Volltext: Nr. 3 1928 (Nr. 3 1928)

Nr. 3 
Nachricht«-» 
Sene 11 
Stellung der Kriegsopfer in Oesterreich zu verbessern: 
Dem Aentralverbande der Kriegsinvaliden und Krieger- 
Hinterbliebenen, der in Oberösterreich mehr als 180 Orts- 
gruppen umfaßt. Sie muß erkennen, daß es vollständig 
verfehlt wäre, sich einer kleinen, unbedeutenden und par- 
tetpolitisch eingestellten Auch-Invaliden-Organisation an¬ 
zuschließen. Als Kriegsopfer kann sie nur dann auf eine 
Verbesserung ihrer Lage rechnen, wenn sie durch ihren 
Beitritt dokumentiert, daß sie auch den Willen hat, sich 
eine bessere Lage, eine bessere Stellung im Staat und 
Gesellschaft zu erkämpfen. 
Keine politische, keine religiöse Ueberzeugung darf sie 
abhalten, in den Zentralverband einzutreten, der unbe- 
kümmert um die Weltanschauung jedes einzelnen Kriegs- 
opfers alle umschließt, und einen Kampf führt gegen jede 
Regierung, möge sie wie immer gefärbt sein. Der Kampf 
ist -ein wirtschaftlicher, der über Parteigegensätze hinweg- 
geht und nur dem einen Ziel zustrebt, die soziale Lage 
zu verbessern. 
Die Witwe muß davon überzeugt sein, daß sie als 
Einzelindividuum nichts, aber schon gar nichts erreichen 
kann und erreichen wird, sondern daß nur eine geschlos- 
sene Front den notwendigen Einfluß auf die gesetzgeben- 
den Körperschaften, auf das Parlament ausüben kann. 
Verfehlt ist der Standpunkt, sich zu sagen, ein Zusammen- 
schluß ist nicht notwendig, da ja der Staat ohne Rücksicht 
darauf, ob die Witwe organisiert sei oder nicht, die Rente 
an jede Anspruchsberechtigte zur Anweisung bringt, weil 
der Staat aus eigenen Stücken nie die Renten erhöhen, 
die gesetzlichen Bestimmungen verbessern würde. Jede 
Erhöhung der Renten, jede Verbesserung der gesetzlichen 
Bestimmungen muß ihm durch zähen Kampf abgerungen 
werden. Um diesem Kampfe einen Erfolg zu sichern, ist 
die Mitwirkung jeder Frau erforderlich. 
Nicht allein aus diesem Grunde ist es notwendig, daß 
auch die Frau dem Verbände angehört, sondern auch des- 
wegen, um aufgeklärt zu werden über alle Dinge, die sie 
direkt oder indirekt betreffen. Die Frau, die nicht orga- 
nisiert ist, wird, wie tausendmal schon bewiesen wurde, 
nicht informiert, welche Rechte ihr zustehen, so daß sie 
großen Schaden erleiden kann, den sie von sich hätte ab- 
halten können, wenn sie sich bei der Organisation Aus- 
kunft geholt hätte. Viele Witwen sind sich dessen nicht 
klar, welche Rente ihnen gebührt, unter welchen Vor- 
aussetzungen sie die erhöhte Witwenrente ansprechen 
können, was sie im Falle der Wiederverehelichung mit 
einem Nichtinvaliden oder mit einem Invaliden zu tun 
haben. Der Verband wird ihr die richtige Auskunft 
geben. Die Gesetze und Verordnungen sind wiederholt 
novelliert, das heißt abgeändert worden, so daß es fast 
unmöglich ist, daß sich eine Witwe in dem Wirrwarr zu- 
recht findet. 
Ebenso wie der Witwe, ergeht es auch den Hinter- 
bliebencn. Auch sie wissen vielfach nicht, welche Rechte 
ihnen zustehen. Sie wissen nicht, daß sie Anspruch auf 
die doppelte Elternrente haben, wenn sie mehr als ein 
Kind durch den Krieg verloren haben oder wenn sie das 
einzige Kind verloren haben. Diese aufzuklären, ist Auf- 
gäbe der Organisation. Wiederholt kommt es vor, daß 
sie mit ihren Ansprüchen plötzlich aus irgend einem 
Grunde abgewiesen werden, sie verlieren ihre Begünsti- 
gungen nach dem Invaliden-Entschädigungs-Gesetz, weil 
sie nicht wissen, daß sie gegen die Entscheidung der Jnva- 
liden - Entschädigungs - Kommission Beschwerde erheben 
können, weil sie nicht wissen, daß ihnen im Falle einer 
schiedskommissionellen Verhandlung unentgeltlich ein 
Vertreter beigestellt wird, wenn sie Mitglied des Ver» 
bandes sind. 
