Volltext: Die gelbe Maske [310/311]

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„Wie wär's, wenn ich dir soviel Geld anböte, um das 
Zimmier für ein ganzes Jahr voraus zu mieten?“ fragte er. 
Nanina sah ihn in sprachloser Verwunderung an. 
„Wie wäre das 2»“ fuhr der Haushofmeister fort. „Und 
wenn ich als Gegenleistung von dir nur verlangte, daß du 
ein schönes Kleid anziehst und in einem schönen Zimmer den 
Gästen des Marquis, bei dem großen Ball, Erfrischungen 
reichtest? Was würdest du dazu sagen?“ 
Nanina sagte gar nichts. Sie trat einen Schritt oder zwei 
zurück und sah noch verwirrter aus als zuvor. 
Du wirft doch von dem Ball schon gehört haben,“ sagte 
der Haushofmeister gobartig „Die ärmsten Leute von Pisa 
sprechen davon. Die ganze Stadt spricht davon.“ 
Nanina antwortete immer noch nicht. Hätte sie aufrichtig 
antworten sollen, so hätte sie sagen müssen, daß die Gespräche 
der Stadt nun kein Interesse mehr für sie hätten, da die letzten 
Nachrichten, die sie gehört hatte, die Botschaft vom Tode der 
Gräfin d'Ascoli und von der Abreise Fabios in fremde Länder 
gewesen wavren. Seither hatte sie nichts mehr von ihm gehört. 
Sie wußte ebensowenig von seiner bevorstehenden Rückkehr in 
die Heimatstadt wie von den Vorbereitungen für den großen 
Maskenball. Irgendein Gefühl — das sie nicht analysieren 
tkonnte noch wollte — hatte sie nach Pisa zurückgeführt und in 
ihr altes Heim, mit dem sie die zartesten Erinnerungen ver— 
banden. Da sie ghaubte, daß Fabio noch immer abwesend war, 
konnte keine bise Absicht hinter dem Verlangen ihrer Rückkunft 
stecken; und so hatte sie der Versuchung nicht widerstehen 
können, den Ort wieder aufzusuchen, welcher der Schauplatz 
des ersten —I Glückes sowohl als des ersten großen 
Schmerzes ihres Lebens gewesen war. Unter all den armen 
Leuten von Pisa war sie gewiß die letzte, deren Neugierde 
erweckt oder deren Aufmerksamkeit in Anspruch genommen 
hätte werden können durch die verschiedenen Gerüchte, die über 
das große Fest im Palast Melani im Umlauf waren. 
Aber all das konnte sie nicht sagen; sie konnte nur 
bescheiden und vpoll Verwundérung den Schilderungen des 
bevorstehenden Festes lauschen, die der Haushofmeister aus Mit⸗ 
leid für ihre Unwissenheit und in der Hoffnung, sie zur An⸗ 
nahme seines Angebotes zu bewegen, ihr umständlichst entwarf; 
er verweilte mit besonderem Nachdruck bei den Herrlichkeiten der 
arkgdischen Gärten und der Schönheit der Kostüme der 
Schäferinnen. Als er fertig war, estand Nanina ihm schüchtern, 
daß sie sich in einem so prächtigen Gewande, das nicht ihr 
gehörte, unbehaglich fühlen würde und daß sie Bedenken hätte, 
ob sie auch wirklich imftande sei, den hohen Herrschaften beim 
Ball kunstgerecht aufzuwarten. Der Haushofmeister wollte 
jedoch keine Einwendungen gelten lassen und wandte sich ent—⸗ 
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