Volltext: Nr. 9 1925 (Nr. 9 1925)

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Nachrichte« 
Nr. 9 
Am 29. Juli 1925 fand in Wien in dem großen 
Dreher-Saal auf der Landstraße eine von mehr als drei- 
tausend Personen besuchte Massenversammlung der kriegs- 
beschädigten Bundesangestellten statt, die sich ebenfalls 
mit der geplanten Abänderung des Neunzigergesetzes be- 
faßte. Den Vorsitz derselben führte der Obmann des 
Fünfundzwanzigerausschusses Direktor Hold, welcher 
zahlreiche Begrüßungsschreiben und Telegramme von den 
Organisationen der kriegsbeschädigten Bundesangestellten 
in den Ländern, sowie die Entschuldigungsschreiben der 
Parteien des Nationalrates und das des Abgeordneten 
Hölzl zur Verlesung bringen konnte. 
Nach einer kurzen Einleitung des Obmannes des 
Kriegsbeschädigtenausschusses Direktor Putschin erstattete 
Sekretär Pollak vom Bunde der öffentlichen Angestellten 
das Referat. Er schilderte die bestandenen Kämpfe, machte 
vor allem die Abteilung VIII der Sektion II im Bundes¬ 
ministerium für soziale Verwaltung (Ministerialrat Prof. 
Dr. Wittmayr) für diesen Entwurf verantwortlich und 
berichtete ferner, daß die Regierung denselben bereits 
zurückgestellt habe. Da die Parlamentsferien beginnen, 
bestehe auch keine Ausficht, daß über diesen Entwurf 
noch vorher verhandelt wird. Ob das in der Herbstsession 
geschehen wird, wird sich erst zeigen müssen. 
Unter stürmischer Zustimmung der Versammlung 
brachte er dann eine Entschließung, die im Wortlaute 
folgt, zur Verlesung, welche auch einstimmig angenommen 
wurde. 
Besonders ist hervorzuheben, daß der Obmann des 
Fünfundzwanzigerausschusses Direktor Hold berichtete, 
daß sich derselbe e i n st i m m i g für die Ablehnung des 
Regierungsentwurfes ausgesprochen habe und daß hier 
die nichtkriegsbeschädigten mit den kriegsbeschädigten 
Bundesangestellten gehen. Ein Beweis dafür sei schon, 
daß er selbst die Versammlung einberufen habe und in 
derselben den Vorsitz führe. Hiezu erklärt er noch, daß 
die Haltung des Fünfundzwanzigerausschusses im Herbste 
gegenüber der Regierungsvorlage keine andere sein wird 
als die jetzige. 
Entschließung. 
Die am 29. Juli 1925 im großen Dreher-Saale in 
Wien tagende Massenversammlung der kriegsbeschädigten 
Bundesangestellten nimmt mit Befriedigung zur Kennt¬ 
nis, daß der Versuch der Regierung, die Rechte der kriegs¬ 
beschädigten Bundesangestellten durch die Novellierung 
des Neunzigergesetzes einzuschränken, durch das einmütige 
Vorgehen aller Organisationen wenigstens für den 
Augenblick vereitelt wurde. 
Die Versammlung steht nach wie vor auf dem Stand¬ 
punkte der entschiedensten Ablehnung aller Verschlechte- 
rungsversuche in der Behandlung der kriegsbeschädigten 
Bundesangestellten und richtet das dringende Ersuchen 
sowohl an alle gesunden Berufskollegen als auch an die 
allgemeine Kriegsopferschaft, um die weitere tatkräftige 
Unterstützung in ihrem schweren Kampfe um die Auf- 
rechterhaltung erworbener Rechte. 
Die Versammlung fordert weiters ihre Vertreter auf, 
sowohl bei der Regierung als auch bei den.Parteien des 
Nationalrates energisch darauf zu dringen, daß das Un¬ 
recht an den kriegsbeschädigten Bundesangestellten des 
Burgenlandes, die bis heute von den Begünstigungen, des 
Neunzigergesetzes ausgeschlossen sind, gutgemacht wird 
und daß endlich der Wille des Nationalrates vom 27. Iän- 
ner 1921, die Begünstigungen des Neunzigergesetzes auch 
auf jene kriegsbeschädigten Angestellten auszudehnen, die 
infolge Kriegsgefangenschaft oder Heilbehandlung erst 
nach dem 1. Mai 1920 in den Bundesdienst traten, durch- 
geführt werde. 
Die schwere Wirtschaftskrise, die die Kriegsopfer in-- 
folge des erhöhten Aufwandes für ihre geschädigte Ge¬ 
sundheit ganz besonders trifft, erfordert nicht nur die 
volle Aufrechterhaltung, sondern den weiteren Ausbau 
der Kriegsnvferfürsorge, nicht nur im Interesse der 
Kriegsopfer selbst, sondern auch im Interesse der Auf- 
rechterhaltung der Ruhe und Ordnung des Staates. 
