angesucht wird, aber es darf ja leider nicht das Herz 
entscheiden, sondern mit Rücksicht auf die Unzulänglich- 
keit der von der Regierung bewilligten Mittel kann nur 
nach dem Gliche der Bedürftigkeit entschieden werden. 
Sie wissen wohl, daß die Bedürftigkeit schließlich bei 
jedem vorhanden ist, sind aber durch die Sparsamkeit der 
Regierung leider gezwungen, unter allen Bedürftigen 
wieder die Bedürftigsten herauszusuchen, und die übrigen 
schweren Herzens abzuweisen, was schon oft unverdiente 
und ungerechtfertigte Borwürfe seitens jener eingebracht 
hat, die sie zu ihrem eigenen Leidwesen nicht an der Ak° 
tion teilnehmen lassen konnten. 
Auch gegenwärtig ist, wie ja schon bekannt, «ieder
	        
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