Volltext: Th. 1 [=A. Geschichte von Schärding], H. 2 (Th. 1, Heft 2, 1886)

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die Zahlen gar kein Ende nahmen, und alle zahmen Thiergattungen, wie sie kaum 
in der Arche Noahs gewesen sein mochten, gleich nach Tausenden verlangt wurden, 
fing er an, auf seinem Sitze hin und her zu rücken, und vernehmlich zu brummen. 
„Sagen Sie dem Herrn Marschall", rief er dem hierüber außer Fassung 
gerathenen Anton Wieninger zn, „ob er mich für einen Taschenspieler halte, der 
„Tanbeu und Meerschweinchen aus seinem Hnte herauszaubern kann?" Der Dol¬ 
metscher Anton Wieninger bebte am ganzen Leibe; „das getraue ich mir nicht zu 
sagen", bemerkte dieser, „das lassen Sie sich von Jemand anderem übersetzen". 
Dem im Saale auf- und abschreitenden Marschall waren diese Zwischenbemerkungen 
nicht entgangen; nun kam die Contribution: „Bis kommenden Tag, Mittags 12 Uhr, 
sollen 80.000 Gulden bar erlegt sein". 
Das war zu viel! „Das schreibe ich nicht", rief Stöger entrüstet aus, und 
warf die Feder auf dm Tisch; „das heißt mit unserm Elende noch Spott treiben! 
„Sagen Sie dem Longinus, der herumsteigt, wie der Hahu im Werg, daß ich das 
„nicht schreibe!" 
Der Dolmetsch Anton Wieninger erstarrte vor Schrecken; Massena aber 
stand mit zwei gewaltigen Schritten hinter Stöger, und gab ihm einen derben 
Schlag auf den Rücken. „Est ce qne vons etes fache, monsieur?“ rief er mit 
blitzenden Augen, als habe er nichts geringeres zu thun, als ihn in der Mitte 
abzubrechen. 
War Stöger zuvor schon aufgeregt, so stieß die nun erlittene Mishandlnng 
dem Faße vollends den Boden aus. Zornglühend sprang er auf, und trat vor 
den Marschall hin, der unwillkürlich einen Schritt zurückmachte. „Ja", rief Stöger, 
nnd vergaß im Eifer ganz, daß der Marschall ihn nicht verstand, „ja, ich bin 
„fache! Ich bin es als Beamter Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich nicht 
„gewohnt, mit Schlägen traktirt zn werden! Das mag bei Ihnen Sitte sein, bei 
„uns nicht Herr Marschall! Ja, ich bin entrüstet, und scheue mich nicht, es zu 
„zeigen! Es ist geradezu Hohn mit dem Elende, in das Sie uns versetzt haben, 
„von uns eine solch' ungeheure Summe zu verlangen. Ebenso gut könnten Sie 
„fordern, ich solle bis Morgen Mittags 12 Uhr die zusammengeschossene Stadt wieder 
„aufbauen! Es ist Hohn mit unserer Armuth, diese Lieferungen zu verlangen, jetzt, 
„nachdem Ihre Horden Alles ausgeplündert, und kaum Eine Klaue übrig gelassen 
„haben! Es ist Hohn, Lieferungen zu fordern, die man kaum in Friedenszeiten, 
„und beim größten Ueberstnsse ausbringen könnte, nnd es ist noch der größte Hohn, 
„daß ich sie liefern soll, ohne alle amtliche Hilfsmittel, und binnen einer Zeit, die 
„nothwendig einen Hexenmeister voraussetzt. Wenn es auf die armen Schärdinger 
„denn doch einmal abgesehen ist, so machen Sie ihnen rasch und ohne Flansen den 
„Garaus! Und mich, der ich Ihnen die Wahrheit gesagt habe, und den Sie doch 
„schon einmal ruinirt haben, mich lassen Sie süsiliren, damit mein Weib znr Witwe 
„und meine Kinder zu Waisen werden und damit bin ich zu Ende!" 
Der Marschall war während dieser ganzen Standrede unbeweglich geblieben, 
und hatte kein Auge von Stöger abgewandt. Dolmetsch Anton Wieninger war vor 
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