Volltext: Nr. 11 1924 (Nr. 11 1924)

Nr. 11 
Nachrichten 
Seile 3 
ja die Ueberwachung die vorherige Feststellung der 
Pflichtzahl zur Voraussetzung hat? denn der Unter- 
nehmer könnte sich jederzeit darauf berufen, daß ihm 
noch keine Pflichtzahl bekannt sei, daß er den Umfang 
seiner Einstellungspflicht nicht kennt. 
Es ist deshalb äußerst wünschenswert, die Jnva- 
lidenentschädignngs-Kommissionen mit dieser Aufgabe 
zu betrauen, die sie ja felbst schon teilweise durchführen 
und ihnen auch einen gesetzlichen Rückhalt zu geben. 
Für Wien kommt selbstverständlich die Magistratische 
Abteilung XI, das Juvalideuamt Wien, in Betracht, 
welches für das Land Wien in Bezug auf die Jnva- 
lidenbeschäftigung mit den Agenden einer Invaliden- 
entschädigungs-Kommifsion betraut ist. 
ad 4. Es ist selbstverständlich, daß trotz aller Kollek¬ 
tivverträge und sonstigen gesetzlichen Sicherungen das 
Verhältnis eines eingestellten Kriegsbeschädigten zu 
seinem Arbeitgeber ein anderes ist, als das eines ge¬ 
sunden Arbeitnehmers. In den wenigsten Fällen 
wird der Kriegsbeschädigte, trotz aller Anstrengungen, 
so viel leisten können, als ein vollwertiger Arbeiter, 
und je größer seine Kriegsschädigung ist, desto größer 
wird auch die Differenz sein. Die Folge ist, daß der 
Unternehmer durch öfteren Austausch der begünstigten 
Personen, eben der eingestellten Kriegsbeschädigten, 
trachtet, nur einen möglichst wenig Beschädigten zu 
erhalten und den Schwerbeschädigten zu entlassen. Der 
kleine Unterschied, daß er dabei eine Kündigungsfrist 
von vier Wochen an Stelle der gewöhnlichen von zwei 
Wochen einhalten mutz, fällt bei Angestellten, welche 
unter dem Privataugestelltengefetz stehen, überhaupt 
weg und bildet bei den übrigen nur ungenügenden 
Schutz vor Entlassung. Es ist deshalb dringend not- 
wendig, daß den Eingestellten ein größerer Schutz vor 
willkürlichen Entlassungen gewährt wird. Der Zen- 
tralverband glaubt, daß dies am besten dadurch ge- 
scheheu kann, daß zur Entlassung eines nach dem Ge- 
setze eingestellten Kriegsbeschädigten die Zustimmung 
des Einigungsamtes eingeholt werden muß, so 
wie es bei den Betriebsräten der Fall ist. 
ad 5: Die Erhöhung der im §9, Absatz 1, vorge¬ 
sehenen A n s g l e i ch s t a x e, welche an Stelle der 
Einstellung für jede einzelne Person, die zu beschäfti- 
gen wäre, zu zahlen ist, ergibt sich aus verschiedenen 
Gründen. In erster Linie ist zu berücksichtigen, daß 
vier Jahre seit der Schaffung des Gesetzes vergangen 
und die damals se st gesetzten Beträge 
durch die Geldentwertung vollständig 
wertlos geworden sind. 2500 K jährlich sür 
einen nicht eingestellten Kriegsbeschädigten sind ein 
Drittel Laib Brot oder eine bessere Zigarre, aber 
durchaus kein Aeqnivalent für eine unterlassene, 
heilige Pflicht. Wenn auch immer wieder betont wird, 
daß die Durchführung des Gesetzes trotz aller Zwangs- 
maßnahmen doch mehr oder weniger von dem guten 
Willen der einzelnen Betriebsinhaber abhänge, so geht 
es doch nicht an, auf jedes Pressionsmittel zu verzich- 
teu, weil es auch innerhalb der Unternehmer welche 
gibt, die es an allem guten Willen fehlen lassen. In 
Hinsicht auf die stabilen Geldverhältnisse hätte sich öer 
Zentralverband mit einer gewöhnlichen Valorisierung 
des im Jahre 1920 festgesetzten Betrages der Ans- 
gleichstehe begnügen können. Es schien ihm aber zweck- 
dienlicher, nicht eine ganze Zahl sür ganz Oesterreich 
einheitlich festzusetzen, weil die finanzielle Kraft der 
einzelnen Unternehmer verschieden ist und weil auch 
die Natur der Betriebe oft sehr voneinander abweicht. 
