Volltext: Nr. 8 1927 (Nr. 8 1927)

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Nachrichten 
Nr. 8 
3tle toersefVeu! 
Wieder jähren sich die Tage, wo das Schreckliche ge- 
schah. Immer und immer erinnern wir uns in diesen Ta- 
gen an unser Unglück, an unser freudloses Dasein, cm die 
entsetzlichen Tage und Jahre des blutigen Mordens, des 
Hungers und der Verzweiflung. 
Und wir wollen uns in diesen Tagen all die Scheußlich- 
leiten ins Gedächtnis zurückrufen, die der Krieg im Ge- 
folge hatte und dessen Opfer wir geworden sind> Unt> mar- 
um? Weil vergessen schwach sein hieße, Schwachsein aber 
die Gefahr in sich schließt, daß die Welt eines Tages wie- 
der das fürchterliche Unglück eines Krieges über sich er- 
gehen lassen müßte. 
Wir aber wollen die letzten Opfer eines Krieges sein 
und haben darum die heilige Pflicht, zu kämpfen für die 
Versöhnung der Völker, zu kämpfen gegen die Hetzer und 
Sckiürer für einen neuen Krieg. 
Gerade die Kriegsopfer müssen diejenigen sein, die 
in erster Reihe zu stehen haben im Kampfe für die Erhal¬ 
tung des Friedens, weil sie am schwersten an den Folgen 
des Krieges zu leiden haben; sie müssen der ganzen 
Menschheit immer wieder vorangehen und sie erinnern an 
das entwürdigende des Menschenmordens. Sie haben aber 
auch die Aufgabe zu erfüllen, unsere Jugend im Geiste 
der Menschlichkeit zu erziehen und ihnen Achtung einzu- 
flößen vor all dessen, daß da Menschenantlitz trägt. 
Wir werden diese unsere Aufgabe um so leichter er- 
füllen können, wenn wir „Nie vergessen!" 
Beschlösse des ZentralderbMdes 
Die am 5. Juli in Wien tagende Zentralverbands- 
vorstandssitzung, bei der alle Bundesländer vertreten wa- 
ren, hat den Beschluß gefaßt, im Herbst mit der Forde- 
rung nach einer X. Novelle zum I. E. G. an Regierung 
und Parlament heranzutreten. 
Die Forderungen werden sich in der Hauptsache um 
eine Erhöhung der Renten bewegen. Die diesbezüglichen 
Vorarbeiten wurden vom Zentralverbandssekretariat be- 
reits in Angriff genommen. Nach Fertigstellung dersel- 
den wird sich der Zentralverbandsausschuß mit den aus- 
gearbeiteten Anträgen beschäftigen, um den einzelnen 
Landesverbänden Gelegenheit zu geben, sich abschließend 
zu dem Forderungsprogramm äußern zu können. 
Der Beschluß des Zentralverbandsvorstandes, wel- 
cher bereits in den Tageszeitungen verlautbart wurde, 
hat in den Kreisen der Kriegsopfer lebhafteste Befriedi¬ 
gung hervorgerufen. In zahlreichen Zuschriften von 
Kriegsopfern, die bei uns einlangten, wird dem Wunsche 
Ausdruck verliehen, den Kampf um eine X. Novelle mit 
aller Energie zu führen, insbesondere in der Richtung 
nach Herstellung der Verhältnismäßigkeit der Teilrenten 
zur Vollrente, gleichzeitig aber auch um eine Erhöhung 
der Vollrente selbst. 
Ein altes Mütterlein, welches ihren einzigen Sohn 
im Kriege verloren hat, schreibt: „Ich habe mit großer 
Freude ihren Beschluß über eine Forderung nach Erhö¬ 
hung der Renten gelesen. Meine ganze Hoffnung, wenig- 
stens ein klein wenig mehr Rente zu bekommen, ist der 
Zentralverband, der trotz aller Widerwärtigkeiten immer 
und immer wieder die Fahne des Kampfes um eine Bef- 
serstellung der Kriegsopfer entrollt. Ich persönlich habe 
zwar nicht mehr viel zu hoffen, da meine Jahre gezählt 
sind. Ich wünsche aber aus ganzem Herzen, daß unsere 
Organisation noch stärker werde, weil ich, obzwar schon 
alt und gebrechlich, einsehen lernte, daß der Gesamtheit 
der Kriegsopfer nur dann geholfen werden kann, wenn 
eine gute, zielsichere Organisation besteht,, die den Kampf 
für unsere Menschenrechte unbeugsam führt." 
