Full text: Polizei-Humoresken [35/36]

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Inanspruchnahme und der Gründlichkbeit ihrer Arbeit nicht 
fertig werden konnten. Ganz anders war dies aber bei dem 
Aktens chieber. Der hatte sich ein eigenes System zurechtgelegt, 
um, ökonomisch wie er war, mit möglichst geringer Arbeitskraft 
den möglichst größten Erfolg zu erzielen und nie Rückstände zu 
haben, welche bei ihm „urgiert“ werden konnten, wie es in 
unserm schönen Amtsdeutsch heißt. Bei einem ihm zugeteilten 
Akte verwendete er nämlich nie seine ganze Denkkraft darauf, 
wie das Stück zu erledigen wäre, sondern er suchte ausschließlich 
herauszufinden, wohin er den Akt zur weiteren Erhebung, zu 
ergänzender Auskunftserteilung senden könnte, um ihn für 
einige Zeit oder für immer von seinem Schreibtische fort— 
zubekommen. Er war ein Meister im Aufwerfen von Kom— 
petenzfragen, welche zu ihrer Erledigung die Verwaltungs— 
gerichtshöfe sämtlicher europäischen Staaten für ein Jahrzehnt 
beschäftigt hätten. Die Abgangsstellen für Protokolle und die 
Post erklärte er für die besten Erfindungen unsrer Zeit, weil 
es sich hie und da doch ereignete, daß ein Stück verlorenging 
und dadurch nie wieder dem Aktenschieber Arbeit oder Kopf— 
zerbrechen verursachen konnte. Ein Brand in der Registratur 
wäve ihm wünschenswerter erschienen als eine außertourliche 
Beförderung, denn solch ein Feuerchen bot doch die Aussicht, daß 
es alle Protokolle verzehrte. Am liebsten waren ihm Alktenstücke, 
die aus irgendeinem, wenn auch noch so nichtigem Anlasse, die 
Notwendigkeit einer Anfrage in Tschechien, in Polen oder in 
den Ländern der geheiligten Stephanskrone erklärlich machten. 
Da die deutschen Anfragen in diesen nichtdeutschen Ländern gar 
nie beantwortet wurden, war der Albltenschieber sicher, den 
dorthin gesendeten Akt für immerwährend in die Verbannung 
geschickt zu haben und nie mehr durch sein Wiederauftauchen 
in seiner behaglichen Beamtenruhe gestört zu werden. 
Die bösartigsten aller Menschen waren für ihn 
Arrestanten. Nicht etwa deshalb, weil sie irgendeine kleine Ver— 
fehlung oder ein größeres Verbrechen begangen hatten, sondern 
rein nur aus dem ihm unsympathischen Grunde, weil sie 
Arbeit, eine Einvernahme oder sonst dergleichen verursachten. 
Aus diesem Grunde hatte er sich eines Tages zu der Erkenntnis 
durchgerungen, daß Strafen keineswegs geeignet seien, Uebel— 
täter zu bessern, daß Arreste, Untersuchungsgefängnisse und 
Anstaltszellen auf den Charakter von Menschen einen überaus 
nachteiligen Einfluß haben, und um diese rein persönliche An⸗ 
schauung ins Praktische zu übertragen, entließ er seither immer 
alle jene Arrestanten, die ihm im Laufe der Nacht Wachleute 
oder Kriminalbeamte eingebracht hatten, oder die ihre Reife 
für das Irrenhaus dadurch bekundeten, daß sie sich selbst stellten. 
Während der Nächte, da ihn das Verhängnis des Dienstes traf, 
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