Full text: Polizei-Humoresken [35/36]

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irgendeinen Kollegen weggeschnappt wurde, der alles eher 
als ein Theoretiker, sondern ein auf dem Boden der Wirk— 
lichkeit stehender Praktiker war, der den Täter brachte und 
vielleicht sogar noch dessen Geständnis oder den vollgültigen 
Beweis der Täterschaft dazu. Das ist nur Zufall und kein 
reines Wissen, pflegte sich dann unser Maisterdetektiv 
theoretischen Wissens zu trösten, Kriminalistik muß aber eine 
festbegründete Wissenschaft sein und nicht eine dem Zufall 
anheimgegebene Verbrecherjagd. 
Daß sein Defizit an kriminalistischem Können noch weniger 
wert war als Kochbüchelweisheit zur Zeit der Kriegsrayon— 
ierung, hätte er gar nie und nimmer zugegeben. So wie es in 
den Kochrezepten zur Herstellung einer Torte etwa heißt: 
„Man nehme fünf Eidotter, ein Viertelkilogramm Mehl, 
50 Dekagramm Zucker, nehme dann fünf Rippen feiner Schoko⸗— 
lade, rühre das Ganze eine halbe Stunde lang, nehme unter— 
defssen fünf Eiklar, schlage aus diesen einen festen Schnee, ver⸗ 
menge ihn mit gesiebtem Mandelstaub in den Teig usw.“, 
ohne daß diese guten Ratschläge auch gesagt hätten, woher 
man albe diese guten, in der Kriegszeit aber unerreichbaren 
und jetzt so sündteuren Sachen nehmen sollte. Ebenso oder 
pielmehr noch viel windschiefer stand es mit der Büchelweisheit 
des Herrn Polizeiagenten Hamlich. Er hätte auch ein Buch 
darüber schreiben und darin ausführen können: Man nehme 
den Tatorb genau in Augenschein, nehme sich alle Begleit— 
umstände vor, zergliedere und zerfasere die Tat, ziehe kühne 
Schlüsse, nehme dann die Spur auf, nehme den Täter fest, nehme 
die Beweise zusammen, nehme dann den Täter vor, nehme ihn 
so lange ins Gebet, bis er sich auf Grund der Beweise ein Herz 
faßt und sein Leugnen aufgibt, und diese Gelegenheit nehme man 
wahr, um ihn zu einem Geständnisse zu veranlassen. Woher 
man aber den Täter, woher die Beweise für seine Schuld nehmen 
folle, die Antwort auf diese Frage wäre Hamlich schuldig ge— 
hlieben. Das hängt eben vom besonderen Falle ab, hätte er 
gesagt, da sich in der Kriminalistik nichts generalisieren lasse. 
Wie wenig praktischen Wert sein theoretisches Wissen hatte, 
das hatte Polizeiagent Hamlich einmal am eigenen Leibe er⸗ 
fahren. Während einer Straßenbahnfahrt wurde er, auf der 
rügwartigen Plattform stehend, von einem andern Fahrgast 
ein wenig unsanft zur Seite gestoßen. Der andre s prang dann 
noch während der Fahrt ab, um zu einer geg nuberliegenden 
Umsteigestelle zu gelangen. In diesem Augenblicke begann das 
kriminalistische Gehirn unsres Theoretikers zu arbeiten. Be⸗ 
sonderer Wissenschaft bedurfte es da wohl nicht, um darin einen 
Aben Taschendiebstrick zu vermuter und das wie unabsichtlich 
erfolgte Zurseitestoßen, das rasche Abspringen während der 
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