Von den vielen Schreiben veröffentlichen wir nur 
das eine, weil es wirklich herzerfreuend ist, mit welchem 
Eifer und Verständnis die alte Frau trotz Kummer und 
Sorgen bei der Sache ist. 
Wenn alle Kriegsopfer von diesem Geist der Zusam¬ 
mengehörigkeit beseelt sein werden, dann ist uns um 
den Ausgang des Kampfes um eine X. Novelle nicht 
bange. 
Rüsten wir uns für diesen Kampf, indem wir die Or» 
ganisation noch stärker machen durch Werbung von Mit» 
gliedern, bauen wir sie kräftig aus und dann auf zum 
Kampfe für die 
X. Novelle. 
Äße Rekursfavrik. 
Wann endlich komme ich zur Schiedskommission? 
Diese Frage wird von vielen Kriegsopfern immer und 
immer wieder an uns gerichtet. 
In der I. Durchführungsverordnung zum I. E. G. 
heißt es im § 40, Absatz 2: „Zwischen dem Einlangen 
des Schriftsatzes (Rekurs) betreffend das Verlangen nach 
Ueberprüfung des Bescheides oder der Beschwerde und 
der Verhandlung sollen in der Regel nicht mehr als vier 
Wochen liegen". 
Was nach dieser Bestimmung die Regel sein soll, ist 
in Oberösterreich zur Ausnahme geworden. In den aller- 
meisten Fällen dauert es monatelang, ehe ein eingebrach- 
ter Rekurs zur Verhandlung gelangt. Wir sind in der 
Lage, Beweise zu liesern über Fälle, die schon fast ein 
Jahr lang auf eine schiodskommissionelle Entscheidung 
warten. Derzeit liegen rund 800 Beschwerden bei der 
I. E. K., die alle auf eine Erledigung warten. 
Ein Riesenrückstand, wenn man bedenkt, daß die 
Schiedskommission dreimal wöchentlich tagt. Um endlich 
diese Rückstände aufarbeiten zu können, wird es notwen- 
dig fein, ein ernstes Wort mit den berufenen Behörden 
über eine öftere Tagung der Schiedskommission, bezie¬ 
hungsweise wegen der Aktivierung eines zweiten oder 
dritten Senates zu sprechen. 
Gewiß liegt ein Teil der Schuld, daß ein solcher 
Rückstand aufscheint und die Leute so lange warten müs¬ 
sen, darinnen, daß ein Senat mit der derzeitigen Arbeits¬ 
zeit nicht auskommt.. 
Nicht zum geringsten Teile aber liegt die Schuld bei 
einer gewissen Behörde selbst. Bei einer etwas zweck- 
mäßigeren Behandlung von Ansprüchen auf Kranken- 
geld und Heilbehandlung würde es sicherlich möglich sein, 
die Rekurse um ein Bedeutendes zu verringern. Diese 
Behauptung ist keine leere Farce! Wir wollen dies durch 
Aufzeigen von, gelinde ausgedrückt, „unzweckmäßigen" 
Entscheidungen dartun 
Ein Kriegsbeschädigter meldet einen Anspruch auf 
Heilbehandlung und Krankengeld an. Ehe von der In- 
validen-Entschädigungs-Kommission eine Entscheidung 
getroffen wird, vergehen mindestens vier bis sechs Wo- 
chen. Nach Ablauf dieser Zeit erhält der Kriegsbeschä- 
digte einen Bescheid, in welchem es heißt, daß der An- 
spruch auf Heilbehandlung und Krankengeld in häuslicher 
Behandlung abgewiesen wird, weil für das Leiden eine 
spitalsmäßige Behandlung notwendig sei. Eine solche 
Entscheidung bedeutet nicht weniger, als daß für die Zeit 
vom Tage der Anspruchsmeldung bis zur Spitalsanwei- 
sung der Kriegsbeschädigte die Behandlungskosten aus 
eigenen Mitteln bestreiten müßte. Von der Leistung 
eines Krankengeldes gar nicht zu reden.
	        
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