Wien, am 29. Juli 1925. 
Die Funktionäre haben bisher über die beiden Be- 
günstigungsgesetze gewacht und auch diesmal mit ver- 
einten Kämpfen den Anschlag der Regierung abgewehrt. 
Kameraden! Es ist nun endlich auch an Ihnen, durch 
durch den Massenbeitritt zur Organisation, die für Ihre 
Interessen arbeitet, der Regierung zu zeigen, daß Sie nicht 
gewillt sind, nur ein Stückchen von Ihren mühsam erwor- 
benen Rechten sich nehmen zu lassen. Beweisen Sie durch 
ein reges Interesse und der steten persönlichen Teilnahme 
an allen Fragen der kriegsbeschädigten Bundesangestell- 
ten, daß Sie sich als Teil des Ganzen fühlen. Nur Einig- 
feit und Geschlossenheit in allen Fragen wird uns über 
alle Fragen der Sanierung auf unserem Rücken hinweg- 
bringen und die weiteren Pläne der Regierung schon im 
Keime ersticken lassen. Kollegen! Kameraden! Seien Sie 
nicht sorglos! Unsere gesamte Existenz steht auf dem 
Spiele. Schon einmal haben wir es in diesen Nachrichten 
Ihnen zugerufen: „Aufklärung in die Masse der kriegs¬ 
beschädigten Bundesangestellten hinauszutragen, damit 
sie ihre Feinde erkennen lernen und sich zusammenschlie- 
ßen in der Abwehr gegen die Bureaukratie und ihre 
Helfershelfer!" 
$0r die <3nt>alif>en 
ffot man fein Geld. 
Kaum ist es Jahressrist, daß der Kampf um die achte 
Novelle zum J.-E.-G. beendet wurde, und scbon herrscht 
allerorts in den Reihen der Kriegsopfer wieder bittere 
Not, weil, einerseits infolge der niedrigeren Rentensätze 
überhaupt, anderseits aber infolge der harten und herz- 
losen Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen durch die 
J.-E.-K., die notwendigsten Geldmittel fehlen. In Anbe¬ 
tracht dieser Notlage hat daher der Zentralverband eine 
Denkschrift an die österreichische Bundesregierung gerich¬ 
tet Und schleunige Abhilfe verlangt. Er hat gefordert, daß 
die Renten den Teuerungsverhältnissen angepaßt werden 
und insbesondere das Unrecht, welches in der ungleich- 
mäßigen Abstufung der Rentensätze, die auf die per- 
zentuelle Erwerbsverminderung gar keine Rücksicht neh- 
men, liegt, beseitigt werde. Auch nach Aufhebung einzel¬ 
ner besonders harter Bestimmungen, wie zum Beispiel 
der Renteneinftellung oder Zwangsabfertigung für Krie¬ 
gerwitwen und der Rentenkürzungen, gingen die in der 
Denkschrift niedergelegten Forderungen. 
Monatelana gab die Regierung überhaupt keine Anl- 
wort. Man ließ ihr Zeit, denn man glaubte, sie befasse 
sich vielleicht mit Berechnungen und werde schließlich mit 
einem, wahrscheinlich schlechten Vorschlage, aber doch mit 
einem Vorschlage kommen. Statt eines solchen aber kam 
eine wenige Zeilen umfassende Antwort des Bundesmini- 
steriums für soziale Verwaltung, in der es heißt, daß die 
Forderungen des Zentralverbandes nicht unbeträchtliche 
Erhöhungen der Staatsauslagen bedeuten würden und 
kein Geld vorbanden sei. Also das alte Lied! Für die In- 
validenfürsorae hat man kein Geld. Wir wollen wirklich 
nicht abgedroschene Phrasen dreschen, aber bei solchen 
Gelegenheiten fallen einem schließlich dock immer wieder 
die hohen und heiligen Versprechen vom „Dank des Va¬ 
terlandes" ein. 
Wir wissen es, große Erbitterung wird die Leser die¬ 
ser Zeilen erfüllen, denn es kommt einem vor, als würde 
die Regierung ein frevles Spiel mit der Rot der Kriegs¬ 
opfer treiben und es zeigt sich immer und immer wieder, 
daß sie nur einem außerordentlich großen Drucke weicht 
und sich iedes, auch das geringste Zuaeständnis abpressen 
läßt. Dieie Taktik sagt uns, welchen Weg wir beschreiten 
müssen, um nicht ganz dem Verhungern und der Verelen- 
dung preisgegeben zu werden.
	        
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