So ließe sich die Serie der angeführten Beispiele noch 
sehr erweitern. Die Aufzählung all der berechtigten An- 
spräche der Witwen und Hinterbliebenen würde weit 
über den Rahmen dieses Artikels hinausgehen. Die Wit» 
wen und Hinterbliebenen fortlaufend über die wichtigsten 
Bestimmungen zu orientieren, ist Aufgabe unserer Presse, 
die jedem Mitglieds monatlich einmal ins Haus zugeschickt 
wird. 
Wir müssen uns daher an dieser Stelle mit dem Auf- 
rufe an alle Kriegerswitwen und Kriegerhinterbliebenen 
begnügen, in richtiger Erkenntnis des vorher gesagten 
sich dem Zentralverbande der Kriegsinvaliden und Krie¬ 
gerhinterbliebenen anzuschließen und den Kampf um die 
wirtschaftliche und soziale Besserstellung an der Seite de? 
Invaliden zu führen. 
Jedes Mitglied hat einen engeren ober weiteren Be» 
kanntenkreis. Unter den Bekannten wird sicherlich eine 
oder mehrere Witwen sein, die bis heute den Weg noch 
nicht zur Organisation gefunden haben. Es ist daher 
Pflicht jedes einzelnen Mitgliedes, im Werbem»nat April 
diese seine Bekannten mündlich oder schriftlich aufzufor¬ 
dern, sich der Kampfgemeinschaft anzuschließen, denn je 
größer die Organisation, desto aussichtsreicher der Kainpf. 
Rur in der Einigkeit liegt die Macht. Frei von jedem 
Parteihader wird wie bisher der Zentralverband und alle 
seine Untergruppen einzig und allein dem Zwecke dienen, 
die Rechte seiner Mitglieder voll und ganz wahren 
und sorglich darüber zu wachen, daß die bereits erl«ngte« 
in keiner Weise geschmälert werden. 
Sil MtM« te AWWM fei MO« M 
Von Heinrich Moser, Schriftführer des Landesverbandes. 
Zu den härtesten Folgen des Krieges zählt unstreitig 
die Existenzfrage im allgemeinen, im besonderen der 
Kriegsinvaliden und Hinterbliebenen. Die Kriegsinva- 
liden, die infolge durchgemachter Strapazen oder erlit- 
tener Verwundungen ihre Erwerbsfähigkeit ganz oder 
teilweise eingebüßt haben, gelten nichts auf dem Arbeits- 
markte, weil sie in ihrer Produktionsfähigkeit dem Nicht- 
invaliden nicht gleichgestellt werden können. Naturgemäß 
ist derjenige, der als vollwertige Arbeitskraft eingeschätzt 
wird, leichter in der Lage den Lebenskampf zu bestehen 
als derjenige, der krank an Leib und Seele aus dem 
Kriege zurückkehrte. Es ist nun die Frage, ob der In- 
valide, der eineir Teil seiner Arbeitsfähigkeit eingebüßt 
hat, überhaupt noch in die Lage versetzt wird, einem Er- 
werbe nachzugehen. Die Erfahrungen haben gelehrt, daß 
es eines Zwangseinstellungsgesetzes bedurfte, um die In- 
validen in das Erwerbsleben eingliedern zu können. 
Trotz aller Bemühungen des Verbandes gelang es 
nicht, zu erreichen, daß sämtliche Invalide und auch dW 
Mtwen Beschäftigung fanden. Der Verband h«t daher 
getrachtet, auch durch die Schaffung von Existenzen die 
Arbeitslosigkeit einzudämmen und verlangte, daß Tabak- 
trafiken zugunsten Kriegsbeschädigter gekündigt, Neu» 
errichtungen nur an kriegsbevorzugte Bewerber verliehen 
werden können. Die Regierung trug der Forderung Rech» 
nung und erließ im Jahre 1919 die sogenannte Trafik» 
kündigungsverordnung. Dadurch gelang es vielen Jnva- 
liden und Witwen eine Existenz zu verschaffen. Es gab 
genug Trafiken, die selbständig lebensfähig waren, von 
einem Kaufmanne ausgeübt wurden, der auch ohne 
Tabaktrafik seinen Lebensunterhalt sichern konnte. Diese 
Trafiken wurden zum Teile gekündigt und an Invalide 
oder Witwen verliehen. Ein eigener Ausschuß, in dem 
die Vertreter der Invaliden Sitz und Stimme hstten, be¬ 
schloß über die Kündigung und über die Ve»zeb»ng de« 
Trafik.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.