Der Zweck der Ausgleichstaxe soll in erster Linie der 
sein, die Durchführung des Gesetzes zu erleichtern. Es 
darf für keinen Unternehmer einen zu großen Vorteil 
bedeuten, an Stelle der Einstellung Geld als Aequiva- 
leut zu geben. Ausgehend von der Erwägung, daß 
auch der schwerste Kriegsbeschädigte immer noch im- 
stände ist, die Hälfte der Arbeitsleistung eines Voll¬ 
wertigen zu vollbringen, stellt der Zentralverband die 
Forderung auf, daß oie Ausglelchsraxe die Hälfte 
oes Jayresarveusverdieustes eines 
Arbeiters des Betriebes vetragen soll. Ats Maßstab 
fNr die Berechnung tann a l 1 g e m e i n d e r K o l e t- 
tivverirag herangezogen werden, und in 
den ganz settenen Fällen, wo tein Kollektivvertrag be- 
steht, sou das ortsuoliche Ausmaß als Berechnungs- 
gruuötage dienen. Die Festsetzung einer Höchngrenze 
eures Jahresarveitsverdlenstes empfiehlt sich nicht, 
weit sie entweder mit Rucrucht auf die tapitals- 
schwachen Unternehmer fehr niedrig angesetzt werden 
nlußre, wodurch dann wieder der angestrebte Zweck 
vereitelt würde oder, wenn sie zu hoch augesetzt wäre, 
eine unnötige Belastung der weniger kapitalsrrästigen 
Industrien und Branchen bedeutete. 
Wenn daraus hingewiesen wird, daß die Ausgleichs- 
taxe auch sür Betriebe in Betracht kommt, die nach 
ihrer ganzen Natur keine Kriegsbeschädigten einstellen 
können, weil dieselben für die Kriegsbeschädigten 
körpergefährdende oder sonstige gesundyeitslchäötiche 
Folgen hätte, so kann wohl ruhig daraus hingewiesen 
werden, daß derartige Betriebe meist zu den kapital- 
kräftigsten gehören. Die Erhöhung der Ausgleichstaxe 
ist auch deshalb notwendig, um dem Fonds, der dar- 
aus angetegt wurde, wirttiche Mittel zuzuführen, da- 
mit er seinem Zweck gerecht werden kann. Bleibt die 
Ausgleichstaxe unverändert, so würde wohl die ganze 
Summe der Betrüge, die in Oesterreich gezahlt wirö, 
nicht hinreichen, um auch nur zehn Schwerbeschädigte 
unterzubringen, geschweige denn ihnen eine sonstige 
Existenz zu verschaffen. 
ad 6: Diese Forderung entspricht mehr dem Wunsche 
nach Entlastung der staatlichen Aemter, welche mit der 
Durchführung des Gesetzes betraut sind. Es ist be- 
kannt, daß die Gewerbeinspektorate ihren gewaltigen 
Aufgaben nicht nachkommen können, weil zu wenig 
geeignete Kräfte vorhanden sind und infolge der Sa- 
niernng leider auch nicht sofort angestellt werden kön- 
nen. Ganz das gleiche ist auch bei den Invaliden- 
entschädigungskommissionen der Fall und die Folge 
davon ist, daß dieselben innerhalb eines Jahres nicht 
alle in Betracht kommenden Betriebe kontrollieren und 
überwachen können, so daß vielfach weder eine Ein- 
stellnng erfolgt, noch eine Ausgleichstaxe vorge- 
schrieben werden konnte, weil die öazn berufene amt- 
liche Stelle mangels jedes Matertals eventuell von 
der Existenz des Betriebes, noch weniger von der Zahl 
der darin Beschäftigten Kenntnis hatte. 
Es ergibt sich daraus, daß die Unternehmer selbst 
verhalten werden müssen, in regelmäßigen Zeitab- 
ständen die Zahl ihrer Arbeitnehmer zu 
melden und auch sonst jede Aenderuug, welche eine 
Einstellungspflicht nach sich zieht oder die Pflichtzahl 
erhöht, den zuständigen Stellen bekanntzugeben. 
Um eine unnötige Belastung des Betriebes zu ver- 
meiden, wird vorgeschlagen, daß diese Meldungen nur 
an die Jnvaliden-Entschädigungskommission und an 
die Gewerbeinspektion zu erstatten sind. 
Di« vorerwähnten Forderungen sollen in das Gesetz 
aufgenommen werden, w e l che s mi t d i e s e n A e n- 
derungen auf zwei Jahre zu verlängern 
ist. Die Verlängerung der Geltungsdauer des Ge- 
setzes und die Erhöhung öer Ansgleichstaxe find 
die wichtigsten Forderungen, für welche die 
Kriegsopfer mit Einsetzung ihrer ganzen Kraft 
kämpfen werden. Die in Wie n wohnenden Kriegs- 
opfer aber haben außerdem noch den dringenden 
Wunsch, daß die Arbeitsvermittlungsstelle für Kriegs- 
invalide der Magistratsabteilung XI (Invalidenamt 
Wien) ausgebaut werde und den Charakter und die 
Befugnisse einer gemeinnützigen Arbeits- 
n a ch w e i s st e l l e im Sinne des Gesetzes erhält. Die
	        
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